Entgegen der landläufigen Meinung sind Krebszellen keineswegs unsterblich und können sich auch nicht unbegrenzt teilen: Reife Krebszellen, die den größten Anteil eines Tumors ausmachen, teilen sich schnell, doch nach einer Anzahl von Zellteilung ist ihre Kapazität erschöpft. Anders dagegen die Krebsstammzellen: Auch sie sind nicht unsterblich, können aber über Jahrzehnte hinweg Nachschub an reifen Tumorzellen liefern. Krebsstammzellen ruhen zumeist, teilen sich nicht und entgehen dadurch der Wirkung vieler Krebstherapien. Daher kommt es nach einer zunächst scheinbar erfolgreichen Therapie oft zum Krebsrückfall.
Krebsstammzellen sind sehr selten und daher sehr schwer zu isolieren und zu untersuchen. Überdies sind sie nahe verwandt mit normalen Stammzellen, die die Regenerationsfähigkeit der Gewebe gewährleisten. Das erschwert die Entwicklung von dringend benötigten Medikamenten, die sich gezielt gegen die Krebsstammzellen richten, ohne dabei den wichtigen Gewebestammzellen zu schaden.
Das internationale Team hat eine Methode entwickelt, mit der Krebsstammzellen, reife Krebszellen und gesunde Gewebestammzellen voneinander unterschieden werden können. Dazu messen die Forscher sowohl die Krebs-Mutationen im Erbgut der Zellen als auch die Genexpression in derselben Zelle: Das Expressionsprofil zeigt an, ob es sich um Stammzellen oder um reife Zellen handelt. Das Mutationsprofil dagegen unterscheidet Krebsstammzellen und die daraus hervorgehenden reifen Krebszellen, so genannte Krebsklone, von gesunden Zellen.
Bei dem als MutaSeq bezeichneten Verfahren untersuchen die Wissenschaftler tausende von Einzelzellen parallel und sammeln dabei genomweite Informationen. Die Technik ermöglicht, schnell ein sehr detailliertes molekulares Profil komplexer Gewebe und Krebsarten zu erstellen und eröffnet so die Möglichkeit für völlig neue Forschungsansätze.
Die Wissenschaftler nutzten die Methode zunächst, um Knochenmarkszellen von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML) zu untersuchen. Dabei konnten sie normale Blutstammzellen sowie leukämische Stammzellen identifizieren, außerdem die Vorläufer der Leukämiestammzellen. Darüber hinaus konnten sie Vorläuferzellen, die aus den Teilungen der gesunden Blutstammzellen hervorgehen, von leukämischen Blasten, die aus den Teilungen der Leukämiestammzellen hervorgehen, unterscheiden.
Dabei fielen ihnen unter anderem Leukämiestammzellen auf, die mit den gesunden Blutstammzellen extrem eng verwandt waren. Das verdeutlicht die große Schwierigkeit, Wirkstoffe zu entwickeln, die spezifisch Krebsstammzellen angreifen, aber den gesunden Blutstammzellen nicht schaden. Jedoch stießen die Wissenschaftler bei ihren Analysen auch auf ein interessantes Gen, das in allen Leukämievorläufern, nicht aber in gesunden Blutstammzellen eine Rolle spielt und daher nähere Untersuchung rechtfertigt.
Das Team aus Heidelberg und Barcelona geht davon aus, dass sich die MutaSeq-Methode auch für die Einzelzell-Analyse anderer Tumoren eignet.