Bildgebende Verfahren in der medizinischen Diagnostik
In nahezu allen medizinischen Fachbereichen werden Bildgebungsverfahren zur Darstellung krankheitsbedingter Veränderungen eingesetzt. Je nach Aufgabenstellung und Krankheitsbild können dank der vielen verschiedenen heute zur Verfügung stehenden Methoden ganz unterschiedliche Struktur- und Funktionsparameter visuell für die Diagnose erfasst und für die Therapie genutzt werden.
Bildgebende Diagnostik ist in der modernen Medizin unverzichtbar. Allein die allgemein bekannten Verfahren – Ultraschall, Endoskopie, Röntgendiagnostik, CT (Computertomografie) und MRT (Magnetresonanztomografie) – werden jeweils in Deutschland viele Millionen Male jährlich eingesetzt. Die Methoden sind seit Jahrzehnten etabliert1), doch ständig werden Neu- und Weiterentwicklungen beschrieben, mit denen die diagnostischen Beurteilungen verbessert und neue Anwendungsgebiete erschlossen werden. Hinzu kommen weniger bekannte und sogar ganz neue Bildgebungsverfahren sowie Hybridmethoden, welche die Vorzüge verschiedener Methoden miteinander kombinieren. In der nachfolgenden Tabelle wird versucht, einen Überblick über die derzeit wichtigsten bildgebenden Verfahren der medizinischen Diagnostik und ihrer Anwendungsgebiete zu geben.
Aus Baden-Württemberg kommen einige Forschungsprojekte, welche die Entwicklung der Bildgebungsverfahren in der Zukunft bestimmen können. So werden im Zukunftscluster QSens Quantensensoren für ihren Einsatz in der biomedizinischen Diagnostik erprobt, die um Größenordnungen empfindlicher sind als es heute in der Bildgebung möglich ist.2)3) Clusterpartner in diesem Projekt sind u. a. die Universitäten Stuttgart und Ulm sowie Industrieunternehmen wie Boehringer Ingelheim Pharma, Rentschler Biopharma und NVision Imaging Technologies, ein Start-up im Bereich der Quantentechnologie, an dem Forschende aus Ulm beteiligt sind.4) Mit einem anderen Ansatz der Quantensensorik wird im Leitprojekt QMag der Fraunhofer-Gesellschaft in einem Teilprojekt ein Verfahren entwickelt, bei dem Polarisatoren aus Nanodiamanten mit Biomarkermolekülen kombiniert und für die MRT-Diagnostik eingesetzt werden. Mithilfe dieser Quantenmagnetometrie könnte die Bildgebung zehntausendfach empfindlicher werden als bei heutigen MRT-Untersuchungen.5)
Magnetresonanztomografie (MRT) und Magnetresonanzangiografie (MRA)
Ein Vorteil der MRT, die auf der Messung der Kernspinsignale von Protonen des Wassers im Magnetfeld beruht, liegt darin, dass sie ohne schädigende Strahlung auskommt.6)7) Ihre Nachteile – relativ große Ungenauigkeit und lange Dauer der Aufnahmen – können durch Neuentwicklungen weitgehend kompensiert werden, sodass MRT und Magnetresonanzangiografie (MRA), mit der Blut- und Lymphgefäße sichtbar gemacht werden, heute zu wichtigen Diagnostikinstrumenten bei einer Vielzahl von Krankheiten gehören.
