Optogenetische Zellanalyse
opto biolabs: Wie aus Frust und Erfindergeist eine Firma entsteht
Weil sie keine geeigneten Belichtungsgeräte für ihre Doktorarbeit zur Verfügung hatte, ersann Dr. Kathrin Brenker kurzerhand maßgeschneiderte Adapter und wurde zur Gründerin der Firma opto biolabs. Inzwischen verkaufen sie und ihr Mitgründer Luis Köbele zwei verschiedene Gerätetypen, ein dritter ist auf dem Weg zur Marktreife. Ziel der beiden ist es, das ganze Labor mit Licht auszustatten, um alle Methoden auch für die Optogenetik zu ermöglichen und damit etwa die Entwicklung optogenetischer Therapeutika zu beschleunigen.
Eigentlich wollte Dr. Kathrin Brenker immer Molekulare Medizin studieren und Professorin werden. Über den Umweg des Studiums Molecular Life Science in Lübeck gelangte sie durch Hartnäckigkeit tatsächlich zum Wahlfach Molekulare Medizin in Göttingen. Von 2009 bis 2012 zog es sie nach Vancouver (Kanada), machte ihre Masterarbeit und begann eine Doktorarbeit, die sie nicht beendete, weil sie mit der dortigen Wissenschaftspolitik nicht zufrieden war. Mit der Hoffnung, in Deutschland bessere Bedingungen zu finden, kam Brenker 2012 nach Freiburg, wo sie erneut eine Doktorarbeit begann.
Optogenetische B-Zell-Aktivierung am Mikroskop
Auch hier stand die Promotion unter keinem guten Stern. Die Voraussetzungen für ihre Forschung waren suboptimal: Sie war zu der Zeit die Einzige, die in der Arbeitsgruppe optogenetisch arbeitete und musste alles selbst herausfinden, da es keine etablierte Methode zur Analyse zellulärer Systeme gab. Thematisch untersuchte sie den Einfluss des SYK-Enzyms (Spleen Tyrosine Kinase) auf die B-Zell-Regulierung und generierte für den optogenetischen Part SYK-Konstrukte, die mit Licht aktiviert werden konnten. Die induzierte Konformationsänderung der Kinase bewirkt in der B-Zelle eine Calciumausschüttung, die als Signal für ihre Aktivierung gilt.
Mühsam war es für Brenker, die Zellen am Fluoreszenzmikroskop zu stimulieren und deren Calciumausschüttung zu messen. Wegen der Gefahr des Fremdlichts und der Überhitzung der Proben musste sie im Dunkeln und in der Kälte ausharren und hatte doch nach hohem Zeitaufwand nur wenige Zellen analysiert. Einfacher und genauer ließ sich die Calciumänderung für jede einzelne Zelle am Durchflusszytometer messen. So kombinierte die Forscherin Optogenetik und Zytometrie, um in kurzer Zeit mehr Zellen charakterisieren zu können. Später erinnert sie sich, dass dies im Grunde die Basis für das erste Patent war. Das größte Problem war jedoch der Mangel an guten Belichtungsgeräten. Die ersten Versuche realisierte Brenker mit Stativen und Taschenlampen, die sie ans Zytometer bastelte. „Wollte ich die Wellenlänge ändern, schraubte ich eine Taschenlampe ab und die andere dran“, sagt sie. Durch die inhomogene Belichtung waren die Ergebnisse schlecht reproduzierbar, die Doktorandin konnte damit keine Publikation einreichen, und der Chef gewährte ihr keinen Promotionsabschluss. „Damals galt die Regel, eine Publikation haben zu müssen, um die Doktorarbeit einreichen zu können, und ich stand da mit meinen Negativergebnissen“, erinnert sich die ehemalige Wissenschaftlerin an die unglückliche Zeit.
Patentanmeldung aus Verzweiflung
In der Zeit baute Brenker mit eigenen Forschungsgeldern die ersten Belichtungsgeräte für ihre Arbeit. Auf einer Konferenz 2015 riet ihr jemand, die Erfindung patentieren zu lassen, und allein die Unzufriedenheit über ihre Doktorarbeit ließ sie darüber nachdenken. „Vielleicht kann man Patent und Publikation gleichwertig behandeln, und das ist mein Ticket nach draußen“, dachte sie damals. Denn es gab nichts Geeignetes auf dem Markt, was die kontrollierte Zuführung von Licht zur Probe ermöglichte, ohne dass die Zellen erhitzt und abgetötet wurden. Gemeinsam mit der Werkstatt der Biologie III der Universität Freiburg erfand die Wissenschaftlerin den ersten Prototypen des heutigen pxONE: Einen kleinen zylindrischen Adapter, der um das Probenröhrchen am Durchflusszytometer angebracht eine radiale Belichtung der Zellen mit LEDs bei gleichbleibender Temperatur mit einer Wasserkammer bewirkt.
