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CRISPR/Cas – das Genome Editing ist en vogue

Die Zahl der Publikationen und Patente, in die das CRISPR/Cas-System involviert ist, klettert seit seiner genauen Beschreibung exponentiell in die Höhe. Auch der Anstieg der Finanzmittel für entsprechende Projekte zeigt, wie durchschlagkräftig die neue Methode ist. Die Möglichkeit der gezielten Genomveränderung (Genome Editing) mit CRISPR/Cas bietet eine hohe Präzision und die Perspektive, Erbkrankheiten heilen zu können. Ernst zu nehmende Risiken und ethische Bedenken stehen diesem Heilsversprechen jedoch gegenüber.

Als Forscher im Jahre 2012 das CRISPR/Cas-System zum ersten Mal einsetzten, hat man sicher noch nicht ahnen können, welche Auswirkungen das auf die Wissenschaft haben wird – zumal die Anwendung selbst gar nicht das Forschungsziel war.
Mit dem System mit dem kniffligen Namen "clustered regularly interspaced short palindromic repeats" (CRISPR)/"CRISPR-associated" (Cas) ist den Forschern seit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) die zweite große wissenschaftliche Revolution in den Biowissenschaften gelungen – ja, sogar ein Nobelpreis für Chemie wird seitdem unter Experten vorhergesagt. Es findet in vielen Forschungsbereichen, in denen Gene und ganze Genome editiert werden, seinen Einsatz und führt dadurch dort zu rasanten Geschwindigkeiten in der Entwicklung. Kurz und knapp: Die CRISPR-Technik ist der angesagte Star in der Forschungslandschaft.

CRISPR, etwa: gehäuft auftretende, regulär verteilte, aus beiden Richtungen lesbare Wiederholungen, sind schon länger bekannt. Das System gehört zum erworbenen Immunsystem in Bakterien und Archaeen (Prokaryonten). Bereits Ende der 80er Jahre hat man mehrere repetitive Elemente auf der DNA von E. coli gefunden. Genau zwischen diesen Elementen befanden sich Spacer, die homolog zu DNA-Sequenzen von Phagen waren. Nun, über 30 Jahre später, weiß man diese Entdeckungen zu schätzen und kann erklären, wie die repetitiven Elemente zustande kommen.

Billig, schnell und einfach

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Der natürliche Mechanismus des CRISPR/Cas-Systems: Durch eine initiale Infektion baut der Prokaryont Teile des Phagengenoms in den CRISPR-Array ein. Bei einer Zweitinfektion wird das entsprechende Erbmaterial durch CRISPR/Cas zerstört. © BIOPRO/Hinkelmann

Wird ein Prokaryont von einem Phagen befallen, baut er Teile des Phagengenoms als neue Spacer in den CRISPR-Locus im Erbgut ein. Exprimiert als crRNA (CRISPR-RNA) und assoziiert mit dem Cas-Protein, ein DNA-schneidendes Enzym, wird das Teilgenom im entstandenen Komplex zur Ziel-DNA geleitet: nämlich zum Phagengenom, das auch die Spacersequenz geliefert und folglich Sequenzhomologie zur crRNA hat. Durch das Schneiden der entsprechenden DNA durch Cas und den daraus folgenden Abbau kann man den Vorgang tatsächlich ein wenig mit dem humanen Immunsystem vergleichen: Durch einen ersten Kontakt baut sich eigendynamisch eine spezifische Immunabwehr auf. Der Clou für die Nutzung als spezifisches DNA-Schneidewerkzeug: Durch künstlich hergestellte crRNA passend zu der gewünschten Zielsequenz auf der DNA kann der CRISPR/Cas-Komplex an jede denkbare Sequenz geführt und dadurch ein Doppelstrangbruch mit glatten Enden induziert werden – auch im kompliziert aufgebauten Genom eukaryontischer Zellen. Dort führt ein solcher Doppelstrangbruch zu definierten Reparaturmechanismen, zum Beispiel zum fehlerbehafteten Non-homologous end joining. In der Anwendung wichtiger ist jedoch die zellzyklusabhängige homologe Rekombination. Mithilfe einer sogenannten Vorlagen-DNA, einer sequenzähnlichen Kopie des durchtrennten DNA-Abschnitts, können einzelne Sequenzen gezielt mutiert, entfernt oder hinzugefügt, bei Einsatz von mehreren CRISPR-Ansätzen sogar große chromosomale Abschnitte entfernt oder verschoben werden. Dadurch ist es möglich, jegliche Informationen auf der DNA zu verändern: Gene, Genkassetten und die wichtigen regulatorischen Elemente auf sowohl kodierenden als auch nichtkodierenden Abschnitten.

