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Projekt BlindZero

Hoffnung für Augenerkrankte: Menschliche Hornhaut aus dem 3D-Drucker

Hornhauttransplantationen werden bei uns bereits viele tausend Male pro Jahr durchgeführt. Allerdings sind Spender rar, und der Eingriff nicht immer ohne Komplikationen. An der Universität Heidelberg entwickeln Forschende im Projekt BlindZero nun eine innovative Technik, um menschliche Hornhaut per 3D-Bioprinting direkt auf das Auge von Erkrankten „drucken“ zu können. Reprogrammierte Zellen, die gentechnisch erzeugt wurden, sollen möglichst keine Abstoßungsreaktion hervorrufen.

Die Hornhaut des Auges – die Cornea – ist der vorderste, durchsichtige Abschnitt des Augapfels, der den Hauptteil der Lichtbrechung übernimmt, und die erste Schutzbarriere für das empfindliche Sinnesorgan bildet. Kommt diese Barriere aufgrund von Verletzungen, Infektionen oder erblichen Defekten zu Schaden und kann dies nicht medikamentös mit Augentropfen, Antibiotika oder Entzündungshemmern behandelt werden, bleibt nur eine Transplantation von Spendergewebe. Andernfalls kommt es zu schwerwiegenden Einschränkungen, die bis zur vollständigen Erblindung führen können.

Eine Hornhauttransplantation wird alleine in Deutschland zwar jährlich rund 9.000-mal durchgeführt.1)Allerdings ist die Warteliste lang, denn der Bedarf an Spendergewebe ist deutlich höher als die Zahl der Hornhautspenden, und auch der Eingriff an sich nicht ohne Risiko. Trotz erheblicher Fortschritte in der Operationstechnik kann es beispielsweise wie bei allen Transplantationen zu Abstoßungsreaktionen kommen, wenn das patienteneigene Immunsystem das fremde Gewebe bekämpft.

Biotinte aus Hornhautzellen und Hydrogel für den 3D-Drucker

Hoffnung für Augenerkrankte |  Personen im Labor | Dr. Friederike Dehli und Dr. Daniela Duarte Campos
Dr. Friederike Dehli (links) und Juniorprofessorin Dr. Daniela Duarte Campos (rechts) entwickeln mit ihrem Team an der Universität Heidelberg eine Hornhaut aus humanen Zellen, die einmal direkt im OP-Saal aus dem 3D-Drucker kommen soll. © Universität Heidelberg

Eine Alternative aus dem Labor, die den Betroffenen zeitnah ihre Sehkraft zurückgeben könnte, wäre ein Segen für alle mit einer nicht mehr konventionell therapierbaren, irreversiblen Erkrankung der Cornea. Aus diesem Grund beschäftigen sich Forschende der Nachwuchsgruppe „Bioprinting & Tissue Engineering“ am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg schon seit einiger Zeit mit Technologien und Biomaterialien für das Gewebe- und Organ-Engineering, unter anderem auch mit 3D-Druckmethoden und Biotinten zur Herstellung menschlicher Hornhaut. Erste Tests möglicher Materialien und Methoden erwiesen sich bereits als sehr vielversprechend.

Nun wurde das BlindZero genannte Projekt der Arbeitsgruppe um Juniorprofessorin Dr. Daniela Duarte Campos vom BMBF mit einer hochdotierten Förderung von knapp 2,2 Mio. Euro über fünf Jahre ausgezeichnet. Idee der Forschenden ist es, lebende menschliche Zellen mit einer vernetzbaren Polymerlösung zu mischen und so Biotinte zu erzeugen, die mit einem 3D-Drucker direkt auf das Auge der Patientinnen und Patienten „gedruckt“ und so eine neue Hornhaut erzeugt werden kann. „Das Ziel von BlindZero ist eine Art „Fertiggewebe“ zu entwickeln, um damit eine möglichst zeitnahe Therapie zur Verfügung stellen zu können. Denn unser Gewebe wird zwar aus humanen Corneazellen bestehen, die aber nicht notwendigerweise von den Erkrankten selbst stammen müssen, sodass eine lange Wartezeit zur Kultivierung der Zellen entfällt“, erklärt Duarte Campos. „Mit dieser Lösung könnte man idealerweise langfristig sogar einmal auf Spendergewebe verzichten, wie wir hoffen.“

Mithilfe natürlicher Substanzen und sichtbarem Licht Gewebe vernetzen

Zur Herstellung der innovativen Transplantate werden menschliche Corneazellen per Zellkultur vermehrt und mit einer Polymerlösung gemischt. Im Anschluss wird die Lösung zu hydrophilen, dreidimensional aufgebauten Polymernetzwerken, den Hydrogelen, vernetzt. Aufgrund ihres hohen Wassergehalts stellen diese besonders interessante Materialien für das Tissue Engineering (die künstliche Gewebezüchtung) dar. „Bisher haben wir bereits bekannte Hydrogele getestet. Wir werden aber auch an neuen Formulierungen arbeiten“, berichtet die Wissenschaftlerin. „Dabei stehen uns ganz verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Es gibt sowohl natürliche als auch synthetische Polymere, welche zu entsprechenden Hydrogelen vernetzt werden können. Außerdem können wir die Viskosität der Biotinte einstellen, um einen möglichst guten Druckprozess zu gewährleisten.“

