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Forschungsverbund

Die SPI-MP: Wegbereiter in der Personalisierten Medizintechnik

Jeder Mensch ist einzigartig – natürlich auch, wenn er krank ist. Deshalb wird schon seit einiger Zeit an vielerlei Ansätzen einer Personalisierten Medizin gearbeitet. Mittendrin in solchen Forschungsarbeiten ist die Stuttgart Partnership Initiative – Mass Personalization (SPI-MP), die Fabrikations- und Biomaterialtechnologien für individuelle biomedizinische Systeme erforscht. Die Projekte sind vielfältig und reichen vom künstlichen Kniegelenksknorpel bis hin zu modernster Schlaganfalldiagnostik.

Im Oktober 2017 startete eine gemeinsame Initiative der Universität Stuttgart, der vier Stuttgarter Fraunhofer-Institute IAO, IBO, IPA und IGB sowie von Industrieunternehmen der Region: das Leistungszentrum Mass Personalization (LZMP). Die Aufgabe, die sich das LZMP seither stellt, ist eine branchenübergreifende Vernetzung von Forschungs- und Praxisexpertise zum Themenkomplex „Massenpersonalisierung“. Dabei steht nicht nur die konkrete Entwicklung von individualisierten Produkten und Dienstleistungen im Fokus, sondern auch die Möglichkeit, diese mit der geringen Loszahl zum Preis von Produkten der Massenproduktion industriell zu fertigen.

Aber auch auf die Ökobilanz solcher Produkte wird größten Wert gelegt: Aspekte der Nachhaltigkeit werden im gesamten Lebenszyklus berücksichtigt. Dabei wird am LZMP von den Kooperationspartnern in insgesamt vier Themenlinien gearbeitet: Bauen und Lebensräume, Gesundheit, Mobilität und Lebensräume sowie Produkte und Produktionssysteme.

Interdisziplinäre Forschung für die Personalisierte Biomedizin

Grafik, in der die verschiedenen Themenlinien des Leistungszentrums in einem Kreis mit Hilfe von Symbolen dargestellt werden, z. B. die Themenlinie Gesundheit als Herz mit einem Graphen einer EKG-Messung.
Im Leistungszentrum Mass Personalization (LZMP) werden verschiedenste Projekte rund um die Massenpersonalisierung bearbeitet. Mit dabei ist auch die Stuttgart Partnership Initiative – Mass Personalization (SPI-MP), in der vorwiegend Personalisierte Medizintechnikanwendungen vorangetrieben werden. © LZMP

Die Universität Stuttgart wird im Leistungszentrum durch die Stuttgart Partnership Initiative – Mass Personalization (SPI-MP) vertreten. „Stuttgart Partnership Initiative steht für ein Forschungsverbundformat der Uni, um die kooperative Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Instituten zu ermöglichen“, erklärt Dr. Janina Ulmer, Geschäftsführerin der SPI-MP. Denn die Partner werden mittlerweile nicht mehr, wie zu Beginn der Arbeiten, gemeinsam gefördert. Finanziell unterstützt wird die SPI-MP durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg.

Der Beitrag des SPI-MP liegt in der Themenlinie Gesundheit: Das Spezialgebiet der beteiligten Institute sind überwiegend Personalisierte Medizintechnikanwendungen; die bearbeiteten Projekte benennt die Initiative als „exzellente Grundlagenforschung zu Fabrikations- und Biomaterialtechnologien für personalisierte biomedizinische Systeme“. Konkret wird diese Aufgabe in aktuell vier Projekten bearbeitet, an dem außer Forschenden der Universität auch immer Partner mindestens eines Fraunhofer-Instituts beteiligt sind. Sechs weitere Forschungsprojekte sind bereits abgeschlossen: „Was nicht heißt, dass man nicht mehr daran arbeitet“, sagt Ulmer. „Die Projekte werden unter anderer Finanzierung weiter vorangetrieben. Und auch die Zusammenarbeit mit dem LZMP soll natürlich auch in Zukunft fortgesetzt werden. Beispielsweise konnten wir unsere Zusammenarbeit in diesem Jahr so gut kommunizieren und erfolgreich präsentieren, dass wir ganz frisch drei neue Verbundprojekte für die Uni zusammen mit dem Fraunhofer IPA sichern konnten.“

Individueller Katheter, Knorpelersatz oder Ultraschallsensor in Entwicklung

Eines der laufenden Projekte ist die „Patientenspezifische Modellierung bei endovaskulärer Schlaganfallbehandlung – PatModES“. Hintergrund ist, dass nach einem Schlaganfall oder auch bei einem Herzinfarkt sehr schnell und zuverlässig Katheter von der Leiste zum Gehirn navigiert werden müssen. Hierfür gibt es aktuell noch keine Standardtherapie, denn wegen der stark individuellen patientenspezifischen Gefäßgeometrie werden sehr unterschiedliche Instrumente und Manöver benötigt. Sind die Kontaktkräfte, die während des Eingriffs entstehen, zu hoch, können Gefäße verletzt werden und Instrumente stecken bleiben. Im Projekt soll ein Verfahren entwickelt werden, um bereits vor dem Eingriff per Röntgenbild Verformungen auswerten und Gefäßgeometrien analysieren zu können und damit übermäßige Kontaktkräfte, die zu Verletzungen führen, zu vermeiden. Hierbei können sich die Forschenden auch auf Ergebnisse des erst kürzlich abgeschlossenen Projekts „Endovaskuläre Kontaktkraftbestimmung für patientenspezifische Navigation – EndoPin“ stützen, in dem bereits ein mechanisches Modell implementiert und ein transparentes Gefäßmodell aus Hydrogel zur Kontaktkraftbestimmung entwickelt wurde.

