Unternehmensporträt medicalvalues GmbH
medicalvalues – bestmögliche Diagnostik dank KI
Das Karlsruher Start-up medicalvalues GmbH will mit seiner Plattform verschiedene klinische Datensätze zusammenführen und so eine umfassende medizinische Diagnostik ermöglichen. Mit innovativen Diagnosealgorithmen wertet die Künstliche Intelligenz die Daten aus und erzeugt so neue Erkenntnisse für Labor und Kliniken.
Heutzutage gibt es zahlreiche Methoden zur medizinischen Diagnostik. So kann zum Beispiel das Blut von Patientinnen und Patienten auf verschiedene Parameter untersucht werden, oder bildgebende Verfahren lassen ungeahnte Blicke in den Körper zu. Doch mit der Vielzahl der erlangten Informationen nimmt auch die Komplexität zu. Ärztinnen und Ärzte können die Daten besonders in der Kürze der häufig zur Verfügung stehenden Zeit kaum deuten.
KI-Einsatz in der klinischen Routine
Abhilfe könnte eine neue Anwendung der Künstlichen Intelligenz (KI) schaffen: Das Karlsruher Start-up medicalvalues GmbH hat mit seinem Entscheidungsunterstützungssystem eine ganz neue Möglichkeit geschaffen, wie Künstliche Intelligenz Ärztinnen und Ärzte sowie Labore in ihrer Tätigkeit unterstützen kann. "Die Komplexität der Diagnostik ist sehr hoch, sodass es den Behandelnden nicht immer möglich ist, allen theoretisch verfügbaren diagnostischen Informationen innerhalb der vorhandenen Behandlungszeit vollständig gerecht zu werden. Viele labormedizinische Parameter bedingen sich gegenseitig und sind isoliert betrachtet oft nur schwierig zu bewerten“, erklärt Carmen Diker, Go-to-Market-Managerin bei medicalvalues. "Wir möchten die bestmögliche, individuell auf den Patienten abgestimmte Diagnostik ermöglichen." Dafür vereinen die Gründenden mithilfe des maschinellen Lernens zahlreiche medizinische Fachgebiete und Forschungswissen in einem Knowledge Graph (Wissensdatenbank).
"Wir setzen eine Whitebox-KI ein, denn für uns ist es wichtig, dass wir die Aussagen der KI nachvollziehbar machen", konkretisiert Jan Kirchhoff, Geschäftsführer des Unternehmens die Anwendung. Im Gegensatz zur Blackbox-KI ist es dem Anwendenden bei dieser KI möglich nachzuvollziehen, wie sie auf Basis der Daten zu den entsprechenden Ergebnissen kommt. Sie wird auch als erklärbare KI bezeichnet. „Im explorativen Modus setzen wir auch auf “klassische” Blackbox-Machine-Learning-Verfahren – für den Einsatz in der klinischen Routine ist es jedoch wichtig, eine entsprechende Versionierung der Algorithmen sicherzustellen. Oder in kurz: explorativ geht alles, im klinischen Betrieb müssen die Vorschläge immer validiert sein“, sagt Kirchhoff.
Infobox:
Blackbox-KI: Es werden Modelle des maschinellen Lernens eingesetzt, die auf rein statistischen Verfahren basieren. Der Anwenderin oder dem Anwender ist es damit nur eingeschränkt möglich, die Entscheidung nachzuvollziehen.
Whitebox-KI: Es werden Modelle des maschinellen Lernens eingesetzt, die analytische und physikalische Beschreibungen verwenden. Sie ermöglichen dem Anwendenden ein besseres Verständnis der Entscheidungsfindung.
Greybox-KI: Es werden beide Ansätze kombiniert.