Und auch am Polymerisierungsverfahren wird intensiv geforscht: „Hier gibt es ebenso zahlreiche Möglichkeiten“, so die Juniorprofessorin. „Unser Fokus liegt aber auf einer Vernetzung durch sichtbares Licht. Dabei triggert ein Photoinitiator die Polymerisation. Natürlich darf sich das Ganze nicht toxisch auf Körper und Zellen auswirken – weder kurz- noch langfristig, das muss ausführlich getestet werden. Aber erste in vitro-Versuche ergaben bereits, dass Zellen überlebten und keinen Schaden nahmen. Um wirklich sicher zu gehen, konzentrieren wir uns hier auf vor allem auf natürliche Substanzen, die weder der Umwelt noch dem Körper schaden.“

Individuelles Druckverfahren so nahe am Auge wie möglich

Hoffnung für Augenerkrankte | Zellen der Hornhaut
Aus mesenchymalen Stromazellen abgeleitete Keratozyten (Zellen der Hornhaut), die zwei Wochen lang in vitro kultiviert wurden und eine positive Färbung (grün) für das Enzym ALDH3A1(Aldehyd-Dehydrogenase 3 Family Member A1) zeigen – ein charakteristischer Marker für menschliche Hornhautzellen. © Universität Heidelberg

So vorbereitet wird die Zell-Polymer-Mischung als Biotinte in einen 3D-Drucker geladen und dort Schicht für Schicht als neue, patienteneigene Hornhaut gedruckt – idealerweise in einem einmaligen chirurgischen Eingriff direkt am OP-Tisch. „Dieser Bereich ist unser zweites Arbeitsfeld“, berichtet Duarte Campos. „Neben der Suche nach optimalen Hydrogelen und Formulierungen arbeiten wir intensiv an der Entwicklung der Drucktechnologie, mit der wir die lebenden Zellen zum Gewebe formen können. Im Moment testen wir einen Bioprinter mit sehr kleinen Biotintetröpfchen, die sich im Gegensatz zur aktuell gebräuchlichsten Methode – dem Extrusionsdruck – nach dem Drucken durch die Polymerisation zum Gewebe organisieren. Hier wartet noch viel Arbeit auf uns: Beispielsweise wollen wir das Verfahren noch präziser und schneller machen, damit in Zukunft ein Roboterarm dies in sehr kleinem Maßstab innerhalb weniger Mikrometer im Operationssaal ausführen kann – so nahe am Patientenauge wie nur möglich.“ Hinzukommen soll ein interaktives Überwachungssystem aus Kamera und Sensoren, das eine individuelle Anpassung während des Druckprozesses in Echtzeit ermöglichen soll.

Überhaupt soll das komplette Verfahren zum Schluss einmal idealerweise vollständig automatisiert ablaufen. „Beispielsweise muss das Mischen der Zellen mit der Polymerlösung sehr vorsichtig geschehen, um mechanischen Stress so gut es geht zu vermeiden, damit möglichst viele Zellen überleben“, erklärt Duarte Campos. „Das könnte ein Pipettierroboter sehr zuverlässig leisten. Und in einer solchen Plattform könnte man auch die verschiedenen Prozeduren miteinander kombinieren, wie beispielsweise den Transfer der Biotinte in die Druckerkartusche, um den Prozess möglichst effizient und minimal fehleranfällig zu gestalten.“

Per Gewebe-Engineering Abstoßungsreaktion vermeiden

Weitere intensive Forschungsarbeiten werden sich auch der Frage der Transplantatabstoßung widmen. „Hier kooperieren wir mit den Universitätsaugenkliniken Heidelberg und Aachen“, so die Expertin. „Es sollen umfangreiche Tests mit immortalisierten Zellen und Primärzellen aus einer humanen Corneabank durchgeführt werden. Für die angestrebte Lösung sollen dann einmal iPSCs (induzierte pluripotente Stammzellen) zum Einsatz kommen, die eine Immunabstoßung idealerweise verhindern sollen.“

Die Arbeit an BlindZero wurde Anfang 2022 gestartet. Nachdem sich das Team zunächst formieren musste, sind die Forschenden seit rund einem halben Jahr bei der praktischen Arbeit am zukünftigen Hornhautgewebe. Die Entwicklung von Technologie und Material soll nach insgesamt zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein, inklusive Tests an Augen aus dem Schlachthof. Danach sind die eigentlichen präklinischen Tests geplant. Am Ende des fünfjährigen Projekts werden idealerweise die Anträge für die Klinischen Phasen stehen, so hoffen die Forschenden.

Infokasten: Das Projekt BlindZero

Titel: „In-Vivo-Bioprinting-Keratoplastik mit biokompatibler, natürlicher Bionik, die unter sichtbarem Licht vernetzt“

Projektlaufzeit: 2022 bis 2026

Beteiligte Institute: Zentrum für Molekulare Biologie, Universität Heidelberg und Exzellenzcluster 3D Matter Made to Order der Universität Heidelberg und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)

Industriepaten und Projektpartner: Black Drop Biodrucker GmbH, Fibrothelium GmbH, PL BioScience GmbH

Förderkennzeichen: 13XP5135

Literatur:

1) Bundesverband der Augenärzte Deutschlands: Hornhauttransplantation (Keratoplastik). www.augeninfo.de/offen/index.php?themenseite=Hornhauttransplantation-Keratoplastik

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/hoffnung-fuer-augenerkrankte-menschliche-hornhaut-aus-dem-3d-drucker