Völlig neu sind hierbei die Effizienz und Präzision des Systems. Vor einem Jahrzehnt jubelten Forscher über die neuen Möglichkeiten der DNA-schneidenden Zinkfingernukleasen (ZFN). Doch diese und die später erforschten transkriptionsaktivatorartigen Effektornukleasen (TALENs), die mühsam auf Proteinebene modular aufgebaut werden mussten, um eine bestimmte Sequenz zu schneiden, brachten keinen entscheidenden Erfolg: zu teuer, zu ineffektiv und schwer herzustellen. Das nahezu beliebige Einfügen oder Entfernen von DNA-Abschnitten war der Wunsch der Wissenschaft – seiner Erfüllung ist man mit CRISPR/Cas nun einen beachtlichen Schritt näher gekommen. Das Gene Editing im Erbgut, oder das Genome Editing, was zuvor mehrere Jahre dauern konnte, ist heute weltweit ad hoc schnell gemacht – nur die crRNA muss angepasst werden, welche das Cas als Schneideenzym zur Ziel-Sequenz leitet. Auch die entscheidende Einbringung des schneidenden CRISPR/Cas-Komplexes in Eukaryonten stellt keine große Hürde dar: Sie kann biochemisch (durch Zugabe des Komplexes auf die Zellen) oder genetisch (durch Einbringen der entsprechenden genetischen Baupläne des Schneidekomplexes in die Zellen) erfolgen.

Die neue, präzise Genomschere eröffnet viele neue Möglichkeiten. Während sie in Laboren der Forschung und Entwicklung bereits angewandt wird, hofft man, dass sie langsam Einzug in die medizinische Therapie findet. Dies wirft einen Lichtblick auf die Perspektiven der Therapie erblich bedingter Krankheiten wie Mukoviszidose oder Hämophilie. Ja, vielleicht könnten Maßnahmen gegen Genommutationen, bei denen ein ganzes Chromosom fehlt oder doppelt vorhanden ist (sogenannte Aneuploidien), wie Trisomie 21 unter Betrachtung eines gesamten Chromosomensatzes eines Tages das Ziel sein. Da das System bei grundsätzlich allen Organismen funktioniert, ist dies möglich.

Eine genomeditierte Pflanze muss kein GVO sein

Mit dem CRISPR/Cas-System können Pflanzen relativ einfach genetisch manipuliert werden. Ob sie durch den "minimalinvasiven Eingriff" jedoch als GVO gelten, bleibt noch offen. © pitakareekul/Fotolia

Neben Chancen birgt die neue Technik jedoch auch Risiken. Die meisten Forschungsprojekte widmen sich der Grundlagenforschung – etwa, um die Funktion bestimmter Gene zu untersuchen. Mittelfristig wird aber erwartet, dass die Technik in der Tier- und Pflanzenzucht häufiger eingesetzt wird. Mit der Schnelligkeit der Entwicklung können die Klärung von ethischen Fragestellungen und die Formulierung regulatorischer Gesetze kaum mithalten.

Wird eine Pflanze durch die CRISPR/Cas-Technik durch das Einfügen kleinerer DNA-Sequenzen oder allein durch den Austausch einer Base im Erbgut editiert und dadurch widerstandsfähiger gemacht, ist sie nicht von den natürlich vorkommenden Pflanzen, die diese Eigenschaft durch spontane Mutationen oder Züchtung erworben haben, zu unterscheiden. Ein Satz des Paragraphen 3 aus dem Gentechnikgesetz (GenTG) lautet: „Ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) ist ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt“ – konsequenterweise ist unsere editierte Pflanze also kein GVO. Diese Aussage stellt jedoch nach aktuellem Stand nur ein Provisorium dar. Die Schwierigkeit ist hierbei auch, dass das CRISPR/Cas-Verfahren in editierten Organismen nicht nachweisbar ist: Es gibt schlicht und ergreifend keine biologischen oder chemischen Marker, die die Veränderung nachweisbar machen. Natürlich hoffen Anbieter, dass sie aus genau diesem Grund genomeditierte Pflanzen in ein paar Jahren leichter auf den Markt bringen können – auch genetisch knifflige Polyploide wie Weizen. Man darf gespannt sein, in welche Richtung die Europäische Union die Regularien setzen wird.

Prof. Dr. Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen schlug mit weiteren Wissenschaftlern aus Deutschland, den USA und China einen regulatorischen Rahmen1 vor. Demnach sollen alle DNA-Veränderungen exakt dokumentiert werden. Rückstände aus Fremd-DNA sollen spurlos entfernt werden. Dass die Gefahr einer Ausbreitung im Freiland in der Entwicklungsphase minimiert sein sollte, versteht sich von selbst. Bei Einführung eines Gens sollen je nach Verwandtschaft der zu editierenden Pflanze und der Genquelle weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Da man im Nachhinein fast nicht nachweisen kann, dass die Pflanze genetisch manipuliert wurde, soll sie laut Weigel auch als ein Ergebnis konventioneller Züchtung behandelt werden.

