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Steuerbare Mikrokatheter

Robotergestützte Steuerung chirurgischer Instrumente mittels Magnetresonanztomografie

Kathetergestützten Untersuchungen und Operationen sind aufgrund limitierter Steuerbarkeit der Instrumente sowie schädlicher Strahlenbelastung für Erkrankte und Personal durch die kontinuierliche Röntgendurchleuchtung Grenzen gesetzt. Das in Gründung befindliche Unternehmen EndoSurge aus Stuttgart hat jetzt neuartige robotische Mikrokatheter entwickelt, die sich mit Hilfe des Magnetfeldes eines MRT-Geräts lenken lassen und somit strahlungsfreie Interventionen erlauben.

Minimalinvasive Eingriffe mit Hilfe eines Katheters sind heutzutage in allen medizinischen Fachrichtungen unentbehrlich. Durch den inneren Hohlraum der zumeist flexiblen Röhre können sowohl diagnostische als auch therapeutische Instrumente in den Körper eingeführt werden. Dies ermöglicht die Untersuchung von Hohlorganen wie der Harnblase oder des Herzens, die Verabreichung von Medikamenten oder die Entnahme von Gewebeproben. Des Weiteren lassen sich gezielte therapeutische Eingriffe durchführen, sogenannte interventionelle Maßnahmen. Im Bereich der Angiologie (Gefäßmedizin) zählen vor allem das Stoppen von Blutungen, das Auflösen von Blutgerinnseln sowie das Weiten von Gefäßen oder Einsetzen von Stents dazu.

Strahlungsfreie Alternative zur Fluoroskopie

Die Katheterisierung der Gefäße erfolgt dabei immer bildgeführt, das heißt unter Echtzeit-Kontrolle mittels radiologischer Bildgebung. „Der Goldstandard bei interventionellen Eingriffen wie beispielsweise Herzkatheteruntersuchungen ist die kontinuierliche Röntgendurchleuchtung, auch Fluoroskopie genannt“, erläutert Dr. Martin Phelan, CEO des in Gründung befindlichen Start-ups EndoSurge - einer Ausgründung aus der Max-Planck-Gesellschaft. „Das Verfahren geht mit ionisierender Strahlung einher, die nicht nur Patientinnen und Patienten belastet, sondern vor allem auch das medizinische Personal.“ EndoSurge bietet deshalb zukünftig eine alternative Technologie an, die die strahlungsfreie Magnetresonanz­tomografie (MRT) für die Bildgebung nutzt. Dies war bisher nicht möglich, da die herkömmlichen metallhaltigen Instrumente für den Einsatz im starken Magnetfeld eines MRT-Geräts ungeeignet sind, weshalb speziell entwickelte teure Werkzeuge benötigt werden.

Links ist das Porträtfoto eines jungen Mannes mit dunklen Haaren zu sehen, in der Mitte das einer jungen Frau mit langen blonden Haaren und rechts das eines jungen Mannes mit Brille und Bart.
Dr. Martin Phelan, Lisa Stuch und Siddhant Kadwe (von links nach rechts) sind im Begriff, EndoSurge zu gründen. Das Unternehmen entwickelt neuartige robotische Mikrokatheter, die sich mit Hilfe des Magnetfeldes eines MRT-Geräts lenken lassen und somit strahlungsfreie Interventionen erlauben. © Martin Phelan

Phelan vom Max-Planck Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart begann bereits während seiner Doktorarbeit an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA, neuartige medizinische Instrumente zu konstruieren, die MRT-kompatibel sind. „In Anlehnung an einen DC- (Gleichstrom-) Motor nutzen wir das permanente Magnetfeld des MRT-Geräts, um unsere Werkzeuge zu steuern oder zu kontrollieren“, erläutert der Maschinenbauer, der gemeinsam mit der Wirtschaftsinformatikerin Lisa Stuch und dem Robotikingenieur Siddhant Kadwe vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) die Gründung des Start-ups durchführt. „Indem wir stromdurchflossene Mikrospulen an die Spitze von medizinischen Instrumenten montieren, kreieren wir lokale elektromagnetische Felder, die eine aktive Steuerung in jede Richtung ermöglichen.“ Das Grundprinzip des auf der Lorentzkraft basierenden innovativen Verfahrens publizierte Phelan zusammen mit weiteren Forschenden des MPI-IS im Fachjournal Advanced Science.1)

Spezielle Anordnung von Mikrospulen erlaubt Navigation unter MRT-Kontrolle

Da das Magnetfeld des MRT-Geräts statisch ist und Bewegung nur entsteht, wenn die stromdurchflossene Leitung nahezu senkrecht dazu ausgerichtet ist, sind auf den neuartigen Mikrokathetern mehrere, in verschiedener Orientierung zueinander angeordnete Spulen angebracht. Ein derartiger Aufbau stellt sicher, dass es keine Position gibt, in der das Werkzeug nicht kontrolliert werden kann. Die Auslenkung der Spitze hängt dabei von Stärke und Richtung des Stroms ab, der durch die einzelnen Spulen fließt.