Datensätze zusammenführen
Auf der „medicalvalues platform“ können Labordaten, Symptome, demografische Daten sowie Daten aus der Radiologie und Pathologie kombiniert werden. Die Daten werden anhand von klinischen Erfahrungen, Forschungsdaten und den medizinischen Leitlinien mithilfe des maschinellen Lernens ausgewertet. Kliniken können damit zum Beispiel eine Diagnostikunterstützung erhalten, die die Daten aus den verschiedenen Fachdisziplinen vereint (Data Mapping). „Möglich ist die Zusammenführung der Daten dank der Harmonisierung und Standardisierung der Informationen mittels internationaler Standards, wie etwa SNOMED CT, LOINC und FHIR“, führt Diker aus. LOINC ist ein internationaler Standard für medizinische Beobachtungen und Messungen und steht für „Logical Observation Identifier Names and Codes“. „Uns ist bewusst, dass wir hier die Kunden an die Hand nehmen müssen, um sie an die Plattform heranzuführen, denn immer noch gibt es zahlreiche Brüche zwischen den Systemen, und viele Standards sind noch in der Etablierung. An dieser Stelle unterstützen wir beispielsweise mit unserem Diagnostic Data Mapper“, erläutert Wirtschaftsinformatiker Kirchhoff, der gemeinsam mit Florian Stumpe das Unternehmen gegründet hat. „Zentral ist der Mehrwert für die Praxis. Hier gilt es, pragmatisch, iterativ und nachhaltig vorzugehen.“
Ziel sei neben der technischen und semantischen Einbindung auch eine gute Integration der Plattform in die bereits bestehenden Systeme in Klinik und Labor, um nicht noch eine weitere Oberfläche für die Nutzenden zu erzeugen. Bestimmte Anwendungen des Start-ups befinden sich zurzeit in der Zulassung als Medizinprodukt.
Herausforderungen und Hürden
Als wäre die Standardisierung der Daten nicht schon Herausforderung genug, so haben die Gründenden ebenfalls mit Datenschutzbedenken zu kämpfen. Die Lösung ist jedoch so konzipiert, dass sie als SaaS-Cloud-Anwendung (SaaS: Software-as-a-Service) betrieben oder als Managed Service für den Betrieb auf den lokalen Servern der Kundinnen und Kunden installiert werden kann und somit keinerlei Patientendaten die Klinik oder das Labor verlassen. „Der Datenschutz ist ein wichtiges Thema. Wir befürworten grundsätzlich strenge Regeln bezüglich der Datennutzung, doch es wäre wünschenswert, wenn es eine bundesweit einheitliche Strategie gäbe, um weitere Silo-Lösungen zu vermeiden“, sagt die Managerin.
Die Gründenden konnten für die Finanzierung ihrer Idee mittlerweile Business Angels und Investoren aus der Branche gewinnen, und das Team aus Mediziner/-innen und IT-Expert/-innen wächst beständig. Auch konnten Pilotkunden aus dem In- und Ausland gewonnen werden; darunter führende Laborketten. Die nächsten Ziele sind die Erweiterungen der medizinischen Algorithmen, um ein noch breiteres Spektrum von Erkrankungen abzudecken. Primär sollen bereits vorhandene Daten optimal genutzt werden, um eine bestmögliche Diagnostik für alle zu ermöglichen. In Zukunft werden jedoch auch noch „omics“-Datensätze in das System Einzug halten, zu denen unter anderem genetische Analysen (Genomics) und Proteinuntersuchungen (Proteomics) gehören. medicalvalues ist Partnerschaften mit verschiedenen Software-Anbietern eingegangen, um so auch die Integrationsaufwände für die Anwendenden zu reduzieren. Dieses Partnerökosystem wird in Zukunft weiter ausgebaut.
Weitere Einsatzmöglichkeiten der Plattform finden sich in der sektorübergreifenden Versorgung und der Telemedizin. „Wir haben auch ein besonderes Interesse, mit den Kliniken eine strategische Partnerschaft einzugehen. Im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes sind Entscheidungsunterstützungssysteme förderfähig, daher gilt es nun die Ärmel hochzukrempeln und nachhaltige Strukturen zu etablieren“, so der Geschäftsführer.