Eine Macht, die weise genutzt werden muss

Der Einsatz bei Tieren ist etwas komplizierter und umstrittener. Zunächst sei gesagt, dass die Genmanipulation bei Tieren keineswegs eine gegenwartsnahe Erfindung ist. Vor über 30 Jahren begann man mit den ersten Versuchen. Aber wieder dämpften Probleme wie Krankheiten, Unfruchtbarkeit und Ineffizienz die Euphorie – letztlich führten die alten Methoden zu keinem guten Ergebnis. Der genveränderte Lachs, welcher in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) als Lebensmittel zugelassen wurde, bleibt eine Ausnahme – bislang gibt es auf dem Markt keine Produkte aus und von gentechnisch veränderten Tieren. Robuste Nutztiere, die schnell wachsen und phosphatbelastetes Futter verwerten können oder laktosefreie Milch produzieren, waren die alten Zielsetzungen. Tiere so zu verändern, dass sie medizinisch relevante Wirkstoffe produzieren oder als Organspender dienen, ist heute die neue Motivation für die Genveränderungen. Durch die nun verfügbare Methode des Genome Editings ist ein neuer Optimismus entfacht.

In den 90er Jahren fingen gentherapeutische Versuche beim Menschen an – mit anderen Techniken. Zumindest in der Zellkultur konnte man erblich bedingte Krankheiten besiegen – jedoch mit vielen Nebenwirkungen. Wie erwartet, konnte auch hier, in der humanen Zellkultur, CRISPR/Cas glänzen, wodurch eine konfliktgeladene Debatte um die ethischen Aspekte des Genome Editings bei Menschen ausgelöst wurde. Die befürchtete, aber nicht überraschende Nachricht ließ nicht lange auf sich warten: Im April 2015 war es so weit2: Chinesische Forscher, menschliche Embryonen, ein Genaustausch – eine unheimliche Schüttelmixtur. Seitdem sind Sorgen in Bezug auf Ethik und Risiko prominenter geworden: Die eingefügten Veränderungen (auch ungewollte Off-target-Mutationen an anderen Stellen des Erbguts) würden sich durch die Keimbahn auf die nächsten Generationen ausbreiten, durch die Simplizität des CRISPR/Cas-Systems seien viele Forscher in der Lage, die technischen Hürden des Genome Editings beim Menschen zu durchbrechen. Die „Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht" (IAG) plädiert für ein Moratorium für Keimbahn-Experimente3 am Menschen, um zunächst die Chancen und Risiken zu erforschen. Die Ergebnisse des zweiten Eingriffs4 in menschliche Embryonen wurden bereits im April 2016 veröffentlicht.

Die Leichtigkeit, Vielseitigkeit und die hohe Effizienz haben das CRISPR/Cas-System so erfolgreich gemacht. Obwohl es evolutiv gesehen „nur“ Erbmaterial schneidet und eigentlich zu dessen Zerstörung dient, haben Wissenschaftler es zu einem praktischen Werkzeug mit einer noch nie dagewesenen Präzision umfunktioniert. Was in den nächsten Jahrzehnten noch mit ihm gemacht werden kann, wird sich zeigen. In der Molekularbiologie hat eine neue Ära begonnen – vielleicht sollten wir uns zuallererst mit der Bewertung der tollkühnen Entwicklung mehr Zeit lassen.

Quellen/Literatur

1 Huang S, Weigel D, Beachy RN, Li J. A proposed regulatory framework for genome-edited crops. Nat Genet. 2016 Jan 27;48(2):109-11. doi: 10.1038/ng.3484.

2 Liang P, Xu Y, Zhang X, Ding C, Huang R, Zhang Z, Lv J, Xie X, Chen Y, Li Y, Sun Y, Bai Y, Songyang Z, Ma W, Zhou C, Huang J. CRISPR/Cas9-mediated gene editing in human tripronuclear zygotes. Protein Cell. 2015 May;6(5):363-72. doi: 10.1007/s13238-015-0153-5.

3 Jarasch ED: Forderung nach einem Moratorium für Keimbahn-Experimente beim Menschen (Fachbeitrag zum Moratorium)

4 Kang X, He W, Huang Y, Yu Q, Chen Y, Gao X, Sun X, Fan Y. Introducing precise genetic modifications into human 3PN embryos by CRISPR/Cas-mediated genome editing .J Assist Reprod Genet. 2016 May;33(5):581-8. doi: 10.1007/s10815-016-0710-8.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/dossier/crisprcas-das-genome-editing-ist-en-vogue