Pipettierroboter für die akademische Forschung
goodBot GmbH: Der dritte Arm des Forschenden
Der Forschendenalltag zeigt: Repetitive Handgriffe im Labor sind ermüdend und häufig auch Quelle von Fehlern. Dabei ist gerade präzises Pipettieren entscheidend, um reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. In Forschungslaboren ist Automatisierung unterrepräsentiert und bereits vorhandene Pipettierroboter für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ungeeignet. Aus diesem Grund gründeten Dr. Julius Wiener, Tobias Zundel und Oliver Brunner die Firma goodBot GmbH und entwickelten einen auf akademische Forschung zugeschnittenen Pipettierroboter.
Die Präzision in wissenschaftlichen Laboren hängt stark von korrekter Versuchsdurchführung ab, wobei insbesondere das Liquid Handling, also das Pipettieren von Flüssigkeiten, der wichtigste Faktor und zugleich die bedeutendste Fehlerquelle ist. Dr. Julius Wiener betrachtet das manuelle Pipettieren als große Hürde, denn die menschliche Hand ist deutlich ungenauer als die maschinelle. „Wenn man 500-mal das Gleiche machen muss und dann noch abgelenkt wird, verliert man schnell den Überblick“, so Wiener. Der Molekularbiologe fühlte sich während seiner Universitätslaufbahn oft schon selbst wie ein Pipettierroboter und fragte sich mehrfach, ob es tatsächlich nötig sei, alles von Hand zu pipettieren, oder ob diese monotone Aufgabe nicht besser ein verlässlicherer Roboter durchführen könne. Denn fehlgeschlagene Experimente sind immerhin kostspielig und verbrauchen wertvolle Materialien und Zeit.
Liquid Handling in den meisten Laboren manuell
Überrascht war Wiener, dass auch während des Masters oder der Doktorarbeit noch immer manuell pipettiert wurde. Während in Diagnostik oder Industrie Roboter schon längst etabliert sind, ist dies in nur vier Prozent der Forschungslabore der Fall. Um die fehlende Automatisierung zu verstehen, schaute sich Wiener einen geschenkt bekommenen Pipettierroboter an, der vom Vorbesitzer nicht genutzt wurde. „Da habe ich verstanden, warum Forschungslabore diese Geräte nicht haben wollen, denn sie sind super umständlich zu bedienen und auf Flexibilität gar nicht eingestellt“, sagt er. So dauert ein typisches Experiment manuell etwa zwei Stunden, während die Eingabe und Bearbeitung von Fehlermeldungen ebenfalls zwei Stunden beansprucht. Auch wenn solche Geräte in der Diagnostik gut einsetzbar sind, im Forschungsalltag bei sich ständig ändernden Experimenten übersteigt der Einrichtungsaufwand eindeutig den Nutzen.
Zweifel an akademischer Laufbahn
Eine Firmengründung plante Wiener zwar nicht direkt, aber der vorgegebene Weg durch den universitären Betrieb schien irgendwie auch nicht das Richtige für ihn zu sein. Geboren 1988 in Überlingen am Bodensee, wollte Wiener unbedingt Biologe werden, um Pflanzen zu entdecken und ihre Wirkstoffe zu erforschen. Nach seinem Studium der Biologie in Tübingen und einem Master in Molekularbiologie in Darmstadt bereiste er die Alpen, Korsika, Südamerika und Südostasien, um seinen beruflichen Weg zu überdenken. „Man wird so durchgeschleust, macht Bachelor und Master, weil es alle so machen. Das passte mir irgendwie nicht“, erinnert er sich. Dennoch promovierte er am Freiburger Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) in der Mikrofluidik, der Schnittstelle zwischen Technik und Biologie. Oder - wie Wiener selbst sagt - in der Miniaturisierung von Experimenten. Während der Promotion verlagerte sich Wieners Fokus immer mehr in Richtung Methodenentwicklung, und er stellte einmal mehr fest, dass ihn der akademische Betrieb nicht zufriedenstellte.
Der agile Pipettierassistent
Wieder dachte Wiener über eine Lösung nach, wie ein Roboter die Arbeit der Forschenden erleichtern könnte. Sein Interesse an der Robotik, dem Programmieren und dem 3D-Druck halfen ihm dabei. Ziel war es nicht primär, ein Start-up zu gründen, sondern der Spaß am Basteln und Experimentieren. Sein Chef sagte damals, er könne nicht noch mehr Laborgeräte kaufen, bei denen die Benutzung meist stundenlanges Einarbeiten erfordere. „Wie schwer kann es sein, einen solchen Roboter zu bauen?“, fragte sich der Forscher.
