360 Millionen Euro für Projekte zur Verbesserung der Prävention, Diagnose und Therapie seltener Erkrankungen
7.000 bekannte seltene Erkrankungen (SE) betreffen mehr als 300 Million Menschen weltweit – 30 Million davon in Europa. Für 95 Prozent der Erkrankten gibt es keine Therapieoptionen und circa 50 Prozent aller Betroffenen haben bisher keine gesicherte molekulare Diagnose. „ERDERA“, die neue EU-Forschungspartnerschaft startet zum 1. September 2024 und bringt alle relevanten Stakeholder aus dem SE-Bereich zusammen. „ERDERA“ steht für „European Rare Diseases Research Alliance“ („Europäische Forschungspartnerschaft zu seltenen Erkrankungen“). Ziel ist, die Gesundheit und das Wohlergehen der 30 Millionen Menschen, die in Europa mit einer seltenen Erkrankung leben, durch bessere Prävention, Diagnose und Therapiemöglichkeiten zu verbessern. Das Programm ist auf sieben Jahre angelegt und hat insgesamt ein Budget von 360 Millionen Euro. Für die ersten drei Jahre sind über 140 Millionen Euro vorgesehen.
ERDERA basiert auf Strukturen und Erkenntnissen früherer Vorhaben, unter anderem Solve-RD, einem Forschungsprogramm zur Diagnostik seltener Erkrankungen, das in den letzten sechs Jahren durch die Universität Tübingen geleitet wurde.
175 Institutionen aus 37 Ländern sind an ERDERA beteiligt. Koordiniert wird die Partnerschaft von INSERM, dem französischen Nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung. Finanziert wird ERDERA gemeinsam durch die EU aus Mitteln von Horizont Europa, dem Europäischen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, und die jeweiligen Partnerländer.
Während die Partnerländer insbesondere in multinationale Ausschreibungen für kollaborative Forschungsprojekte investieren, fokussiert die EU Finanzierung auf Forschung im sogenannten Clinical Research Network und Forschungsunterstützung wie beispielsweise der Entwicklung von innovativen Grundlagenprogrammen, Pilotprojekten und Methodenentwicklung, welche neue Wege in der Therapie und Diagnostik von Seltenen Erkrankungen in den kommenden Jahren eröffnen könnten. Gleichzeitig wird in Training und (Weiter-)Entwicklung von Datenstrukturen investiert.
Tübinger Beteiligung
Aus Tübingen sind das Zentrum für Seltene Erkrankungen, das Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik sowie das Hertie Institut für Klinische Hirnforschung an der Partnerschaft beteiligt. Das Zentrum für Seltene Erkrankungen bzw. das Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik leiten in ERDERA die diagnostische Forschung. Das Hertie Institut für klinische Hirnforschung wird substantiell zur Entwicklung von neuen Studienendpunkten (Outcomes) und statistischen Analysemodellen beitragen, die für die Messung von Therapieeffekten benötigt werden. Der besondere methodische Fokus liegt hier auf kleinsten Fallzahlen, wie sie bei seltenen Erkrankungen zumeist vorliegen. Im Arbeitspaket zur Entwicklung neuer innovativer und individualisierter Therapien, in diesem Fall den RNA-Therapien, das vom Hertie Institut gemeinsam mit der Universität Leiden aus den Niederlanden geleitet wird, arbeiten alle beteiligten Tübinger Institutionen zusammen. In den ersten drei Jahren fließen zunächst 2 Millionen Euro aus der EU-Förderung in die Tübinger Forschungsaktivitäten.
„ERDERA ist das größte Projekt seiner Art und ein wissenschaftlicher und forschungsstruktureller Meilenstein“, sagt Dr. Holm Graessner, Geschäftsführer des Zentrums für Seltene Erkrankungen und Co-Leiter des Clinical Research Networks in ERDERA. „Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir die erfolgreiche Re-Analyse ungelöster Exom- und Genomdaten, wie wir sie in Solve-RD entwickelt haben, skalieren und auf ein neues wissenschaftliches und gesamteuropäisches Level heben.“
Prof. Dr. Matthis Synofzik, Forschungsgruppenleiter am Hertie Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen: „Wir planen, für die individualisierte Therapieentwicklung für unsere Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen eine Plattform zu etablieren, die es uns erlaubt, einerseits höchst individualisierte Therapien zu entwickeln, die oftmals nur auf einen einzelnen Betroffenen zugeschnitten sind. Dieses aber andererseits für viele einzelne Patientinnen und Patienten gleichzeitig zu tun.“