Ein Metallstift eines 3D-Druckers, der hautfarbenes Knorpelgewebe druckt.
Im Projekt „Personalisierte Knorpelimplantate für das Kniegelenk“ wird eine Möglichkeit entwickelt, um passgenaue Knorpelimplantate aus Biomaterial auf Basis der individuellen MRT-Aufnahme der Patientin oder des Patienten dreidimensional zu drucken. © ISW, Universität Stuttgart

Ein anderes Projekt – „Kartierte Sonographie für die pädiatrische anatomische Bildgebung“ – wird im Stuttgarter Forschungsverbund demnächst gestartet. Hierbei soll gemeinsam mit der Kinderklinik der Universitätsmedizin Mannheim eine strahlungsfreie und kostengünstige Möglichkeit zur Bildgebung per Ultraschall zur sicheren OP-Planung bei Kindern entwickelt werden. Denn wegen starker Strahlenbelastung und der Notwendigkeit zur Sedierung scheiden hier CT- und MRT-Aufnahmen aus. Herkömmliche Ultraschalluntersuchungen liefern aber nur eine schlechte räumliche Zuordnung zum Körper. Die Lösung soll ein Gerät bringen, das zeitgleich mehrere Parameter mit einem Ultraschallsensor erfasst und dadurch eine dreidimensionale Karte des Patientenkörpers erstellt.

In einem weiteren Projekt – „Personalisierte Knorpelimplantate für das Kniegelenk“ – entwickeln die Forschenden einen personalisierten Knorpelersatz aus Biomaterial, der per 3D-Druck auf Basis von MRT-Bildern der Patientin oder des Patienten hergestellt wird. Dadurch steigt die Chance auf eine rasche Verwachsung im Knie, sodass die Erkrankten ihr Gelenk früher wieder belasten können und schneller schmerzfrei sind. Ergebnisse gibt es schon: ein Ersatzgewebe, das der Natur sehr nahekommt, gleichzeitig aber auch gut druckbar ist. Derzeit arbeitet man noch an der weiteren Optimierung des Materials. Innerhalb des LZMP ist das Projekt zwar abgeschlossen, mittlerweile ist das Knorpelprojekt aber Teil des groß angelegten EU-Projekts TRiAnkle, in dem zwölf Partner aus Forschung, Industrie und Klinik personalisierte und 3D-druckbare Implantate für Gelenke, Bänder und Sehnen entwickeln.

Kooperationsförderung auf mehreren Ebenen

Eine Halle mit verschiedenen Stehtischen und Ständen und zahlreichen Teilnehmenden.
Das SPI-MP ist regelmäßig an den verschiedensten Veranstaltungen beteiligt. So auch am Science Speed Dating, bei dem sich im März 2024 Forschende in zehnminütigen Dating-Runden gegenseitig kennenlernen konnten. © LZMP

Die Stuttgarter Initiative beschäftigt sich aber nicht nur mit konkreten Forschungsfragen. „Das Kernthema der SPI-MP ist die Medizintechnik auf vielen Ebenen. So sind wir auch viel in der Start-up-Szene unterwegs, arbeiten beispielsweise eng mit einem neu gegründeten Transfercenter zusammen“, berichtet Ulmer. „Wir sind zudem regelmäßig an Netzwerkveranstaltungen beteiligt, um unsere Themen weiter voranzubringen. Beispielsweise konnten wir bei der deutschlandweit ersten Veranstaltung zum neuen Förderformat EXIST Woman, ein Förderprogramm für gründungsinteressierte Frauen, unsere zehn Stipendiatinnen mit erfahrenen Gründerinnen und Vertreterinnen aus Politik und Verwaltung vernetzen: EmpowHER – Woman Entrepreneurs – so der Titel der Veranstaltung brachte auch ein frisch gegründetes Start-up aus dem Flugzeugbau mit einer neuen Co-Founderin zusammen, die nun ebenfalls eine Förderung über EXIST für 1,5 Jahre bekommen hat.“

Bereits in den letzten Jahren war die SPI-MP in einige solcher Veranstaltungen involviert. So auch Anfang des Jahres in die meccanica feminale an der Universität Stuttgart, eine Weiterbildungswoche, um Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Disziplinen zu fördern. Ebenso am Science Speed Dating, bei dem sich über 50 Forschende zu einem eher ungewöhnlichen Networking-Format trafen. „Mit unserer Forschungs- und Netzwerkarbeit haben wir die ursprünglich gesteckten Ziele erreicht“, so die Geschäftsführerin. „Damit hat sich die Initiative in jedem Fall bestätigt, und die Idee zur Zusammenarbeit im Leistungszentrum soll weitergehen. Die Kooperationsarbeiten haben in den letzten Jahren stetig zugenommen, der Bedarf an Verbundarbeit ist also auch zukünftig groß.“

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/die-spi-mp-wegbereiter-der-personalisierten-medizintechnik