„Die Revolution der Erfindung besteht darin, dass man Belichtung und Temperierung in diesen kleinen Raum packt“, erklärt Brenker. Mithilfe einer Software lässt sich die Probe mit definierten Wellenlängen optogenetisch induzieren und zeitgleich im Zytometer analysieren. Die Ergebnisse lassen sich dann live am Bildschirm mitverfolgen. „Jetzt dauert die Messung fünf Minuten und die Analyse mit ein bisschen Übung zwei Minuten“, erklärt die Firmengründerin. Anfangs musste Brenker über ihren Schatten springen, um bei der Zentralstelle für Technologietransfer die Erfindungsmeldung zu machen. Aber es schlug ihr so viel Wohlwollen und Hilfsbereitschaft entgegen, dass sie den Mut fasste und auf den Rat des Gründerbüros der Uni Freiburg hörte, eine Firma zu gründen. „Das hat mich damals sehr motiviert“, erinnert sie sich. „Ehrlich gesagt hatte ich auch keine alternative Strategie, und dann wurde es zum Selbstläufer.“ 2018 wurde dann das EXIST-Gründerstipendium mit 140.000 Euro bewilligt, das den Startschuss für opto biolabs gab und die spätere Gründung als GmbH im Jahr 2020. Hinzu kam eine Frühphasenfinanzierung durch Start-up BW Pre-Seed I, was die Markteinführung eines zweiten Produkts ermöglichte. Mit zwei Business Angels und drei weiteren Förderungen (Junge Innovatoren Förderung, EU Attract und Pre-Seed II) bekam die Immunbiologin mehr Unterstützung als erhofft.
Viel Learning by Doing
Letztlich ist Brenker völlig ungeplant in die Firmengründung gerutscht, und das erste Team, das sie aus privatem Umfeld zusammenstellte, hielt auch nur ein Jahr. Zudem hat die Pandemie den Start fast ausgebremst, weil man mit Neuerungen für den Markt nur im persönlichen Kontakt überzeugen kann. Nun hat sie mit dem Mitgründer Luis Köbele jemanden, der für die Entwicklung der Optogenetik-Hardware verantwortlich ist, und der genauso für die Firma „brennt“ wie sie. Derzeit machen die beiden Firmeninhaber noch viel selbst, die zu bewältigenden Herausforderungen sind mannigfaltig: Firmenaufbau, Teambildung und Prozessoptimierung – wer macht was, und wofür wird jemand neu eingestellt? Auch die Preisgestaltung ist schwierig, da die Produktionskosten zunächst unterschätzt wurden. In der eigenen Werkstatt werden die Geräte von den Mitarbeitenden zwar direkt hergestellt, aber im Endpreis müssen auch noch Verpackung, Transport und Zollgebühren eingerechnet werden.
Maßgeschneiderte Belichtungsgeräte für jedes Experiment
Die ersten pxONEs sind bereits verkauft, je 6.000 Euro das Stück. Ein zweites Produkt, das optoWELL, läuft noch besser: das Plattenbelichtungsgerät wurde schon über 30-mal verkauft. Es ermöglicht eine flexible Belichtung für 24-Well-Platten mit drei anpassbaren Wellenlängen bei minimaler Erwärmung. Im Gegensatz zum pxONE, das vor allem von einer kleinen Community aus optogenetisch arbeitenden Expertinnen und Experten für Zytometrie genutzt wird, hat das optoWELL eine breitere Anwendungspalette und wird von Zellbiologinnen und -biologen, Chemikerinnen und Chemikern sowie Neurologinnen und Neurologen verwendet.
Mit dem optoSORT ist ein drittes Produkt kurz vor der Markteinführung, das insbesondere für klinische Anwendungen wie der Personalisierten Therapie interessant ist. Mit einem Spannungsfeld können effizient bestimmte Immunzellen heraussortiert werden, die für die Immunantwort der Patientinnen und Patienten optimal sind.
Der Clou all dieser Geräte ist die dahinter stehende Software, mit der sich die Belichtung entweder direkt und individuell oder per festgelegtem Protokoll steuern lässt. „Dadurch ist der Versuchsaufbau komplett standardisiert, und Forschende irgendwo auf der Welt können zu gleichen Bedingungen identische Experimente machen, was sehr reproduzierbare Daten liefert“, sagt Brenker. „Wir werden zukünftig eine hybride Strategie fahren und neben maßgeschneiderten Geräten auch ein paar Standardgeräte anbieten, die wir vorproduzieren können“, plant sie. Die Idee ist, zum Inbegriff für Belichtungsgeräte in der optogenetischen Forschung zu werden, indem opto biolabs das ganze Labor darauf abstimmt, die Werkzeugpalette stetig erweitert und Adaptionen an alle Geräte, die verwendet werden, anbietet. Brenker würde jederzeit wieder eine Firma gründen und rät allen, die Ähnliches vorhaben, sich nicht durch hierarchische Strukturen in der Wissenschaft oder Darstellung in den sozialen Medien entmutigen zu lassen. „Die Arbeitsgruppenleiter müssten auch stärker den Nachwuchsforschenden vermitteln, dass ihre Arbeit wertvoll ist, egal, wie weit unten sie in der Hierarchie sind“, meint sie. „Und ich wünsche mir mehr Transparenz darüber, dass wir keine Superhelden sind, sondern normale Leute, die es gewagt haben und Glück hatten.“