Ein Problem bestehender Systeme ist ihre Größe und der hohe Preis, verbunden mit regelmäßigen Folgekosten durch beispielsweise Spezialpipetten und -gefäße. Insofern war Wieners Anliegen eine flexible Automatisierung, die leicht zu bedienen ist und mit bereits vorhandenen Materialien arbeitet. Da in der Forschung an verschiedenen Arbeitsplätzen gearbeitet wird, musste der goodBot schlank, portabel und in jedes Umfeld integrierbar sein. Das von Wiener entwickelte Gerät ist nicht größer als eine Schreibtischlampe und besitzt einen frei beweglichen Roboterarm, der alle Aufgaben des normalen Pipettierens übernehmen kann. Neben der nutzerfreundlichen Software ist die Zeitersparnis ein großes Plus, die für Entwicklung von Ideen oder Analysen von Experimenten verwendet werden kann: „Wenn ich eine PCR machen möchte, kostet es mich mit dem goodBot als neuer Nutzer fünf Minuten und als geübter Nutzer zwei Minuten“, so der Gründer. Darüber hinaus erhöht goodBot die Wiederholgenauigkeit und letztlich die Erfolgsrate, was sich in reproduzierbaren Ergebnissen zeigt.
Die Geburt von goodBot GmbH
Sich selbst beschreibt Wiener als risikofreudig, und so entschied er sich dafür, aus seiner Idee ein Unternehmen entstehen zu lassen. „Ziemlich schnell habe ich gemerkt: Als One-Man-Show wird das nichts“, erzählt er. „Denn ich verstehe nicht viel von Geschäfts- oder Softwareentwicklung.“ Während der Pandemie wurde es schwierig, Leute zu finden, die bereit gewesen wären, eine Firma zu gründen. Schließlich fand er aber doch Ende 2020 über die Freiburger Studentenplattform Foundersclub Tobias Zundel einen gründungserfahrenen Wirtschaftsingenieur. Mit ihm und dem Gründerbüro Freiburg gelang es, ein EXIST-Gründerstipendium zu beantragen. Für die Softwareentwicklung kam anschließend der Informatiker Oliver Brunner mit an Bord. Die Start-up-Gründung nahm ab da richtig Fahrt auf, auch wenn sich die öffentliche Förderung als schwierig herausstellte. Während das EXIST-Stipendium und die Frühfinanzierung vor Markteintritt durch Start-up BW Pre-Seed noch unbürokratisch funktionierten, geriet die Folgefinanzierung erheblich ins Stocken. „Wir sahen auf Messen anhand der Schlangen an unserem Stand, dass unser Produkt auf ein enormes Interesse der Kunden stieß, hatten aber nicht das Geld, groß zu produzieren“, sagt Wiener. Die Anschlussfinanzierung nach Markteintritt gestaltete sich als derart Start-up-feindlich, dass es fast unmöglich war, andere Investoren zu bekommen. „Start-ups werden bis zur Marktreife gefördert, und wenn sie auf ein gewisses Produktionslevel kommen sollen, allein gelassen“, so der Unternehmer. „Es ist sehr unglücklich, dass es diese Lücke gibt!“
Trotz dieser Hürden erfolgte der Markteintritt Anfang 2024, und die ersten goodBots wurden bereits verkauft. Wiener arbeitet mit seinem Team an der Weiterentwicklung des Roboters, der zukünftig auch heizen, schütteln, rühren und Gefäße verstellen können soll. Zudem entwickelt das Team ein Onlineportal als Teil des Produkts, auf dem Forschende ihre Erfahrungen und Experimente miteinander teilen und so ihre Vernetzung ausbauen können.
Die ersten Erfahrungsberichte zeigen, dass der goodBot Pipettierroboter den Alltag in Forschungslaboren erheblich erleichtert, indem er monotone Aufgaben übernimmt und wiederholbare Ergebnisse liefert. Dadurch können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Kernkompetenzen des Forschens konzentrieren. Die flexible, leicht bedienbare Automatisierungslösung aus Freiburg zeigt, wie Innovationen aus der Wissenschaft den Laboralltag verbessern können.