Experteninterview
Innovationsmanagement in Life Sciences – Inova DE liefert Einblicke
Personalisierte Medizin, Medizintechnik, digitale Gesundheit und Künstliche Intelligenz revolutionieren Diagnostik und Produktentwicklung. Analysen werden präziser, schneller, und die Datenmengen können vernetzt sowie effektiv genutzt werden. Das Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, rückt in greifbare Nähe, gleichzeitig wird die Zukunftsfähigkeit des Landes gestärkt. Jedoch führt nicht jede gute Idee in die Markteinführung. Wie lassen sich die Hürden überwinden?
Im Zuge der demografischen Entwicklung kommt medizinischen Innovationen, wie etwa speziellen Therapien zu Krebs- und Koronarerkrankungen, eine wachsende Bedeutung zu. „Gezielte Investitionen in Forschung, Entwicklung sowie Vermarktung sind die Grundlage, damit neue Produkte den Markteintritt schaffen und Life-Science-Unternehmen international mithalten können", sagt Vitor Vieira, Geschäftsführer von Inova DE, einem Dienstleister für Innovationsmanagement und Softwareentwicklung. Kaum ein anderer kennt die Herausforderungen so gut wie er.
Das 2013 gegründete Unternehmen mit Sitz in Heidelberg unterstützt Kliniken und KMUs aus Industrie und Wissenschaft auf dem Weg von der Idee zum fertigen Produkt. Ziel ist, innovative Ideen der Kunden zu analysieren, zu bewerten und Potenziale klar zu definieren. „Dadurch, dass wir selbst entwickeln, sind wir praxisnah und kennen die Schmerzpunkte", so Vieira.
Der Elektroingenieur, der am Universitätsklinikum Heidelberg in der Entwicklung medizinischer Roboter promoviert hat, weiß, dass die Life-Sciences-Branche ein hohes Wachstumspotenzial hat. Vorausgesetzt sind eine realistische Einschätzung und entsprechende Unterstützung, damit aus dem Hype nicht ein Hope wird. „Es ist sinnvoll, Business-Beratungsunternehmen und andere Partner wie etwa aus der IT einzubinden.“ So erarbeitet Inova DE einen Finanzierungsplan, aufbauend auf der Ideenanalyse und Anpassung der Projektgröße und Partner, kümmert sich um Förderanträge, unterstützt die Entwicklungsarbeit und knüpft Kontakte.
Was muss ein Produkt mitbringen, um eine erfolgreiche Innovation zu sein?
Auch wenn die Zahl an Neuentwicklungen in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist der Return on Investment rückläufig. Ein entscheidender Grund hierfür ist die hohe Geschwindigkeit der Entwicklungen. Firmen haben immer weniger Zeit, ihre Forschungsausgaben wieder einzuspielen. „Ziel ist, wirksamere Produkte zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um solche mit hohem Kommerzialisierungspotenzial, auch neue Ansätze für Nischenmärkte stoßen auf großes Interesse, etwa Therapien für seltene Krankheiten oder neue Präventionsmaßnahmen“, so Vieira.
Entscheidend für eine bahnbrechende Innovation ist daher zunächst die Idee, gefüllt mit Potenzial. „Der Fortschritt muss sich lohnen und ein intensiver Austausch mit Fachkreisen, im Gesundheitssektor Ärzten, erfolgen. Es muss klar kommuniziert werden, welches Problem das Produkt löst und was es verglichen mit Konkurrenzprodukten besser macht.“ Inova DE kennt den Markt und die Konkurrenz, der man, wie Vieira bildhaft beschreibt, auf offener See immer zielgerichtet voraussegeln muss.
In der Life-Science-Branche sind viele Stakeholder beteiligt. Jede Zielgruppe, ob Patienten, Interessengruppen aus Wissenschaft, Institutionen oder öffentliche Verwaltung, benötigen individuelle Botschaften. Beispielsweise kann die Innovation für den Patienten nutzerfreundlicher und für die Krankenkasse aufgrund der verbesserten Wirksamkeit kostengünstiger sein. Außerdem kann eine Innovation in den Lebenswissenschaften auch Probleme anderer Branchen lösen und wirtschaftlich interessant sein. So können Endoskopie- und Mikroskopie-Techniken auch in der Raumfahrt, Energie- und Fahrzeugtechnik genutzt werden.
„In den meisten Fällen kann man eine Technologie nicht isoliert betrachten. Vielmehr geht es um eine Verzahnung von medizinischem Produkt, Geräten, Software und Hardware.“ Vieira kann dazu auf eine über 20-jährige Expertise erfahrener Naturwissenschaftler, Ingenieure und Programmierer aus dem Partnerunternehmen INOVA+ mit Sitz in Porto, Lissabon, Brüssel und Warschau zurückgreifen.
