Laborautomatisierung
Schnell und effizient ans Ziel mithilfe von Künstlicher Intelligenz
Medizinische Forschung ist langsam und mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Mit dem System des Start-ups LABMaiTE könnte sich das bald ändern. Mithilfe Künstlicher Intelligenz können Versuche im Labor automatisiert durchgeführt und gleichzeitig Daten erfasst und ausgewertet werden.
Herkömmliche Forschung, wie sie seit Jahrhunderten in Laboren auf der ganzen Welt betrieben wird, ist sehr mühsam und zeitaufwendig. Dabei versuchen Forschende, verschiedene Parameter ausfindig zu machen und zu optimieren, die den Erfolg eines Experiments bestimmen. Eine nahezu unmögliche Aufgabe, wenn man bedenkt, wie viele Parameter Einfluss auf ein Ergebnis nehmen können. Dabei kann der Mensch maximal zwei bis drei Parameter im Blick behalten, eine Künstliche Intelligenz (KI) kann hingegen über 20 Dimensionen gleichzeitig optimieren.
Versuche schneller, effizienter und kostengünstiger durch KI
Diese Eigenschaft macht sich das junge Freiburger Unternehmen LABMaiTE zunutze. Dabei folgt das System dem gleichen Prinzip von Versuch und Irrtum wie menschliche Forscher: Die Forschenden definieren das gewünschte Ergebnis des Experiments, und die KI führt so lange Versuche durch und nimmt Anpassungen vor, bis die optimalen Bedingungen gefunden sind.
„Wir wollen Laborautomation durch Künstliche Intelligenz erweitern, sodass Forschung zielgerichteter stattfinden kann“, erklärt LABMaiTE-Mitgründer Jonas Bermeitinger. Die durch Menschen verursachte Variabilität kann dadurch ausgeschlossen sowie Zeit und Kosten gespart werden. Diese Technologie hat das Potenzial, die medizinische Forschung, aber auch die Produkt-, Medien- und Zelllinienentwicklung zu beschleunigen.
Während die KI die Versuchsbedingungen immer wieder anpasst, um zum gewünschten Ergebnis des Experiments zu kommen, werden gleichzeitig Versuchsdaten gesammelt und analysiert. Dadurch ist der zeitintensive Aspekt der anschließenden Datenauswertung hinfällig. Das junge Unternehmen stellt dazu sowohl die Hardware als auch die dafür benötigte Software für Versuchsdurchführung, Datenerfassung und -auswertung zur Verfügung.
Der Alltag der Forschenden soll sich dahingehend verändern, dass durch die Automatisierung mehr Ergebnisse in kürzerer Zeit generiert werden können. So kann der von der KI gefundene Weg zum Ziel nachvollzogen und verstanden, muss aber nicht mehr selbst gesucht und gefunden werden.
Für Experimente mit Zelllinien werden hauptsächlich Mikroskopbilder als Informationsquelle genutzt. Diese beschreibt Bermeitinger als „nicht genutzten Schatz“. Die Bilder enthielten viel mehr Informationen über eine Zelle als der Mensch überhaupt verarbeiten könne. Die KI könne dieses Potenzial wesentlich besser nutzen, Rückschlüsse daraus ziehen und diese miteinander vernetzen.
LABMaiTE hat auf sein System bereits zwei Patente angemeldet, eines ist in Deutschland bereits erteilt, international laufen die Verfahren noch.
Einsatzmöglichkeiten in der Krebstherapie
Die Einsatzmöglichkeiten für das LABMaiTE-System sind vielfältig. Es kann in nahezu jedem Labor genutzt werden, beispielsweise bei der Erforschung der Behandlungsmöglichkeiten für Leukämie. Jährlich erkranken 120.000 Patientinnen und Patienten an einem sogenannten flüssigen Tumor wie Leukämie. Mit der CAR-T-Zell-Therapie steht bereits eine vielversprechende, aber teure Behandlungsmethode zur Verfügung. Die Idee dabei ist, patienteneigene Immunzellen zu isolieren und diese genetisch so zu modifizieren, dass sie die Krebszellen im Körper mit erhöhter Effizienz attackieren.1) Allerdings ist eine Herausforderung die Kultivierung der Zellen im Labor, denn diese benötigen je nach Patientin oder Patient eine individuelle Behandlung. Hier die optimalen Bedingungen zu finden, ist zeit- und kostenintensiv, denn jede Zelle ist ein komplexes System, welches auf Umweltreize reagiert und mit der Umgebung interagiert. Doch wie genau das passiert, ist für das menschliche Auge unsichtbar. Hier soll die KI quasi als Übersetzer zwischen zellulärer und der menschlicher Intelligenz agieren. Dabei arbeitet sie direkt mit den Zellen der Patientinnen und Patienten. „Andere KI-Anwendungen sind häufig modellbasiert. Wir hingegen möchten unsere KI direkt am echten Versuch trainieren und somit den Schritt eines In-silico-Modells umgehen“, erklärt Bermeitinger.
Junges dynamisches Gründerteam mit Experten-Unterstützung
Ideengeber des Projekts war Prof. Dr. Roland Mertelsmann, Experte im Bereich Onkologie am Universitätsklinikum Freiburg. CEO Bermeitinger erkannte das Potenzial und wollte der Idee Taten folgen lassen. Er selbst studierte Luft- und Raumfahrttechnik und kam über verschiedene Zwischenschritte und Zufälle zur Automatisierung im Sondermaschinenbau und schließlich zur Laborautomatisierung. Seit März 2021 wird das Team durch die EXIST-Förderung unterstützt, die Gründung der LABMaiTE GmbH erfolgte dann im November 2021 zusammen mit Dennis Raith (CTO), Avani Sapre (Forschung und Entwicklung) und Roman Melachrinos (Marketing und Sales).
Die Idee hinter „LABMaiTE“: „Lab“ als Abkürzung für Labor in Kombination mit „mate“, dem englischen Wort für Freund: Der Freund des Laboranten oder der Laborantin, der auch KI (als AI, Artificial Intelligence) im Namen trägt.
Das junge und engagierte Gründerteam zeigt, wie wichtig es ist, in der Wissenschaft verschiedene Disziplinen zu vereinen. Nur so können Innovationen generiert und die medizinische Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden.