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Mikroschwimmer liefert Wirkstoffe frei Haus

Medikamente sollen möglichst rasch und gezielt idealerweise nur am Ort der Erkrankung wirken. Dies kann aber bei einer Einnahme über den Verdauungstrakt oder das Blut unter Umständen schwierig werden. Am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme haben Forscher nun einen biohybriden Mikroroboter aus Blutzelle und Bakterium entwickelt, der mit Wirkstoffen beladen und gezielt durch den Körper geleitet werden kann.

Dr. Yunus Alapan und Oncay Yasa haben einen Mikroroboter entwickelt, der mit Wirkstoffen beladen werden und diese ganz gezielt bis zum Ort der Erkrankung bringen kann, bevor er von außen zerstört wird. © Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Bekommt man als Patient Arzneimittel verordnet, so werden diese in den meisten Fällen peroral oder durch Injektion bzw. Infusion verabreicht; das heißt, sie gelangen mehr oder weniger durch Zufall an den vorgesehenen Wirkort und beeinflussen im ungünstigen Fall auch noch andere Stellen des Körpers. Dies kann zur Folge haben, dass das Medikament nicht oder nur zu schwach wirkt und manchmal sogar mehr oder weniger schwere Nebenwirkungen haben kann.

Nun haben Forscher der Abteilung für Physische Intelligenz am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart einen Mikroroboter entwickelt, der mit Arzneimitteln beladen wird, um diese ganz gezielt an den gewünschten Ort ihrer Wirkung im Körper zu bringen. "Für diesen Mikroroboter haben wir einen der effizientesten in der Natur vorkommenden Schwimmer – eine Bakterienzelle – mit einem der leistungsfähigsten Lastenträger des menschlichen Körpers – einem roten Blutkörperchen – kombiniert", sagt der Ingenieur Dr. Yunus Alapan, der den Mikroroboter gemeinsam mit dem Molekularbiologen Oncay Yasa entwickelt hat. "Das Bakterium dient wie ein Propeller als Antrieb, und die Blutzelle, die darauf ausgerichtet ist, für den Sauerstofftransport im Körper mit einer großen Fracht beladen zu werden, transportiert die Ladung, die wir ihr mitgeben, im Blutstrom. Der bakteriengetriebene Mikroschwimmer wird anhand eines magnetischen Felds von uns gesteuert, und sobald er sein Ziel erreicht und seine Ladung – also den Wirkstoff – abgeliefert hat, wird er zerstört."

Erythrozyt als Lastenträger wird mit Bakterium als Antrieb kombiniert

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(a) Erythrozyt (RBC) und Bakterium, mit Wirkstoff (DOX) und magnetischen Partikeln (SPIONs) beladen, sind über Avidin, Biotin und Antikörper stabil verbunden. (b) Elektronenmikroskopische Aufnahme des Mikroroboters, (c) gezielte Bewegung eines beladenen Mikroschwimmers © Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Dass ihre Idee auch in der Praxis funktioniert und sich der Mikroschwimmer stabil und gezielt mitsamt seiner Ladung bewegt, konnten die Wissenschaftler bereits zeigen. Dabei erwiesen sich rote Blutkörperchen als besonders geeignet für die Aufgabe des Arzneimitteltransports, weil sie als Zellen ohne Organellen mit einer vergleichsweise hohen Last versehen werden können, aber gleichzeitig so flexibel sind, dass sie auch noch leicht durch engste Kapillaren und Lücken gelangen können, die sogar wesentlich kleiner sind als sie selbst. Für die Tests wurden natürliche Erythrozyten – kommerziell erhältliche Mäuse-Blutzellen – verwendet. Denn die Forscher haben das große Ziel, ihre Erfindung einst als personalisierte Therapie mit dem eigenen Blut des Patienten anwenden zu können.

Der Antrieb des Mikroroboters besteht aus dem biotechnologisch veränderten Bakterium E. coli MG 1655, das in einer Kooperation vom Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie bereitgestellt wurde. "Verankert wird der "Motor" in dem Blutzellen-Lastenträger durch eine sehr stabile Verbindung, die wir der Natur abgeschaut haben", berichtet Alapan. "Wir verwenden das Protein Avidin, das als eine Art Karabinerhaken die beiden Zellen verbindet. Auf Seite des Bakteriums bindet das Avidin an sein natürliches Substrat Biotin, das vom bakteriellen Plasmid exprimiert wird und aus der Bakterienmembran herausragt. Mit dem Blutkörperchen wird das Avidin über einen spezifischen Antikörper (Anti-TER-119) verbunden. Der große Vorteil dieses Systems ist seine Flexibilität, die es durch das Blutkörperchen bekommt, sodass der Mikroroboter beispielsweise so verformbar ist, dass er durch engste Körperspalten passt, die zweimal kleiner sind als er selbst."