Mit Weiterentwicklungen der heute meist verwendeten FLASH- (Fast Low-Angle Shot) Technologie kann die für MRT-Aufnahmen benötigte Zeit auf weit unter eine Sekunde verkürzt werden, sodass jetzt sogar Filmaufnahmen des schlagenden Herzens oder des Blutflusses im Gehirn möglich sind.8) Schärfere Bilder erhält man durch Hyperpolarisation der Kernspinsignale in starken Magnetfeldern9) oder, indem die MRT mit einer optischen Mikroskopie kombiniert wird.10) Bei der multiparametrischen MRT (mpMRT) werden neben hochauflösenden MRT-Schnittbildern weitere Messgrößen wie die Bewegung (Diffusion) der Wassermoleküle und die Blutversorgung (Perfusion) ermittelt und mithilfe intelligenter Bildanalyseverfahren zusammen ausgewertet. Die mpMRT ist inzwischen zu einer wichtigen Entscheidungsgrundlage für die Therapieplanung bei Krebskrankheiten wie dem Prostatakarzinom und Brustkrebs geworden.11)12)
Oft werden in der MRT – besonders der MRA – Kontrastmittel eingesetzt. So können mittels Perfusionsbildgebung auch noch feinste Verästelungen der Gefäße oder der Flüssigkeitsstrom sichtbar gemacht werden.13) Mit der Phasenkontrast-MRA lassen sich jedoch auch ohne kontrastverstärkende Mittel unterschiedliche Geschwindigkeiten des Blutstroms messen, sodass Verengungen, Aussackungen und Verstopfungen in arteriellen Gefäßen sichtbar gemacht werden. Die Time-of-Flight-MRA (TOF-MRA), die besonders bei Untersuchungen der Hirngefäße zur Anwendung kommt, beruht auf dem Prinzip, dass frisch ins Gefäß einströmendes Blut eine höhere Magnetisierung aufweist als das umliegende Gewebe und daher mit einem stärkeren Signal abgebildet wird. Ohne Kontrastmittel kommt auch ein neues, von Tübinger und Heidelberger Forschenden erprobtes Verfahren zur Diagnose von Hirntumoren aus, die sich durch einen hohen Glucosestoffwechsel auszeichnen. Dabei werden die Änderungen des Magnetfeldes beim Protonenaustausch zwischen Glucose- und Wassermolekülen gemessen.14)15)
Während diese Methoden auf Geräte mit hohen Magnetfeldstärken angewiesen sind, die nur an wenigen Orten zur Verfügung stehen16), wird intensiv an der Entwicklung miniaturisierter, kompakter Hochleistungs-MRT-Geräte gearbeitet, die für alle Kliniken und Diagnostikzentren erschwinglich sind.17) Interessant ist in diesem Zusammenhang die noch in einem frühen Erprobungsstadium befindliche Methode der Magnetpartikel-Bildgebung, bei der magnetische Nanopartikel in die untersuchten Organstrukturen appliziert und mittels MRT aufgezeichnet werden.18)
Positronen-Emissions-Tomografie (PET) sowie PET/CT und PET/MRT
Die PET hat sich in der Krebsdiagnostik bewährt, weil sie – anders als die etablierten CT-, MRT- oder Ultraschall-Verfahren – Auskunft über die Stoffwechselaktivitäten eines Tumors geben kann. So lassen sich auch Metastasen und Tumorrückbildungen (Remissionen) nach einer Therapie nachweisen.19) In den modernsten Geräten wird PET mit CT oder MRT zu einem Hybridverfahren mit höherer Bildauflösung kombiniert, sodass Tumorveränderungen früher erkannt werden können.20)-23) Selbst einzelne Leukämiezellen im Knochenmark von Patientinnen und Patienten können abgebildet werden.24)
