Hochauflösende Mikroskopietechnologie durchbricht Beugungslimit
Vom Mikro- zum Nanoskop
Lange Zeit war es mit Lichtmikroskopen nicht möglich, Objekte voneinander zu unterscheiden, die näher als 200 Nanometer beieinander liegen. Neuartige Geräte der Firma abberior Instruments GmbH, die eine von Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan Hell und seinen Teams in Heidelberg und Göttingen entwickelte Technologie nutzen, durchbrechen diese Auflösungsgrenze und ermöglichen detailreiche Einsichten in lebende Zellen im unteren Nanometerbereich.
Menschliche Zellen besitzen einen Durchmesser von 1 bis 30 Mikrometern und sind mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Die in ihnen enthaltenen Feinstrukturen sind noch um ein Vielfaches kleiner: Der Durchmesser von Membranen oder einzelnen Proteinen beispielsweise liegt im Bereich weniger Nanometer (nm, 10-9 m). Bereits im 17. Jahrhundert nutzte deshalb der Arzt und Biologe Jan Swammerdam ein Mikroskop (von griechisch mikrós = klein und skopeín = betrachten), um tierische sowie menschliche Gewebestücke und Körperflüssigkeiten zu untersuchen. Mit Hilfe der damals schon möglichen ca. 200-fachen Vergrößerung entdeckte er erstmals Blutzellen, die roten Blutkörperchen.
Das Abbe-Limit beschränkt die Lichtmikroskopie
In den folgenden Jahrhunderten wurde die Lichtmikroskopie durch Fortschritte in Optik, Probenpräparation und Beleuchtungstechniken immer mehr verfeinert. Aufgrund der Wellennatur des Lichts konnten allerdings lange nur Objekte optisch voneinander unterschieden werden, deren Mindestabstand etwa 200 nm betrug – das entspricht der halben Wellenlänge des sichtbaren Lichts. Diese Auflösungsgrenze, auch als Beugungslimit bezeichnet, wurde bereits 1873 von dem deutschen Physiker Ernst Abbe beschrieben. Eine deutlich bessere Auflösung (bis zu 0,1 nm) lässt sich nur mit Hilfe von Elektronenmikroskopen erzielen, denn die hier eingesetzten Elektronenstrahlen besitzen eine wesentlich kürzere Wellenlänge. Da bei dieser Technologie die Proben aber wasserfrei sein müssen, erlaubt sie keine Untersuchung von lebenden Zellen.
Bis vor 25 Jahren galt das Beugungslimit als unumstößlich. Ende des letzten Jahrtausends gelang es dann Prof. Dr. Stefan Hell vom Göttinger Max-Planck-Institut (MPI) für Biophysikalische Chemie (inzwischen MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften), ein neuartiges Verfahren zu entwickeln, das bei Lichtmikroskopen eine Trennschärfe von 20 – 30 nm erzielt. „Durch einen Trick werden jetzt Dinge sichtbar, die vorher versteckt waren, da sie sich unterhalb des Beugungslimits befinden“, erläutert der Physiker Dr. Matthias Reuss, der bei Hell in der von 2003 bis 2017 bestehenden Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg promovierte und an der Verbesserung der Technologie mitwirkte. Zusammen mit sechs weiteren Wissenschaftlern aus Heidelberg und Göttingen gründeten die beiden 2012 die abberior Instruments GmbH, um die neuartige hochauflösende Mikroskopietechnologie auch Personen ohne umfangreiche physikalische Fachkenntnisse zugänglich zu machen.
