Innovation für nachhaltige Kunststoffverpackungen
Liquid Plug & Play: Ökodesignte Kunststoffverpackung – nicht nur für Ultraschallgel
Wer von uns hat sich nicht schon einmal darüber geärgert, dass in Zahnpasta, Bodylotion & Co. eine ganze Menge Rest in der Verpackung bleibt? Noch viel weitreichender ist das Problem im Gesundheitswesen, wo tonnenweise Verbrauchsmaterial wie z. B. Ultraschallgel ungenutzt in den Müll wandert, weil die Verpackung nicht vollständig entleert werden kann. Hier könnte zukünftig die Erfindung Liquid Plug & Play Abhilfe schaffen: Die Innovation aus Mehrwegaußenhülle plus Einwegproduktbeutel für Viskosen ist restlos entleerbar, vermeidet Cross-Kontamination und bietet noch vieles mehr.
Dass unser Leben nachhaltiger werden muss, wissen wir alle. Doch auch bei bestem Willen ist dies im Alltag oft gar nicht so einfach umzusetzen. Bestes Beispiel dafür sind Verpackungen. Sie machen immer noch rund 36 Prozent all unserer Siedlungsabfälle aus1), und nicht selten bleibt auch noch eine ganze Menge Produktrest in der Verpackung – z. B. bei Lotionen und Pasten. Auch im Gesundheitswesen fehlt es noch oft an geeigneten, nachhaltigen Verpackungslösungen: Beispielsweise fallen in jedem einzelnen deutschen Krankenhaus pro Jahr durchschnittlich alleine acht Tonnen zu entsorgende Kunststoffverpackungen an.2)
Mit der neuen EU-Verordnung Packaging & Packaging Waste Regulation (PPWR) sollen ab 2025 nachhaltige Verpackungen nicht länger Option bleiben, sondern zur gesetzlichen Verpflichtung werden – und zwar nicht nur, was die Entsorgung angeht, sondern auch in puncto Design und Produktion.
Nachhaltiges Re-Use-Konzept für Viskosen aller Art
Auch die Grafikdesignerin und Wirtschaftspsychologin Jule Venrath ärgerte sich in der Vergangenheit immer wieder über wenig nachhaltige Verpackungen. Dies brachte sie 2019 auf die Idee, eine innovative Kunststoffverpackung für viskose Produkte aller Art – von Ketchup über Pflegelotion und Shampoo bis hin zu Ultraschallgel oder Klebstoff - zu entwickeln. Die Umsetzung ihrer Idee ließ nicht lange auf sich warten: Sie holte sich fachliche Unterstützung, die ihrer Erfindung den letzten technischen Schliff verlieh: „Meine Idee an sich ist nicht sehr komplex, dennoch brauchte ich Unterstützung für die Feinheiten, da ich nicht vom Fach war“, berichtet sie.
Bereits kurz darauf konnte Venrath mit ihrem Unternehmen J. Venrath Venture UG ihre Erfindung zum Patent anmelden, das 2023 unter dem Markennamen Liquid Plug & Play erteilt wurde. Auch hier hatte sich die Erfinderin Unterstützung geholt: „Patentanwalt Elmar Meyer zu Bexten hat meine Idee über die letzten Jahre großartig begleitet“, so Venrath. „Außerdem war und bin ich auch auf institutionelle Hilfe angewiesen und habe diese bei Experten der Senioren der Wirtschaft und der Verpackungstechnik der Hochschule der Medien in Stuttgart bekommen.“
In der aktuellen Entwicklung sind diverse, voll funktionsfähige Prototypen der Liquid Plug & Play Smart Bottle inklusive erfolgreichem Proof of Concept. Die Verpackungsinnovation für viskose und pastenartige Produkte besteht aus einer zweiwandigen Mehrwegaußenhülle, in die ein Einwegproduktbeutel mit der gewünschten Viskose gesetzt wird. Das System ähnelt einer herkömmlichen Pumpflasche, ist aber wesentlich weniger komplex und besteht aus weniger Einzelteilen. Bei einer direkten Gegenüberstellung einer handelsüblichen Flasche und dem Einwegnachfüllbeutel werden z. B. im Falle von 300 ml Bodylotion pro 1.000 Stück ca. 30 kg Kunststoff und damit auch jede Menge CO2 eingespart.
Zudem handelt es sich um ein Airless-System, das Oxidationen des Produkts vermeidet, und bietet einen Thermoeffekt für wärme- und kältewirksame Produkte. Dadurch sind beispielsweise Viskosen aus dem Kühlschrank wesentlich länger haltbar als herkömmlich verpackte. Außerdem können die flexiblen Nachfüllbeutel platzsparend in großen Kartons gelagert werden und haben ein sehr geringes Transportgewicht, was wiederum erheblich CO2 einspart. Dabei kann nicht nur der Inhalt, sondern auch Design und Größe individuell angepasst werden. Der Preis von wenigen Euro für das Mehrwegaußensystem – je nachdem, wie komplex das Design ausfällt - ist sowohl für Hersteller als auch Kunden erschwinglich. Neben einem „Sympathie-Bias“, den Unternehmen für die Nachhaltigkeit der Verpackung verbuchen könnten, dürfte auch die Kundenbindung durch den Nachkauf der Nachfüllbeutel ein gutes Argument sein.
Geniestreich der Entwickler ermöglicht vollständige Entleerung
Durch eine spezielle Technik kann der Inhalt vollständig entleert werden. Das Prinzip dahinter ist simpel, aber verblüffend: „Durch Betätigung des Pumpmechanismus gelangt jedes Mal Luft in den Innenkörper“, erklärt Venrath. „Dieser besitzt am Boden eine Membran, die sich dadurch von unten in den Produktbeutel drückt. Je mehr Luft also in den Innenkörper gelangt, desto weiter wird der Produktbeutel nach oben bewegt. Entlang der Umstülpkante wird der Produktbeutel durch den entstehenden Anpressdruck auf die Außenwand mittig gehalten, sodass sich die untere Hälfte in die obere stülpen kann. So kann jegliche Füllung – egal, ob Salbe, Lebensmittel oder Hygieneartikel – bis auf den letzten Rest verbraucht werden.“
Ein weiteres Potenzial der Innovation ist die Digitalisierungsmöglichkeit der Liquid Plug & Play Smart Bottle. Ein E-Ink-Display in der Mehrwegaußenhülle ermöglicht sowohl Produkt- und Füllstandanzeige als auch eine sensorische Produkterkennung. Hierfür wird jeder Nachfüllbeutel mit einem Scancode versehen, die smarte Technologie der Außenhülle erkennt das Produkt beim Einlegen. Das Display kann zudem mit einem weiteren Endgerät per App gekoppelt werden, sodass Übersichten, Bestellprozesse z. B. über Abomodelle oder auch nur lediglich die Erinnerung an den Nachkauf automatisch ablaufen und individuell genutzt werden können.
Funktionsprototyp Ultraschallgel
Gestartet mit einer Kunststoffflasche für Ketchup, wurden mittlerweile mehrere unterschiedliche Funktionsprototypen entwickelt. „Nach Ketchup und Bodylotion haben wir sogar höherviskose Produkte getestet“, so die Erfinderin. „Das hat alles gut funktioniert und ist unseren Anforderungen gerecht geworden. Auch eine Ultraschallgel-Flasche hat den Test bestanden.“
Ultraschallgel wird täglich tonnenweise verbraucht. Das Gemisch gilt in verbrauchsüblichen Mengen als harmlos, allerdings wird im Sicherheitsdatenblatt3) darauf hingewiesen, dass Verpackungen nur vollständig entleert in die Umwelt gelangen sollen – die Kunststoffhülle an sich wird hier nicht betrachtet. Also ist guter Rat teuer: Denn bislang ist eine vollständige Entleerung gar nicht möglich, eine nicht unerhebliche Gelmenge wandert so in den Müll – inklusive der (eigentlich meist noch gebrauchsfähigen) Kunststoffflasche. Jedoch gilt als eigentlicher CO2-Impact das Gel selbst. Zudem ist der Dreh- und Angelpunkt das Thema Hygiene, sodass bislang eine Nachfülllösung so gut wie nicht genutzt wird, denn die Gefahr von Cross-Kontaminationen ist zu groß.
Eine Lösung für diese Problematik könnte künftig der Einsatz von Liquid Plug & Play Smart Bottles sein. Denn die Außenhülle kommt nicht in Kontakt mit dem Gel, da der Ausgabedeckel am Nachfüllbeutel sitzt, sodass es zu keinerlei Kontamination kommen kann. Nach Verbrauch wird der Einwegbeutel inklusive Ausgabedeckel vollständig entleert entsorgt. Die Außenhülle kann bei Bedarf gereinigt und sterilisiert werden.
Gerade für Produkte im Gesundheitswesen zählt nicht nur die Nachhaltigkeit des Systems, sondern auch die Zeitersparnis für das medizinische Personal, denn der Nachfüllbeutel kann durch eine einzige Handbewegung leicht ausgetauscht werden. So wäre nicht nur die Dosierflasche für Ultraschallgel, sondern ebenso Anwendungen in vielerlei Gesundheitsbereichen – auch in Altenpflegeeinrichtungen – für Salben und Cremes denkbar.
Verpackungsinnovation sucht Hersteller aus allen Branchen
Das Verpackungssystem wird aktuell in der Hochschule der Medien so optimiert, dass es baldmöglichst auch auf eine standardisierte Produktion ausgelegt werden kann. Venrath, die die Verpackung selbst nicht produzieren möchte, ist dabei, das System, den verschiedensten Herstellern vorzustellen: „Ich als Patentinhaberin offeriere den teilweisen oder vollständigen Kauf oder Lizenzierung des Schutzrechts. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen eine vollständig funktionierende technische Innovation, zu der der gesamte Forschungsstand und alle technischen Ausarbeitungen gehören, sodass die Daten dann bei den Herstellern in der Entwicklung implementiert und ein individuelles Produkt mit meiner Technik entwickelt und produziert werden kann.“
Resonanz und Interesse an der Verpackungsneuheit sind groß. Venrath sucht auch weiterhin nach Interessenten aus den verschiedensten Branchen – auch aus dem Gesundheitswesen.