Mit CAR-T-Zellen gegen den Krebs
Nach einigen spektakulären Erfolgen bei fortgeschrittenen Blutkrebserkrankungen gilt die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen als ein großer Hoffnungsträger der Krebsmedizin. Erste Produkte dieses neuen Arzneimitteltyps sind zugelassen worden. Die Behandlung kann aber lebensbedrohende Nebenwirkungen haben. Die AVA Lifescience entwickelt Antikörper mit hoher Tumorspezifität, die als Grundlage einer wirkungsvollen präzisionsgeführten CAR-T-Zell-Therapie mit besserer Verträglichkeit dienen können.
Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist die häufigste Blutkrebserkrankung im Kindesalter; in der großen Mehrzahl der Fälle nimmt sie ihren Ausgang von B-Lymphozyten oder deren unreifen Vorstufen. Rechtzeitig erkannt und behandelt, ist ALL heute in der Regel heilbar. Doch in 10 bis 15 Prozent der Fälle ist sie resistent gegen Chemotherapie und es kommt zu Rezidiven (Rückfällen).
Im Mai 2012 wurde am Children’s Hospital of Philadelphia, USA, bei der an ALL erkrankten siebenjährigen Emily Whitehead eine bis dahin nur im Tierexperiment erprobte CD19-CAR-T-Zell-Therapie durchgeführt. Der Krebs war zwei Jahre zuvor diagnostiziert und standardmäßig behandelt worden; nach zwei schweren Rückfällen aber hatten die Ärzte für die Patientin keine etablierte Therapieoption mehr an der Hand, auch eine Knochenmarkstransplantation war nicht mehr möglich. Heute, sieben Jahre nach ihrer CAR-T-Zell-Therapie, ist Emily immer noch krebsfrei und kann ein normales Teenagerleben führen.
Derselbe Ansatz hat auch bei anderen Patienten mit B-Zell-Tumoren zu nicht mehr für möglich gehaltenen Remissionen (Rückbildungen) des Krebses geführt. Die Behandlungserfolge erregten weltweit Aufmerksamkeit und initiierten bis heute viele hundert klinische Studien und Forschungsprojekte. Zwei nach diesem Therapiekonzept hergestellte, gentechnisch modifizierte T-Zellprodukte haben inzwischen die US-amerikanische und europäische Zulassung zur Behandlung bestimmter, weit fortgeschrittener Blutkrebsformen erhalten. Als erste Einrichtung Deutschlands wurde im September 2018 das Universitätsklinikum Heidelberg dafür zertifiziert, die neuen Präparate für die zugelassenen Indikationen einzusetzen. Prof. Dr. Michael Schmitt, Leiter der Zellulären Immuntherapie / GMP Core Facility in Heidelberg, erklärte dazu: „Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft eine Reihe weiterer Krebserkrankungen des Immunsystems auf diese Weise behandeln können.“
Wirkprinzip der CAR-T-Zell-Therapie
Bei der Entwicklung eines Krebses werden häufig diejenigen Zellen selektioniert, bei denen die tumorassoziierten Antigene, auf die das körpereigene Immunsystem anspricht, so verändert sind, dass der Krebs für die Immunzellen unsichtbar wird. Bei der neuartigen Zelltherapie werden patienteneigene T-Zellen (T-Lymphozyten, die Träger der adaptiven Immunantwort) durch Gentransfer mit einem künstlichen Rezeptormolekül ausgestattet, dem sogenannten „chimären Antigenrezeptor“ (CAR), der imstande ist, die Tumorantigene zu erkennen.
Die T-Zellen werden aus dem Blut des Patienten durch Leukapherese (ein dialyseähnliches Verfahren) gewonnen und im Labor gentechnisch verändert. Dabei wird das CAR-Gen – zum Beispiel mithilfe eines viralen Vektors – stabil in das T-Zell-Genom eingebaut und kann bei der Teilung der T-Zellen an die Tochterzellen weitergegeben werden. CAR selbst setzt sich zusammen aus der Bindungsdomäne für das Antigen (meistens handelt es sich bisher – wie auch den oben genannten Fällen – um CD19, das B-Lymphozytenantigen), einer Transmembrandomäne (die für die Verankerung von CAR auf der Oberfläche der T-Zelle sorgt) sowie einer intrazellulären Signaldomäne (die nach der Bindung von CAR an die Tumorzelle eine Signalkaskade auslöst, die zur Aktivierung der T-Zelle führt). Die durch den Gentransfer veränderten T-Zellen werden im Labor vermehrt und anschließend dem Patienten durch Infusion wieder zugefügt. Wenn eine CAR-T-Zelle dann im Körper des Patienten auf eine Zelle mit dem entsprechenden Antigen trifft, zum Beispiel eine CD19+-B-Lymphomzelle, bindet sie daran und wird aktiviert: Sie produziert Zytokine, mit deren Hilfe die gebundene Tumorzelle abgetötet wird, und beginnt sich zu teilen.
Man kann sich schwerlich ein besseres Wirkprinzip vorstellen: Wenn auch nur sehr wenige infundierte CAR-T-Zellen auf eine Tumorzelle treffen, so erhöht sich durch ihre mit der Aktivierung verbundene Proliferation mit jedem Treffer ihre therapeutische Wirksamkeit. Die CAR-T-Zellen können zudem auch nach der Remission des Tumors im Körper verbleiben und erneut aktiv werden, wenn es zu einem Rezidiv kommt.
