Photon-Counting Technologie
PC3-Konsortium: Innovative Computertomografie für Baden-Württemberg
Seit 2021 kooperieren die Universitätskliniken Freiburg, Tübingen und Mannheim standortübergreifend bei der Erprobung neuartiger Computertomografiegeräte. Mithilfe der Photon-Counting Technologie soll nicht nur eine bessere Versorgung von Patientinnen und Patienten erzielt, sondern auch die Entwicklung von nachgeschalteten Datenverarbeitungstechnologien durch lokale Unternehmen angestoßen werden.
Bildgebende Verfahren sind für die Untersuchung innerer Körperstrukturen unverzichtbar. Konventionelle Röntgenaufnahmen liefern dabei eine zweidimensionale Darstellung, bei der sich hintereinander liegende Bereiche überlagern. Sie dienen vor allem der primären Diagnose von Knochenbrüchen, Lungenentzündungen oder Funktionsstörungen des Magen-Darm-Trakts.
Seit den 1970er Jahren existiert ein weiteres, ebenfalls auf Röntgenstrahlung basierendes Verfahren, die Computertomografie (CT). Hierbei rotiert die Strahlenquelle um die zu untersuchende Person und durchleuchtet diese schichtweise und aus unterschiedlichen Richtungen. So entstehen viele Schnittbilder, die dann mithilfe von Computerberechnungen zu einem detaillierteren, dreidimensionalen Bild zusammengesetzt werden können, auf dem die Gewebe überlagerungsfrei zu erkennen sind. In Kombination mit der Gabe von Kontrastmitteln ist es zudem möglich, Gewebe mit ähnlicher Röntgendichte besser voneinander zu unterscheiden und Blutgefäße hervorzuheben. Da CT-Aufnahmen nur Sekunden benötigen, sind sie aus der klinischen Versorgung, unter anderem im Notfallbereich, nicht mehr wegzudenken.
Photon-Counting Detektortechnologie
„Mit der aktuellen CT-Diagnostik kann sehr viel erkannt werden, aber es gibt noch ein paar Einschränkungen“, beschreibt Prof. Dr. Fabian Bamberg, Ärztlicher Direktor an der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Freiburg die Technologie. „Die Auflösung für Veränderungen im Gewebe ist noch immer verbesserungswürdig: Je diskreter die nachweisbaren Veränderungen sind, desto besser für die genaue Diagnose und die anschließende Therapie. Außerdem gibt es immer noch eine – wenn auch geringe – Strahlenbelastung, die wir weiter reduzieren wollen. Wir haben jetzt die Möglichkeit erhalten, gemeinsam mit unserem langjährigen Innovationspartner Siemens Healthineers CT-Scanner zu entwickeln und einzusetzen, deren neuartige Detektortechnologie einen wirklichen Technologiesprung darstellt."
Röntgenstrahlen sind elektromagnetische Wellen und werden beim Durchdringen des Körpers unterschiedlich stark von den verschiedenen Strukturen absorbiert. Dichte Gewebe, beispielsweise Knochen, absorbieren viel Strahlung, sodass nur noch schwache Signale auf den hinter der Person befindlichen Röntgenfilm bzw. Detektor treffen. Die entsprechenden Stellen bleiben hell. Hohlräume hingegen, die viel Strahlung durchlassen, erscheinen dunkel. In bisherigen CT-Geräten werden die elektromagnetischen Lichtteilchen (Photonen) über einen zweistufigen Prozess detektiert: Zunächst werden eintreffende Röntgenstrahlen mithilfe von Szintillationskristallen in sichtbares Licht umgewandelt. Dieses erzeugt an einer nachgeschalteten Photodiode ein elektrisches Signal, das anschließend digitalisiert wird.
