KI-Allianz Baden-Württemberg
KI in die Fläche bringen
Künstliche Intelligenz birgt Chancen und Risiken. Damit KI-Lösungen Vorteile für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen im Land bringen, setzt sich die KI-Allianz Baden-Württemberg für die Vernetzung der KI-Akteure ein. In Zukunft ist auch die Gesundheitsbranche im Fokus der Genossenschaft.
Der Nobelpreis für Physik ging im Jahr 2024 an den US-Amerikaner Prof. Dr. John Hopfield von der Universität Princeton und den britisch-kanadischen Forscher Prof. Dr. Geoffrey Hinton von der Toronto University. Sie legten mit ihren Arbeiten den Grundstein für das maschinelle Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen. Denn mittlerweile kennt und nutzt sie fast jeder: Sei es Siri, Alexa, Copilot, Gemini, ChatGPT usw., Künstliche Intelligenz ist in Form von Sprachmodellen, Kundenservice und Bildgenerierung Teil unseres Alltags geworden. Doch in welchen Bereichen kann sie innovativ und wertvoll in der Wirtschaft eingesetzt werden?
Unterstützung aus den Regionen und dem Wirtschaftsministerium
Sandra Rohner hat im September 2024 die Geschäftsführung der KI-Allianz Baden-Württemberg übernommen. © KI-Allianz Baden-WürttembergUm den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Baden-Württemberg zu fördern, gründeten im Februar 2021 16 Partner, also Städte, Landkreise, Wirtschaftsförderungen sowie Kammern und Verbände aus den Regionen Stuttgart, Karlsruhe, Neckar-Alb, Nordschwarzwald, Freiburg und dem Ostalbkreis, die KI-Allianz Baden-Württemberg eG. „Mittlerweile sind 18 Partner in der Genossenschaft vertreten, darunter auch Forschungseinrichtungen und Multiplikatoren“, erklärt Sandra Rohner, Geschäftsführerin der KI-Allianz Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart.
„Das Ziel all dieser Partner ist es, KI in der Breite nutzbar zu machen“, so Rohner. Damit dies gelingt, unterstützte das Wirtschaftsministerium die Genossenschaft auch im Jahr 2024. So wurde eine Förderung von rund 2,4 Mio. Euro für das Community Management, das im Rahmen der regionalen KI-Exzellenzzentren gefördert wird, auf den Weg gebracht. Insgesamt fördert das Wirtschaftsministerium die Projekte und Initiativen der KI-Allianz BW bis Ende 2025 mit etwa 11,5 Mio. Euro. Dazu gehört auch die landesweite Pilot-Datenplattform für die Wirtschaft, die mit ca. 5,8 Mio. Euro unterstützt wird. „In der KI-Datenplattform sollen - vereinfacht gesagt -, Trainingsdaten für KI-Lösungen bereitgestellt werden, die es kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einfacher machen, selbst KI-Lösungen zu programmieren. Das Projekt stellt auch sicher, dass die Daten europäischen ethischen und rechtlichen Normen entsprechen“, sagt Rohner. Dabei könne es sich um Daten unterschiedlichster Natur handeln, zum Beispiel um kommunale Daten aus den Sensoren der Umweltüberwachung oder Produktionsdaten von Werkzeugmaschinen. Mit den Daten könnten sowohl KMU als auch Start-ups inspiriert werden, Datenverknüpfungen herzustellen und daraus Innovationen bzw. Dienstleistungen zu entwickeln.
Ein weiteres überregionales Projekt, welches sich an Start-ups richtet, ist der KI-Investoren-Plug-In. Der Plug-In soll KI-Start-ups dabei unterstützen, Investoren zu finden. Durchgeführt wird das Angebot durch das CyberLab in Karlsruhe. Dabei bereiten die Expertinnen und Experten die Start-ups auf ihre nächste Finanzierungsrunde vor und unterstützen mit Feedbackgesprächen und einem großen Investorennetzwerk.
Beratung für KMU
In der Forschung kann KI bei der Analyse großer Datenmengen unterstützen. © Gerd Altmann / PixabayWeitere Projekte auf regionaler Ebene wollen den KMU den Zugang zu KI erleichtern. Dazu gehören neben dem KI-Innovation-Lab in Karlsruhe auch der FRAI.accelerator in Freiburg. Dabei arbeiten in Freiburg zwei Konsortialpartner zusammen: die Beratungsagenturen Grünhof 3000 GmbH und das Innovations- und Gründungszentrum BadenCampus GmbH & Co. KG. Irena Limberg, Senior Consultant & Project Manager bei Grünhof 3000, unterteilt das FRAI.accelerator-Programm in vier Phasen: 1. Erkundung: In dieser Phase werden Grundlagen in Workshops geschaffen. Am Beispiel von Best Practices werden praxisnahe Anwendungsfälle aufgezeigt. 2. Analyse und Vorbereitung: Hier geht es nun in die individuelle Ideenfindung. Machbarkeitsbewertungen für die speziellen Wertschöpfungsketten des KMU werden erstellt, und es wird herausgearbeitet, welche Vorteile sich für das Unternehmen aus dem KI-Projekt ergeben. 3. Prototypenentwicklung: In dieser Phase wird ein Pilot-Use-Case umgesetzt. Dabei begleiten die Expertinnen und Experten die Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit ausgewählten Technologiepartnern. 4. Skalierung: Nach der erfolgreichen Prototypenphase erfolgt die Skalierung der KI-Lösung.