STED-Technologie durchbricht Beugungsgrenze und erzielt höhere Auflösung
Damit einzelne Bestandteile biologischer Proben besser erkennbar sind, werden in der Lichtmikroskopie schon seit Jahrzehnten fluoreszierende Stoffe genutzt. Bei Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge können diese ein „Lichtteilchen“, ein Photon, aufnehmen und in einen energiereicheren, angeregten Zustand übergehen. Bei der Rückkehr in den Grundzustand wird das Photon wieder emittiert, also abgegeben. Es ist dann allerdings energieärmer, das heißt, es besitzt eine größere Wellenlänge, sodass die Stoffe in einem anderen Licht erstrahlen. Einige biologische Moleküle wie beispielsweise das grüne Chlorophyll in Pflanzenzellen oder auch das Kollagenprotein besitzen eine Autofluoreszenz. Aber auch andere Moleküle lassen sich durch Verknüpfung mit fluoreszierenden Verbindungen, sogenannten Fluorophoren, spezifisch zum Leuchten bringen und dann gut untersuchen.
Die von Hell entwickelte innovative Technologie, die die Beugungsgrenze durchbricht, ist eine besondere Variante der Fluoreszenzmikroskopie. „Das Grundprinzip besteht darin, nicht das Licht, sondern die Fluoreszenzmoleküle zu manipulieren und so zu verhindern, dass die Farbstoffe benachbarter Objekte gleichzeitig leuchten und ihre Signale sich überlagern“, führt Reuss aus. Dies wird dadurch erreicht, dass dem anregenden Lichtstrahl direkt ein Abregungsstrahl folgt, der die Emission der Moleküle unterbindet. Dieser STED- (Stimulated Emission Depletion) Strahl sieht aus wie ein Donut, das heißt er hat in der Mitte ein Loch bzw. eine Nullstelle. Dies hat zur Folge, dass nur die Moleküle im kleinen mittleren Bereich leuchten; die an den Rändern des Strahls bleiben dunkel. Um ein vollständiges Bild der Probe zu erhalten, wird diese dann wie in einem Konfokalmikroskop Punkt für Punkt abgerastert. Der Physiker erklärt: „Das war der entscheidende Trick: Der Strahl an sich ist weiterhin beugungsbegrenzt, aber seine Wirkung auf die Moleküle nicht mehr. Je stärker er ist, desto kleiner wird die Nullstelle und desto größer die Auflösung.“ Theoretisch ist diese nun unbegrenzt, aber in der Praxis liegt sie bei 10 - 20 nm, da die benötigte Photonenzahl sonst zu hoch ist und die angestrahlten Moleküle zerstört werden oder ausbleichen.
Für das revolutionäre Konzept der ultrahochauflösenden STED-Nanoskopie wurde Hell 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt. Er teilt sich den Preis mit den Amerikanern Eric Betzig und William E. Moerner, die eine ähnliche Auflösung durch das selektive Aufleuchten einzelner fluoreszenzmarkierter Moleküle erzielten (PALM- bzw STORM-Technologie für Photoactivated Localization Microscopy bzw. Stochastic Optical Reconstruction Microscopy).
In Heidelberg wird schuhkartongroßes Nanoskop entwickelt und produziert
abberior Instruments bietet inzwischen vier unterschiedliche Gerätetypen auf dem Markt an, die bisher vorwiegend im akademischen Bereich in der biologischen und medizinischen Forschung eingesetzt werden. Aber auch die pharmazeutische Industrie zeigt vermehrt Interesse.
Bei der FACILITY Plattform handelt es sich um ein STED- und Konfokalmikroskop, das auch Einsteigerinnen und Einsteigern aufgrund der intuitiven Bedienung die Erstellung von erstklassigen Bildern ermöglicht, ohne Expertinnen und Experten in ihren Möglichkeiten einzuschränken. Spezielle Kundenbedürfnisse können mit der INFINITY Plattform erfüllt werden, die auf Sonderbau und Kleinserien zugeschnitten ist.
Das in Heidelberg entwickelte und produzierte STEDYCON ist sehr kompakt und preislich hochattraktiv. Mit ihm lässt sich jedes bestehende Mikroskopstativ zu einem konfokalen Mikroskop und STED-Nanoskop aufrüsten. Es ist robust, ohne Vorwissen zu bedienen und erreicht eine Trennschärfe von 30 nm.