Fördermaßnahmen als Sprungbrett
Ein Beispiel für einen erfolgreichen Projektstart ist das von Inova DE entwickelte Telemedizin-Projekt CAST, das eine verbesserte Interaktion zwischen Herzpatienten und Kardiologen ermöglicht. Das Konsortium aus wirtschaftlichen und universitären Einrichtungen aus Deutschland und Portugal hat ein spezielles T-Shirt als Wearable entwickelt, mit dem in einer kontinuierlichen Echtzeitüberwachung Herzsignale von Patienten postoperativ zu Hause erfasst und analysiert werden. Unregelmäßigkeiten werden dabei rechtzeitig erkannt und an den Zentralserver weitergeleitet, sodass entsprechende Maßnahmen durch Kardiologen ergriffen werden können.
Herzkrankheiten sind noch immer eine der häufigsten Todesursachen. Nach Herzoperationen kehren 30 % der Patienten innerhalb von ein bis zwei Wochen mit Schmerzbeschwerden zurück, bei 18 % der Patienten wird postoperatives Vorhofflimmern diagnostiziert, mit erheblichem Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt*. Inova DE wird nach der inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Labortestung des Shirts und der Elektronik nun eine multizentrische Studie mit Menschen aus europäischen Ländern mit unterschiedlichem Lebensstil starten. Die Daten werden über mehrere Wochen gesammelt. Dazu werden zwei Gruppen von Patienten überwacht: eine mit klassischer Behandlung ohne telemedizinische Unterstützung sowie Patienten mit CAST-Shirt, die einen Monat lang nach der Operation fernüberwacht werden. Ziel der Studie ist, schlüssige Beweise dafür zu liefern, dass dieses digitale Hilfsmittel die Lebensqualität der Patienten verbessert und die postoperative Mortalität reduziert.
Während der aktuellen Entwicklung hat Inova DE vom H2020 TRIANGLE Testbench profitiert, um bestimmte Aspekte der GSM-Mobilfunk-Kommunikation zu validieren. Parameter wie eine valide Kommunikationsübergabe, Ausschluss der Datenverfälschung und Batterielebensdauer konnten in verschiedenen Szenarien optimiert werden. Der T-Shirt-Ansatz bietet mehrere Messpunkte für Elektroden. Anwendungsfehler durch Patienten, wie sie etwa bei Smart Watches durch die anzulegenden Elektroden vorkommen können, sind ausgeschlossen.
Das Projekt wird von Eurostars, dem Förderprogramm von EUREKA und der Europäischen Kommission für forschungstreibende KMUs, sowie dem BMBF unterstützt (E!10291). Das öffentliche Interesse ist nicht zuletzt aufgrund von Marketingaktionen wie Präsentationen auf Messen und Kongressen sehr groß. Im Folgeprojekt soll zusätzlich zum Monitoring durch Kardiologen eine benutzerfreundliche Oberfläche für Smartphones entwickelt werden, sodass der Patient selbst aktiv werden kann, sei es durch Bewegung oder Ernährung. „Fördermaßnahmen sind für viele Innovationen das erste Sprungbrett“, so Vieira. „Baden-Württemberg bildet mit Förderprogrammen wie etwa digital@bw und Accelerator-Programmen viel Support.“ Auch in diesem Punkt hebt der Wissenschaftler die Vernetzung hervor: „Geförderte Innovationen auch in der Wirtschaft 4.0 können durch ein besseres Verständnis der Digitalisierung und verschiedener Lösungsansätze dem Gesundheitssektor dienen.“
Effizienz in Hinblick auf Kosten und Datensicherheit
Die Entwicklung von CAST dient der Risikobewertung. Schwerwiegende Folgen und Krankenhausaufenthalte können vermieden und somit Kosten eingespart werden. Hier rückt auch die personalisierte Medizin immer stärker in den Fokus. „Die Mentalität der Gesetzgeber und Krankenkassen muss sich ändern. Denn eine individualisierte Behandlung erhöht die Lebensqualität der Patienten sowie die Kosteneffizienz im Gesundheitswesen, da flächendeckende und oft unwirksame Therapien und Medikamente vermieden werden.“ Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Big Data werden eine immer größere Rolle spielen. Denn um maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln, braucht man eine Fülle an Daten, die effizient zugänglich gemacht werden sollten. „Datenschutz ist wichtig. Jedoch wünsche ich mir eine europaweite, transparente Vorgehensweise“, so Vieira. Eine nicht zielführende Einschränkung solle einer wissenschaftlichen Denkweise, vor allem im Hinblick auf das klare Ziel, wie dem Wohlergehen des Patienten, weichen. „Es geht darum, unser Umfeld positiv zu gestalten. Da politische Entscheider die wissenschaftlichen Hintergründe nicht komplett kennen können, ist ein intensiver Austausch mit Fachkreisen, die praxisnah umfassendes Wissen besitzen, für unsere Zukunft äußerst wichtig.“