Ende 2024 befanden sich drei Unternehmen in der Abschlussphase des FRAI.accelerators. „Im Jahr 2025 will Grünhof 3000 nun den Fokus auf die Gesundheitsindustrie und Medizinbranche setzen“, berichtet Limberg. Dabei stehe auch die spezielle Regulatorik und Datensicherheit der Branche im Fokus. Das Projekt wird zu 50 Prozent durch Landesmittel finanziert, den weiteren Anteil müssen die Unternehmen selbst tragen. „Um den Einstieg in das Thema zu erleichtern, bieten wir eine Exit-Option nach der zweiten Phase an“, berichtet die Projektmanagerin. Denn ein Ergebnis der ersten beiden Phasen könne auch sein, dass das Unternehmen noch nicht bereit für den Schritt in die KI-Welt sei, weil beispielsweise noch Daten fehlten, die zunächst generiert werden müssten.
Keine Doppelstrukturen
In einem weiteren regionalen Projekt aus Freiburg ist die Medizin bereits im Fokus: „Das FRAI.lab Medizin hat das Ziel, mittels Datenauswertung mit KI Krebsfrüherkennung deutlich besser zu machen. Hier soll die Krebsdiagnostik revolutioniert werden“, berichtet Rohner. Und auch der AI Experience Room in Reutlingen ist ein regionales Projekt, das als Escape Room die Welt der KI spielerisch vermitteln will.
Für die KI-Allianz Baden-Württemberg ist es dabei besonders entscheidend, dass durch die Genossenschaft keine Doppelstrukturen aufgebaut werden. „Wir sehen uns als Knotenpunkt, als zentrale Anlaufstelle, die sich im KI-Umkreis bewegt. Uns ist es wichtig, die Wirtschaftskraft in Baden-Württemberg zu stärken, indem wir Unternehmen unterstützen, KI-Lösungen zu finden, die passen“, hebt Rohner hervor. Dabei haben die Community-Managerinnen und -Manager die regionale KI-Branche im Blick. Zusätzlich wird aber auch die Branche außerhalb von Deutschland verfolgt. „Damit wollen wir den Unternehmen, die Lösungen anbieten, den Markt nach außen öffnen, aber auch Anwenderinnen und Anwendern aus Baden-Württemberg die Möglichkeit geben - sollte es keine passende Lösung vor Ort geben -, eine Lösung im Ausland zu suchen“, so Rohner.
Kritik an KI?
KI hat jedoch nicht nur positive Seiten, sie birgt auch Risiken. Sie kann Auswirkungen auf Privatsphäre und Datenschutz haben, fehlerhaftes Design kann beispielsweise zu Diskriminierung führen, und sie kann die Demokratie durch sogenannte Filterblasen und Deepfakes gefährden. Im Gesetz über Künstliche Intelligenz der Europäischen Union wird dieser Problematik Rechnung getragen. In dem risikobasierten Ansatz sind die Vorschriften umso strenger, je höher das Risiko eines Schadens für die Gesellschaft ist. Hochrisiko-KI-Systeme sind beispielsweise Systeme, die in medizinischem Gerät oder Flugzeugen zum Einsatz kommen. „Wir stehen für Trustworthy AI, also vertrauenswürdige KI, wo auch deutlich ist, nach welchen Kriterien die Entscheidungsvorschläge generiert werden“, hebt Rohner hervor. „Wir propagieren KI made in Europe bzw. made in Baden-Württemberg, made in Deutschland. Denn wir wissen, dass insbesondere das Thema Datenschutz für sehr viele Anwenderinnen und Anwender enorm wichtig ist. Die Allianz arbeitet auf diesem Gebiet mit Rechtsexperten und Ethikern der Universität Tübingen zusammen, um diese Aspekte nie außer Acht zu lassen. „Wir möchten die Vorteile von KI aufzeigen. Uns sind aber natürlich auch die Risiken bewusst, diese verschweigen wir nicht und kommunizieren dazu transparent“, stellt die Geschäftsführerin klar.
Ziel der KI-Allianz Baden-Württemberg ist es, dass Ende 2025 deutlich wird, welche Bedarfe es bezüglich der KI-Nutzung von KMU in Baden-Württemberg gibt. „Denn KMU haben es im Beratungsbereich schwer“, weiß Rohner. „Es zeigt sich, dass es für KMU häufig schwierig ist, passfähige Angebote zu finden. Denn KI bedeutet, tief in Prozesse hineinzugehen.“ Die KI-Allianz möchte die Unternehmen auf dieser Reise begleiten, die Hürden zur Anwendung abbauen und so KI in die Fläche bringen.