Probleme und Nebenwirkungen
Doch die neue Therapie ist nicht ideal. Erstens ist sie extrem teuer; so kostet eine Behandlung mit dem von der Firma Novartis vertriebenen CD19-CAR-T-Zellpräparat „Kymriah“ in Deutschland 380.000 Euro (Quelle: Wikipedia). Die Therapie ist für den Patienten auch extrem belastend. Vor der Infusion mit CAR-T-Zellen muss er – wie bei einer Stammzelltransplantation – „konditioniert“ werden, das heißt, Körperzellen, die das CAR-Targetantigen tragen, müssen durch Ganzkörperbestrahlung und Chemotherapie weitgehend eliminiert werden. Beim Antigen CD19 sind das nicht nur Zellen von B-Zell-Tumoren, sondern auch alle B-Lymphozyten und damit der gesamte Antikörper-produzierende Teil des Immunsystems. Gerade bei ALL und den schnell wachsenden B-Zell-Lymphomen kann die rasche Tumorremission durch die Therapie zu einem Tumorlyse-Syndrom führen, einer durch die plötzliche Freisetzung von Zellprodukten verursachten Stoffwechselentgleisung, die zu oft lebensbedrohlichem Nierenversagen führen kann. Zu den häufigsten schweren Nebenwirkungen der CAR-T-Zell-Therapie gehört das Zytokin-Freisetzungssyndrom (cytokine-release syndrom, CRS). Es entsteht dadurch, dass Zytokine, die bei der Aktivierung der CAR-T-Zelle ausgeschüttet werden, um die gebundene Krebszelle abzutöten, weitere Immunzellen anlocken und sie ebenfalls unter Freisetzung von Zytokinen aktivieren. Diese positive Rückkopplung kann sich zu einem lebensbedrohlichen „Zytokinsturm“ hochschaukeln. Auch Emily Whitehead hatte bei ihrer CAR-T-Zell-Therapie einen schweren Zytokinsturm erlitten und musste wochenlang auf der Intensivstation behandelt werden. Ein weiterer schwerwiegender Nachteil der meisten bisherigen Studien – sowie auch der zwei inzwischen zugelassenen Therapien – besteht darin, dass das an CD19 angreifende CAR-Molekül nicht zwischen den Krebszellen und den normalen B-Lymphozyten des Immunsystems unterscheiden kann. Das hat zur Folge, dass mit der Bekämpfung des Tumors auch die B-Zell-vermittelte Immunität des Patienten komplett zum Erliegen kommt.
AVA Lifescience – The Theragnostic Company
Die im Mai 2017 in Denzlingen bei Freiburg gegründete AVA Lifescience GmbH zeigt einen Weg, wie die gravierenden Nebenwirkungen dieser hochwirksamen neuen Immunzelltherapie vermieden werden können. Das Unternehmen entwickelt innovative Technologien für die Diagnostik und Therapie von Blutkrebserkrankungen; eines seiner Alleinstellungsmerkmale ist eine Technologieplattform zur Herstellung funktioneller Antikörper von bisher unerreichter Spezifität („NextGenMonoclonals®“). Wie Dr. Marcus Dühren-von Minden, Chief Scientific Officer (CSO) der AVA Lifescience, darlegt, können mit diesen Epitop-spezifischen Antikörpern einzelne Aminosäureänderungen in den Targetproteinen erkannt werden. Solche strikt tumorspezifischen Antikörper können sowohl für die Diagnostik verwendet werden als auch (im Falle eines positiven Befundes) im zweiten Schritt durch Humanisierung der Antikörper für die Therapie. Für eine hoch-personalisierte, auf einzelne Tumorerkrankungen zugeschnittene Präzisionsmedizin ist eine solche Verknüpfung von Therapie und begleitender Diagnostik („Companion Diagnostics“) unerlässlich. Dühren-von Minden spricht daher von einer Präzisions-„Theragnostik“; er betont, dass die bislang eingesetzten CAR-T-Zell-Therapien nicht die Kriterien der Präzisionsmedizin erfüllen. Von den tumorspezifischen NextGenMonoclonals® der AVA Lifescience können die gezielt gegen den Tumor gerichteten Antigenbindungsregionen für die Konstruktion neuartiger chimärer Antigenrezeptoren (CARs) und weiter zur Entwicklung präzisionsgeführter CAR-T-Zellen eingesetzt werden.
Mit einer tumorspezifischen CAR-T-Zell-Therapie ließen sich viele der oben angeführten Probleme reduzieren. So kann die sogenannte „On-Target-, Off-Tumor-Toxizität“ – das heißt, die toxische Wirkung gegenüber Nicht-Tumorzellen (beispielsweise B-Lymphozyten, die mit CD19 das gleiche Targetmolekül wie die Krebszellen haben) – auf ein Minimum reduziert werden. Dadurch kann man auch früher behandeln, solange der Tumor noch klein ist, wie Dühren-von Minden erklärt. Eine geringere Tumormasse bedeutet auch, dass die davon abhängigen Nebenwirkungen wie das Tumorlyse-Syndrom und der Zytokinsturm deutlich verringert sind. Eine Folgebehandlung, um das Immunsystem zu stützen, ist dann nicht nötig, und auch die Kosten für die Behandlung können gesenkt werden. Durch die auf der Grundlage tumorspezifischer Antikörper entwickelte CAR-T-Zell-Therapie eröffnen sich ganz neue Behandlungsmöglichkeiten, und der Patient hat erstmals eine Chance auf eine wirkliche Heilung.