Durch Magnetpartikel geleitet, mit Infrarotlicht zerstört

Zu Therapiezwecken kann der so konstruierte Mikroschwimmer dann mit Wirkstoffen beladen werden: in einem ersten Test mit Doxorubicin (DOX), einem gängigen Chemotherapeutikum, das aktuell intravenös verabreicht wird. Zusätzlich werden Nanopartikel aus Eisen, sogenannte SPIONs (Superparamagnetic iron oxide nanoparticles) in der Blutzelle verpackt, mit deren Hilfe der Mikroroboter dann magnetisch geleitet werden kann. Sobald er sein Ziel – in diesem Fall die Krebszelle – erreicht hat, greift die saure Umgebung dort die Zellmembran an, sie wird durchlässig und setzt den Wirkstoff frei. Die Freisetzungsrate des Medikaments ist also abhängig vom pH-Wert: je niedriger, desto mehr Wirkstoff wird freigesetzt. "Wir liefern die Medikamente also praktisch direkt bis vor die Haustür des Tumors", sagt der Ingenieur. "Damit ist die Schuldigkeit des Mikroschwimmers dann getan – er wird zerstört."

Um den Mikroschwimmer zerstören zu können, beladen die Wissenschaftler die roten Blutkörperchen zusätzlich zum Wirkstoff und den Eisenpartikeln auch noch mit speziellen Molekülen, die in der Lage sind, Infrarotlicht zu absorbieren. Auf diese Weise kann er von außen unwirksam gemacht werden. "Die Blutzelle wird dabei so heiß, dass sie mitsamt dem angedockten Bakterium zerstört wird – man kann das System dadurch schnell und einfach ausschalten", berichtet Alapan. "Das muss auch so sein, damit man einem unkontrollierten Bakterienwachstum – und damit einer übermäßigen Reaktion des körpereigenen Immunsystems – vorbeugt." Dass die Bakterien aber eine Immunantwort auslösen können, wollen die Forscher zukünftig auch in ihrem Sinne nutzen: "Man könnte dies als gezielte Immuntherapie einsetzen und vielleicht einmal verschiedene Behandlungsformen miteinander kombinieren."

Potenzial für vielfältige nichtinvasive medizinische Anwendungen

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Der Mikroschwimmer kann mithilfe eines Magneten gezielt gesteuert werden. © Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Um den Erythrozyt aber zunächst einmal überhaupt dazu zu bringen, eine solche Menge an Ladung aufzunehmen, wird er in einer hypotonen Umgebung zum Anschwellen gebracht, sodass sich die Poren der Zellmembran öffnen und der Wirkstoff sowie die restliche Ladung in Lösung hineindiffundieren können. So beladen, schließen sich die Poren anschließend während der Inkubation in salzhaltiger Umgebung wieder. Dabei ist die Porengröße kein limitierender Faktor, wie Alapan sagt: "Alle derzeit erhältlichen Wirkstoffmoleküle sind so groß, dass sie auf jeden Fall hindurchpassen sollten."

So beladen können die Forscher den Mikroschwimmer dann durch Anlegen eines magnetischen Felds beliebig steuern. "Dabei treibt das Bakterium durch seinen Propeller das beladene Blutkörperchen permanent an", erklärt der Forscher. "Durch die Eisenpartikel in der Zelle bewegt es sich aber nicht zufällig, sondern wird dazu gezwungen, sich gezielt im magnetischen Feld auszurichten. So können wir es leiten, wohin wir wollen."

Nach den ersten erfolgreichen Tests unter dem Mikroskop stehen nun als Nächstes Versuche in Zellkulturen an, dann die präklinischen Tests in Tierversuchen: "Nächstes Jahr vielleicht", meint Alapan. "Das Potenzial für viele nichtinvasive medizinische Anwendungen ist auf jeden Fall groß." So wollen die Forscher zukünftig beispielsweise das System auch noch in anderen Organen – wie etwa Darm oder Magen – testen.

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