3 Fragen an...
Dr. Christina Vossler-Wolf von der Klinischen Informationsstelle für Seltene Erkrankungen (KLINSE) am Universitätsklinikum Tübingen
Im Umgang mit Seltenen Erkrankungen mangelt es an medizinischen Routinen. Mit einer Klinischen Informationsstelle für Seltene Erkrankungen (KLINSE) will das Universitätsklinikum Tübingen Betroffene und behandelnde Ärzte unterstützen. Koordinatorin Dr. Christina Vossler-Wolf erklärt, wie das gelingt.
Wie entstand die Klinische Informationsstelle Seltene Erkrankungen (KLINSE)?
Die Klinische Informationsstelle für Seltene Erkrankungen haben wir am Zentrum für Seltene Erkrankungen in Tübingen ins Leben gerufen, denn wir haben festgestellt: Viele Menschen erhalten durch die Möglichkeiten von Genomsequenzierungen zwar eine Diagnose, doch die Frage nach einer geeigneten Therapie bleibt meist zunächst weiter unklar. Oft landen sie mit ihrer Diagnose bei ihrem Hausarzt oder einem Facharzt, der mit Seltenen Erkrankungen kaum Erfahrung hat. Die Mediziner müssten eine mühsame Recherche beginnen, welche Behandlungs- und Versorgungsoptionen infrage kämen und welches Zentrum eine Spezialisierung dafür anbietet. Diese Rechercheleistung will die KLINSE übernehmen: Sie stellt die Optionen in einem Informationsschreiben an den behandelnde Arzt zusammen. Dieser entscheidet dann, was zur Anwendung kommt.
Welche Fachkräfte arbeiten im Zentrum daran, die Empfehlungen zusammenzustellen und wie sind sie spezialisiert?
Das Informationszentrum ist mit zwei Ärztinnen besetzt: zwei Pädiaterinnen mit Schwerpunkt Neurologie und Neonatologie, die als Kinderärztinnen gearbeitet haben, eine von ihnen auch in einem Sozialpädiatrischen Zentrum. Kinder sind die Personengruppe, zu der wir die meisten Fälle bearbeiten. Der Service der KLINSE steht jedoch allen offen – und man muss keine bestimmte Seltene Erkrankung haben. Was sich herausgestellt hat im Laufe unserer Arbeit: Es sind die sehr Seltenen Erkrankungen, die bei uns landen; also solche, bei denen es vielleicht fünf Betroffene in Deutschland oder Europa gibt. Dafür geeignete Therapieoptionen zu finden, ist natürlich um ein Vielfaches schwieriger.
Wie können Betroffene in Baden-Württemberg versorgt und behandelt werden?
Es gibt in Baden-Württemberg vier Zentren für Seltene Erkrankungen. In diesen Zentren gibt es jeweils verschiedene Erkrankungsgruppen, die dort speziell behandelt werden können. Wir versuchen immer, möglichst wohnortnah eine Versorgung zu finden. Doch es kann sein, dass uns eine Anfrage erreicht, die so selten ist, dass es in Baden-Württemberg dafür keine Spezialambulanz bzw. kein Spezialzentrum gibt. Dann recherchieren wir auch in anderen Bundesländern. Im Feld der Seltenen Erkrankungen gibt es zudem viele Initiativen – zum Beispiel die sogenannten Europäischen Referenznetzwerke –, die versuchen, Zentren und Experten aus ganz Europa miteinander zu vernetzen. Unsere Ärztinnen recherchieren zudem weltweit Literatur und stoßen dabei auf Experten, zum Beispiel in den USA, die sie bei Bedarf direkt anschreiben, um Informationen zu beschaffen. Auch solche Kontakte aufzubauen und an die behandelnden Ärzte zu vermitteln ist Teil unseres Services.
Rund vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer seltenen Erkrankung, also Krankheiten von denen nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind. Beispiele sind etwa das Asperger Syndrom, also eine autistische Entwicklungsstörung, oder die Autoimmunhepatitis, bei der das Abwehrsystem die Leber angreift und Entzündungen verursacht. Zum Tag der seltenen Erkrankungen stellen wir die Klinische Informationsstelle für Seltene Erkrankungen (KLINSE) vor, die unter dem Dach des Forum GSBW gefördert wird.