Bei der PET werden radioaktive Tracermoleküle eingesetzt, die in einem Beta+--Zerfall Positronen emittieren, die sich sofort an Ort und Stelle mit Elektronen, ihren Antiteilchen, vernichten. Gemessen werden die dabei entstehenden Paare von Gamma-Photonen, die in genau entgegengesetzte Richtung abgestrahlt werden. Daraus lässt sich ein Bild über den genauen Ort des Beta-Zerfalls berechnen. Am häufigsten wird als Tracermolekül Glucose verwendet, die mit einem radioaktiven Fluor-Atom (18F) markiert worden ist. Wie normale Glucose wird (18F)Fluordeoxyglucose in der Blutbahn transportiert und von den Zellen aufgenommen, aber nicht vollständig metabolisiert, sodass sich das fluorierte Stoffwechselprodukt im Gewebe anreichert. Da viele Tumoren Glucose besonders intensiv metabolisieren, sind sie in der PET-Untersuchung gut sichtbar.25)26)
Es wird aber auch an der Entwicklung neuer Radiodiagnostika gearbeitet, mit denen in Kombination mit MRT Tumorzellen, Bakterien, Pilzzellen und sogar einzelne Zellstrukturen erkannt und für die Planung und Steuerung von Krebsimmuntherapien eingesetzt werden können.27)28) Eine PET-Diagnostik mit radioaktiv markierten, gegen Krebszellen gerichtete Immunzellen befindet sich noch im frühen Entwicklungsstadium.29)
Für den präzisen Nachweis von Prostatakrebs hatte man vor etwa zehn Jahren ein PET-Diagnostikum mit einem Tracermolekül aus prostataspezifischem Membran-Antigen (PSMA) und radioaktivem Gallium synthetisiert, das jetzt von Heidelberger Nuklearmedizinern für die Krebstherapie weiterentwickelt worden ist. Dazu wurde das PSMA mit einem Alpha- oder Beta-Strahler gekoppelt, durch den die Tumorzellen bei der Bindung des Moleküls zerstört werden.32) Eine derartige Verbindung von Diagnostik und Therapie in der so genannten Theranostik gilt als zukunftsweisend; sie bildet einen der Forschungsschwerpunkte in dem neuen, 2019 in Heidelberg eröffneten Forschungszentrum für Bildgebung und Radioonkologie.33)
Die PET hat aber Potenzial weit über die Krebsdiagnostik hinaus, und man hofft, sie zukünftig auch bei Alzheimer- und Parkinson- sowie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen einsetzen zu können.30)31)
Computertomografie (CT) und Einzelphotonen-Emissionscomputertomografie (SPECT)
CT ist das vielleicht wichtigste Verfahren zur Krebsdiagnostik.34) Mit einem neuartigen photonenzählenden Detektorsystem können Bilder mit höherer räumlicher Auflösung erzeugt werden, sodass beispielsweise Knochenmetastasen besser erkannt werden.35) Im Rahmen des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg wird diese neue Technologie in dem Verbundvorhaben Photon-Counting (PC)-CT-Konsortium (PC3) an den Universitätsklinika Freiburg, Tübingen und Mannheim für zukünftige Therapieansätze erprobt. Projektpartner des vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Konsortiums sind außerdem noch Siemens und die BIOPRO Baden-Württemberg.36)37)
Die SPECT stellt, wie die PET, in erster Linie Stoffwechselaktivitäten dar und wird, um Strukturen gut abzubilden, meist mit CT kombiniert. Als Tracer wird ein schwacher Gamma-Strahler mit kurzer Halbwertszeit verwendet, vor allem ein Technetium-Isotop. Die SPECT ist heute ein Standardverfahren zur Messung der Herzdurchblutung und Herzmuskelfunktion; sie ist billiger und weniger aufwändig als die PET. Vielfach eingesetzt wird die SPECT aber auch zur Diagnose von Hirnerkrankungen und zum Nachweis von Krebsmetastasen, die sich im Stoffwechsel vom gesunden Gewebe unterscheiden.38)
Künstliche Intelligenz in der Bildgebung
