Bildgebung: Schonender Röntgenblick in winzige lebende Proben
Ein neues System zur Röntgenbildgebung, das sich für lebende Proben, aber auch für empfindliche Materialien eignet, haben Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammen mit Partnern in ganz Deutschland entwickelt. Mit ihm wird es möglich, Bilder mit mikrometergenauer Auflösung bei möglichst geringer Strahlendosis aufzunehmen. In einer Pilotstudie erprobten die Forschenden das Verfahren an lebenden parasitischen Wespen und konnten diese über 30 Minuten lang beobachten. Sie berichten in der Zeitschrift Optica.
Röntgenbildgebung kann verborgene Strukturen und Prozesse in lebenden Zellen und Organismen sichtbar machen. Die Strahlung, die aus sehr energiereichen elektromagnetischen Wellen besteht, wirkt allerdings ionisierend und kann das Erbgut schädigen. Dies schränkt den möglichen Beobachtungszeitraum ein. Konventionelle Röntgenaufnahmen liefern bei weichem Gewebe nur geringen Kontrast. Phasenkontrastmethoden hingegen erlauben es, deutlich stärkere Bildkontraste zu erzeugen und die Strahlendosis zu reduzieren. Mit zunehmender Auflösung wird eine schonende Abbildung jedoch immer schwieriger, da eine höhere Dosis benötigt wird. Zudem nimmt die Effizienz von üblicherweise eingesetzten hochauflösenden Detektoren ab, wodurch sich die Strahlenbelastung weiter erhöht. Bislang ist die hochauflösende Röntgen-Phasenkontrast-Darstellung lebender biologischer Proben nur für einige Sekunden bis Minuten möglich, bevor es zu schweren Strahlenschäden kommt.
Forschende am Laboratorium für Applikationen der Synchrotronstrahlung (LAS), am Institut für Photonenforschung und Synchrotronstrahlung und am Physikalischen Institut des KIT haben nun ein Verfahren entwickelt, das die Strahlung noch effizienter einsetzt und mikrometergenau aufgelöste Bilder liefert. Es eignet sich sowohl für lebende Proben als auch für empfindliche Materialien und eröffnet neue Möglichkeiten für Biologie, Biomedizin und Materialwissenschaften. Das neue System kombiniert Röntgen-Phasenkontrast mit einem sogenannten Bragg-Mikroskop und einem photonenzählenden Detektor.
Röntgenbild direkt vergrößert
„Statt das Röntgenbild in ein Bild mit sichtbarem Licht umzuwandeln und es anschließend zu vergrößern, vergrößern wir es direkt“, erklärt Rebecca Spiecker, Doktorandin am LAS des KIT. „Dieser Ansatz erlaubt es uns, hocheffiziente großflächige Detektoren einzusetzen.“ Die Forschenden verwenden einen photonenzählenden Detektor mit einer Pixelgröße von 55 Mikrometern. Zuvor wird das Röntgenbild hinter der Probe mit einem sogenannten Bragg-Mikroskop vergrößert, wodurch für die Probe selbst eine Auflösung von etwa einem Mikrometer erreicht wird. Das Bragg-Mikroskop besteht aus zwei perfekten Siliziumkristallen, die eine Vergrößerung durch asymmetrische Beugung am Kristallgitter des Siliziums bewirken. Ein weiterer großer Vorteil des Bragg-Mikroskops besteht in seiner sehr günstigen optischen Bildübertragung. Sie ermöglicht es, alle Ortsfrequenzen bis zur Auflösungsgrenze nahezu verlustfrei abzubilden.
Parasitische Wespen über 30 Minuten lang beobachtet
Durch die Kombination von propagationsbasiertem Röntgen-Phasenkontrast mit dem Bragg-Mikroskop und dem photonenzählenden Detektor, alle für eine Röntgenenergie von 30 Kilo-Elektronenvolt (keV) optimiert, erreicht das Verfahren nahezu die maximal mögliche Dosiseffizienz für Röntgen-Phasenkontrast. Dies gestattet wiederum deutlich längere Beobachtungszeiten bei einer mikrometergenauen Bildauflösung kleiner lebender Organismen. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz Deutschland demonstrierten die Forschenden das Verfahren in einer Pilotstudie an winzigen parasitischen Wespen. Mehr als 30 Minuten lang beobachteten sie jeweils die Wespen in ihren Wirtseiern und wie sie sich aus diesen befreien. „Die Methode eignet sich auch für biomedizinische Anwendungen, beispielsweise zur schonenden dreidimensionalen histologischen Untersuchung von Proben bei Biopsien“, sagt Spiecker. In Zukunft wollen die Forschenden den Aufbau weiter verbessern, um beispielsweise das Gesichtsfeld zu vergrößern und die mechanische Stabilität für noch längere Messungen weiter zu steigern.