CoCare – Pflege gemeinsam besser koordinieren
Als Folge des demografischen Wandels wird die Anzahl der Patienten in Pflegeheimen zunehmen. Damit jetzt und in Zukunft die ärztliche Versorgung in Pflegeheimen gesichert ist, will die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg im Projekt CoCare organisatorische Barrieren in der Pflege überwinden und vermeidbare Krankenhauseinweisungen reduzieren.
Am 9. November 2018 hat der Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG) beschlossen. Neben zahlreichen Erleichterungen im Bereich des Pflegepersonals sieht das Gesetz auch vor, dass Pflegeheime und niedergelassene Ärzte besser zusammenarbeiten. So war es bisher lediglich erwünscht, dass Pflegeeinrichtungen einen Kooperationsvertrag mit geeigneten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern schließen. Seit 1. Januar 2019 müssen Pflegeheime nun Kooperationsverträge schließen. Dabei können sie sich von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) unterstützen lassen.
Dass es Herausforderungen in der haus- und fachärztlichen Versorgung in Pflegeheimen gibt und die gewünschte Kooperation zwischen den Pflegeheimen und den Ärzten nicht gut funktioniert, hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) schon frühzeitig erkannt. Seit dem 1. April 2017 wird das Projekt CoCare aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für drei Jahre gefördert.
„In dem Projekt sollen organisatorische Barrieren, zum Beispiel hinsichtlich der Kommunikation und Infrastruktur sowie zeitlicher Planbarkeit, abgebaut werden. Wir möchten mit CoCare die koordinierte ärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern sowie die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Pflege und Ärzten verbessern. Außerdem sollen vermeidbare Krankenhauseinweisungen und Krankentransporte reduziert werden“, erklärt Swantje Middeldorff, Pressereferentin der KVBW. An dem Projekt sind die KVBW als Konsortialführerin, alle Verbände der Krankenkassen und Ersatzkassen, das Universitätsklinikum Freiburg mit der Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA) und das Zentrum für Geriatrie und Gerontologie Freiburg (ZGGF) sowie die nubedian GmbH, ein Spin-off des FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe, beteiligt.
Hausärzteteams betreuen die Pflegeheime
CoCare versucht mit verschiedenen Mitteln die Kommunikation zwischen den Haus- und Fachärzten und dem Pflegeheimpersonal zu optimieren. So werden Hausärzteteams aus vier Hausärzten gebildet. Bei einer Hausarztvisite pro Woche ist somit gewährleistet, dass jeder Pflegeheimbewohner alle vier Wochen mit seinem eigenen Arzt und, falls nötig, mit einem anderen Arzt des Teams Kontakt hat. So können ungeplante Anforderungen an den Hausarzt reduziert werden. Organisiert wird der Kontakt zwischen dem Ärzteteam und dem Pflegeheim durch einen Pflegeheimkoordinator. Im Rahmen des Projekts erhalten teilnehmende Pflegeheime eine Koordinationspauschale. Teilnehmende Ärzte werden extrabudgetär vergütet.
Erleichtert wird die Kommunikation zwischen den Hausärzten und der Pflegeeinrichtung durch das gemeinsame elektronische Dokumentations- und Kommunikationssystem (CoCare-Cockpit). Die webbasierte Anwendung läuft über das „Sichere Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen“ (SNK). Auf die datenschutzkonforme Software haben nur das entsprechende Hausärzteteam und das zuständige Pflegepersonal Zugriff. Die Daten der Patienten werden mit der Software zentral an einem Ort gespeichert und sind mit CoCare-Cockpit für die Beteiligten einsehbar. So liegen für den behandelnden Arzt und das betreuende Pflegepersonal immer alle Informationen für den Patienten vor.
Einheitliche Schnittstellen als Ziel
Zur Zeit läuft CoCare-Cockpit, das von der nubedian GmbH entwickelt wurde, noch über eine Web-Anwendung. Aber Ziel ist, CoCare-Cockpit über eine einheitliche Schnittstelle mit der Praxissoftware beziehungsweise der Software des Pflegeheims zu vernetzen. Auch der Medikationsplan ist in die Software integriert und kann somit leichter abgeglichen und koordiniert werden. „Die Ärzte machen die wöchentlichen hausärztliche Visiten und quartalsweise fachärztliche Visiten, jeweils zu definierten Zeitpunkten. Ferner gibt es gemeinsame Quartals- und Jahresgespräche. Die Patienten werden auf strukturierten Behandlungspfaden betreut, die durch ein gemeinsames Medikations- und Kathetermanagement ergänzt werden“, sagt Middeldorff. Die Harnblasenkatheter werden in dem Projekt im Pflegeheim durch einen Urologen gelegt und gewechselt. Um die Patienten mittels Ultraschall zu untersuchen, steht den Ärzten ein mobiles Sonografie-Gerät zur Verfügung. Mithilfe des Kathetermanagements sollen unnötige Krankentransporte minimiert werden.
Einen wichtigen Teil des Projektes stellen die Schulungen der Ärzte und des Pflegepersonals dar. In dem eintägigen, gemeinsamen CoCare-Workshop werden praxisrelevante Themen wie Demenz und Schmerzen im Alter, aber auch Polypharmazie behandelt. Die Themen wurden für das Projekt in Form von Behandlungspfaden (Problem-/Risikosituation – Handlungsoption) aufbereitet. Weitere Schulungen sind eine zweistündige IT-Anwenderschulung (CoCare-Cockpit) für Pflegefachpersonal und Hausärzte und eine halbtägige Katheter-Management-Schulung für Hausärzte.
Evaluation wird Klarheit bringen
Teilnehmen können Pflegeheime, deren Sitz in einem der Interventionslandkreise (Stadt- und Landkreise der Regierungsbezirke Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg) liegt. „Dabei ist es selbstverständlich wichtig, dass sowohl Ärzte als auch Pflegeheime bereit sein müssen, die Projektinhalte umzusetzen. Dazu gehört zum Beispiel, dass die das Pflegeheim betreuenden Hausärzte ein oder mehrere Hausärzteteams bilden“, so die Pressereferentin. Die Landkreise des Regierungsbezirks Tübingen (Süd-Württemberg) gehören zu den Kontrolllandkreisen. In Pflegeheimen aus dieser Region wird das Projekt nicht umgesetzt. Sie stehen lediglich zur Evaluation zu Verfügung. „Es findet eine wissenschaftliche Begleitung durch die Sektion für Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA) des Universitätsklinikums Freiburg statt. Bei der Evaluation wird sequenzielles Kontrollgruppendesign mit Prä-Post-Messung und Propensity Score Matching als Methodik angewendet. Erste Interviews und Fokusgruppen finden bereits statt“, berichtet Middeldorff. Die Ergebnisse der Evaluation werden voraussichtlich Ende 2020 vorliegen.