MINFLUX ist das Lichtmikroskop mit der derzeit höchsten Auflösung weltweit. Es ermöglicht, biologische Vorgänge auf molekularer Ebene in bisher ungekannt hoher räumlicher (< 1nm) und zeitlicher (bis zu 10 kHz) Auflösung zu verfolgen. So werden biologische Fragestellungen, wie zum Beispiel Konformationsänderungen von Proteinen, direkt in der natürlichen Umgebung von lebenden Zellen zugänglich – bei mit konventionellen Mikroskopen vergleichbaren Investitionskosten. Und die Technologie bietet durchaus noch Potenzial für weitere Verbesserungen.
Unternehmen fest in der Hand von Forschenden
Die Firmengeschichte von abberior ist ungewöhnlich. „Wir haben mit acht Gründern und ohne externe Finanzierung angefangen. Vom Erlös des ersten Gerätes haben wir weitere gebaut und uns langsam hochgearbeitet“, beschreibt Reuss die Vorgehensweise. Bis heute ist die Leitung des Unternehmens mit Hauptsitz in Göttingen ausschließlich in der Hand von Forschenden. „So können wir schnell neue Technologien zur Marktreife bringen, wie beispielsweise das MINFLUX.“ Zurzeit hat die Firma weltweit 120 Mitarbeitende, mit Büros für Vertrieb und Support in den USA, der Schweiz und China. Die Produktion findet ausschließlich in Deutschland statt. Heidelberg ist mit seinen etwa zwei Dutzend Beschäftigten verantwortlich für STEDYCON, die anderen Geräte werden in Göttingen hergestellt, wo auch die Verwaltung beheimatet ist.
„Wir entwickeln und forschen selber sehr viel. Die meisten unserer Mitarbeitenden sind unglaublich gut ausgebildete Physiker, Biologen oder Chemiker.“ Zusätzlich setzt das Unternehmen Technologien um, die in den Arbeitsgruppen von Hell am MPI für medizinische Forschung in Heidelberg sowie am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen entwickelt und von der Max-Planck-Gesellschaft auslizensiert wurden. Der Name ist dabei Programm: „Wir haben den Anspruch, die besten Mikroskope mit der höchsten Auflösung zu bauen, die aber gleichzeitig leicht bedienbar sind. abberior leitet sich von „Ernst Abbe" ab und davon, dass wir „superior“ – also besser als die von ihm formulierte Beugungsgrenze sind“, verrät der Leiter von Forschung und Entwicklung mit einem Schmunzeln. Ganz in diesem Sinne ist das Unternehmen weltweit der einzige Mikroskophersteller, der außerdem geeignete Fluorophore für alle Fluoreszenztechnologien entwickelt, sodass Instrumente und Farbstoffe perfekt aufeinander abgestimmt sind.
Infobox: Funktionsweise des MINFLUX Mikroskops
Bei dieser Technologie werden eng benachbarte Moleküle zeitlich nacheinander zum Leuchten gebracht und dann ihre Position genau bestimmt. Dies geschieht ebenfalls durch einen donutförmigen Lichtstrahl; hierbei handelt es sich allerdings um einen anregenden Strahl, der in der Mitte eine Nullstelle hat. Dieser Strahl wird so lange verschoben, bis die Fluoreszenz minimal ist, weil sie direkt unter der Nullstelle liegt. Da deren Position bekannt ist, ist damit auch die Position des Moleküls bekannt. Der Ort eines Fluoreszenzmoleküls wird hier also bestimmt, indem möglichst wenig und nicht wie bei üblichen Mikroskopietechniken möglichst viele Photonen registriert werden. Dadurch ist die Effizienz eines MINFLUX-Mikroskops (gemessen in benötigter Photonenzahl relativ zur erreichten Auflösung) um Größenordnungen besser als bei einem gewöhnlichen Mikroskop.