Bei der CT wie bei den anderen genannten bildgebenden Verfahren stellt die Verarbeitung und Interpretation der Riesenmengen an computererzeugten Bildern eines der Hauptprobleme dar, das manuell kaum durchzuführen und sehr fehleranfällig ist.39) Computerprogramme zur halbautomatischen Bildsegmentierung werden bereits angewendet. In einem bundesweiten, vom Universitätsklinikum Freiburg koordinierten Programm wird an der vollautomatisierten Hochdurchsatz-Bilderkennung mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gearbeitet.40) Auch an allen Standorten des Deutschen Krebskonsortiums DKTK wurde eine strategische Initiative, die Joint Imaging Platform, für Bildanalyse und maschinelles Lernen etabliert.41) Die Fortschritte in der digitalen Bilderfassung haben nicht nur die Entwicklung mobiler Geräte für die radiologische Praxis ermöglicht,42) sondern auch die Darstellung komplexer 3D-Modelle von Blutgefäßen, die für die Navigation von Kathetern im Gehirn benötigt werden.43) In der Zusammenführung von IT, Mikrorobotik und Bildgebung ist es gelungen, bis in kleinste Kapillaren hinein Mikroroboter einzuführen und von außen sichtbar zu machen; man hofft, sie in Zukunft als theranostische Instrumente einsetzen zu können.44)
Kontrastmittel und molekulare Bildgebung
Für MRT-, CT- und Röntgendiagnostik kann die Aussagekraft der Bilder oft durch die Gabe von Kontrastmitteln verbessert werden. Auch bei Ultraschalluntersuchungen, dem wahrscheinlich häufigsten bildgebenden Verfahren in der medizinischen Praxis, werden sie vielfach eingesetzt. Die mit strengen Zulassungsverfahren verbundene Entwicklung neuer Kontrastmittel für spezielle Anwendungen ist ein eigener, unverzichtbarer Sektor der modernen Diagnostik.45)46) So können durch Verwendung hochspezifischer molekularer Marker in den Kontrastmitteln Krebsmetastasen anhand der gebundenen Markermoleküle visualisiert werden – ein Beispiel der sich dynamisch entwickelnden molekularen Bildgebung.47)48)
Endoskopie
Die neuen Entwicklungen der Endoskopie, mit der innere Hohlräume im Körper mit optischen Sonden untersucht werden können, gehen vor allem in zwei Richtungen. Einerseits werden Geräte mit einer Mikrooptik aus feinen Glasfasern immer weiter miniaturisiert, sodass heute selbst die Innenwände kleinster Gefäße mit einem Laserstrahl auf Plaque-Ablagerungen hin abgetastet werden können. Die Beobachtung erfolgt nicht direkt, sondern durch eine digitale Mikrokamera und computergestützte Bildverarbeitung.49) Ähnlich funktioniert die Kapselendoskopie, die in einem von der Ovesco Endoscopy AG koordinierten Verbundprojekt entwickelt wird. Dabei handelt es sich um eine von außen steuerbare, mit Kamera, Batterie und Sender ausgestattete Kapsel, die für eine diagnostische Magenspiegelung von den Patientinnen und Patienten geschluckt wird.50) Mit den Kamerabildern normaler Endoskope lassen sich Tumoren und gesundes Gewebe oft kaum voneinander unterscheiden. Das Mannheimer Start-up Thericon entwickelt daher eine multispektrale Bildgebungstechnologie, bei der sich die Aufnahmen verschiedener Spektren zur besseren Erkennung überlagern.51)
Der zweite große Entwicklungstrend der Endoskopie geht dahin, die diagnostische Optik mit einem Arbeitskanal für flexible Werkzeuge zu verbinden, um Biopsieproben für die Labordiagnostik zu entnehmen, Wirkstoffe zu injizieren und krankes Gewebe abzutöten oder zu entfernen. Beispielhaft sei auf zwei bekannte Anwendungen hingewiesen: erstens die Endoskopie des Ziliarkörpers im Auge bei gleichzeitiger Verödung mit einem Laserstrahl zur Behandlung des Grünen Stars (Glaukom). Zweitens die Koloskopie (Dickdarmspiegelung) bei gleichzeitiger Entfernung von Polypen der Darmschleimhaut, die als Tumorfrühstadien verdächtig sind.52) So hat die Vorsorgekoloskopie ab dem 55. Lebensjahr als eine der erfolgreichsten Maßnahmen der Krebsbekämpfung überhaupt die Zahl der Todesfälle an Darmkrebs deutlich gesenkt.