Der innovative Photon-Counting (PC) Detektor auf Basis eines Cadmium-Tellurid-Halbleiters hingegen wandelt die eintreffenden Röntgenphotonen direkt in ein elektrisches Signal um. Da bei dieser Technologie weniger Hintergrundrauschen auftritt und kleinere Detektorpixel möglich sind, entstehen deutlich schärfere und detailreichere Bilder. „Wir sehen jetzt auch feine Veränderungen sehr viel besser, beispielsweise in den Lungen von Covid-Infizierten“, berichtet der Radiologe begeistert. Seit April 2021 bilden er und seine Kolleginnen und Kollegen an den Universitätskliniken Freiburg, Tübingen und Mannheim das PC3 Konsortium und erproben die innovativen CT-Geräte. Gemeinsam mit den Partnern Siemens Healthineers und der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH soll in dem vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg geförderten Verbundvorhaben die nächste Generation der Computertomografie in Baden-Württemberg etabliert werden. Der Projektkoordinator führt aus: „Die Zusammenarbeit über die Standorte ist sehr effektiv und zielführend. Wir haben unterschiedliche Patientenkollektive: Freiburg konzentriert sich auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Tübingen setzt das Gerät in der Onkologie ein und in Mannheim werden vor allem Kinder damit untersucht. Über eine neu etablierte Plattform können wir uns gut austauschen und unterstützen.“
Großes digitales Potenzial
Photon-Counting, also das direkte Zählen jedes einzelnen Photons, generiert eine sehr hohe Informationsdichte. „Neben der Anpassung und Optimierung von Protokollen war die wirkliche Herausforderung für uns der Umgang mit den digitalen Datenmengen“ schildert Bamberg die anfänglichen Probleme. „So eine Komplexität hatten wir nicht erwartet und mussten deshalb die umgebenden Strukturen wie Server und Rechner deutlich aufstocken.“ Um die Daten optimal nutzen und auswerten zu können, werden zudem neue Software-Produkte benötigt. Auch diese wirtschaftlichen Aspekte hat das PC3 Konsortium im Blick und fördert aktiv die Entwicklung von Begleittechnologien in Baden-Württemberg. Die Datenverarbeitung mittels Künstlicher Intelligenz soll genauere Diagnosen ermöglichen und medizinische Abläufe verbessern. Auch die dreidimensionale Planung von Operationen ist dadurch denkbar. „Wir haben um die PC CT Technologie einen kleinen digitalen Kosmos geschaffen, der viel Potenzial beinhaltet.“ Bamberg hofft deshalb auf eine Anschlussförderung des Ende 2022 ausgelaufenen Vorhabens. Bereits jetzt existiert eine Vielzahl an Kooperationen mit lokalen Unternehmen, die weitergeführt werden sollen.
Aber auch im Hinblick auf die Entwicklung neuer Kontrastmittel eröffnet das PC Verfahren zahlreiche Möglichkeiten. Auf diesem Gebiet sind bereits konkrete Projekte mit einem namhaften Pharmakonzern geplant.
Viele Vorteile für Patientinnen und Patienten
Die neue PC-CT liefert nicht nur hochauflösende Bilder, sondern benötigt auch grundsätzlich weniger Photonen, sodass die Strahlendosis bei den Untersuchungen reduziert werden kann. „Dies ist ein weiterer großer Vorteil. Wir dringen so langsam immer mehr in den MRT-Bereich vor“, sagt der Radiologe. Die Magnet-Resonanz-Tomografie nutzt statt Röntgenstrahlung starke Magnetfelder und kann vor allem wasserhaltige Weichteilgewebe gut darstellen und voneinander abgrenzen. Da ein MRT-Scan allerdings 10 – 50 Minuten dauert, ist die Methode in Notfallsituationen sowie für unruhige Personen und kleine Kinder nur schlecht geeignet. Die Photon-Counting Geräte stellen deshalb eine mögliche Alternative dar.
Aufgrund der hohen Dichte an digitalen Informationen erlaubt die neue Generation an Computertomografen potenziell nicht nur genauere Diagnosen, sondern kann außerdem eine Grundlage für neuartige Therapiekonzepte schaffen und so zukünftig zu einer besseren Versorgung von Patientinnen und Patienten beitragen.