Genauso wie ein Motor mit der Zeit warm wird, geschieht dies auch an der Spitze der robotischen Instrumente. „Das ist kein Problem, wenn der Katheter von zirkulierender Körperflüssigkeit umgeben ist, kann aber eine Gefahr für Gewebe darstellen. Wir haben deshalb das Spulendesign in Bezug auf die elektrische Leistung so optimiert, dass die Eigenerwärmung 44 °C nicht überschreitet“, erklärt Phelan.

Steuerung des innovativen Mikrokatheters im permanenten Magnetfeld (B0) des MRT-Geräts. m (rote Pfeile) gibt das lokale magnetische Moment des jeweiligen Spulenpaares an, das durch den vom interventionellen Kardiologen angelegten Strom induziert wird und die Bewegung verursacht.
© Martin Phelan

Aus der Ferne steuerbar

Basierend auf den Forschungsergebnissen hat das aus Ingenieurinnen und Ingenieuren, Medizinerinnen und Medizinern, Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie Industrie-Expertinnen und -Experten bestehende internationale Team von EndoSurge in den letzten zwei Jahren ein Gesamtpaket für die medizinische Anwendung erarbeitet. Es beinhaltet neben verschiedenen kardiovaskulären Werkzeugen auch die erforderliche Software sowie unterschiedliche Benutzerschnittstellen für die Steuerung aus der Ferne. Das medizinische Personal muss nicht mehr direkt neben der zu untersuchenden Person stehen und den Katheter manuell durch die Gefäße manövrieren, sondern kann ihn beispielsweise mit Hilfe eines Joysticks oder über einen Touchscreen bewegen. Durch die Roboterunterstützung sollen Ärztinnen und Ärzte zudem bereits früh in der Ausbildung in der Lage sein, interventionelle Eingriffe durchzuführen.

Es gibt bereits zahlreiche Interessentinnen und Interessenten für die vielversprechende Technologie, und die Gründenden bauen derzeit ein weltweites Netzwerk mit Kontakten zu Kliniken in Europa, Asien, den USA und auf dem afrikanischen Kontinent auf. Der Fokus des Start-ups liegt aktuell auf der Anwendung in der Kardiologie, für andere Fachgebiete kann das System später problemlos angepasst werden. „Zusammen mit der Universitätsklinik Freiburg haben wir bereits erfolgreich eine Katheterisierung unter Echtzeitkontrolle am lebenden Schwein durchgeführt“, schildert Phelan einen wichtigen Meilenstein. Vor dem Einsatz am Menschen seien aber noch mehr Daten erforderlich.

Konzept der magnetischen Robotersteuerung überzeugt

Bisher sind MRT-Scanner deutlich teurer als Fluoroskope und nicht in jedem Krankenhaus vorhanden. Deshalb arbeiten die Forschenden mit Unterstützung des Robotikunternehmens KUKA daran, die Kosten der Geräte zu reduzieren. Mit ihrem Projekt zählen sie zu den Finalisten des KUKA Innovation Awards 2025.2) Zudem gewann EndoSurge 2023 bereits den Falling Walls Lab Baden-Württemberg Wettbewerb für innovative Entwicklungen.3)

Die neuartige Technologie überzeugt in vielerlei Hinsicht. Die für Kathetereingriffe erforderliche Visualisierung von Weichteilstrukturen ist unter MRT-Kontrolle wesentlich besser als bei der gängigen Röntgendurchleuchtung. Und da ohne ionisierende Strahlung gearbeitet wird, sind auch Untersuchungen von Schwangeren und Kindern möglich. Des Weiteren können mit den ferngesteuerten Mikrokathetern, die sich problemlos auf Durchmesser unter 1 mm verkleinern lassen, bisher schwer zugängliche Körperregionen behandelt werden, wie beispielsweise das Gehirn oder sehr feine Gefäße.

„Langfristig streben wir zudem eine Unterstützung des Systems durch Künstliche Intelligenz an“, fügt Stuch hinzu, Head of Artificial Intelligence der EndoSurge. „So wollen wir eine autonome Navigation der robotischen Katheter unter Kontrolle des medizinischen Personals erreichen.“ „Wir gehören zu einer neuen Generation und wollen die Regeln ändern, um die Dinge sicherer zu machen“, fasst Phelan die Motivation aller Beteiligten zusammen.

Literatur:

1) Phelan, M. F. et al. (2022). Heat-Mitigated Design and Lorentz Force-Based Steering of an MRI-Driven Microcatheter toward Minimally Invasive Surgery. Adv Sci 9(10), e2105352. https://doi.org/10.1002/advs.202105352

2) KUKA AG: KUKA Innovation Award 2025. https://www.kuka.com/de-de/future-production/innovation-und-forschung/kuka-innovation-award/kuka-innovation-award-2025

3) Falling Walls Lab: Breaking the Wall of Radiation-Free Surgery. https://apply.falling-walls.com/discover/videos/breaking-the-wall-of-radiation-free-surgery/

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/aktuell/robotergestuetzte-steuerung-chirurgischer-instrumente-mittels-magnetresonanztomographie