Bei diesem Deep-Dive-Workshop im Rahmen des Projekts „ProbenMaterialCenterBW“, das vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg gefördert wird, kamen auf Einladung von BioLAGO und NMI rund 20 Interessierte in Reutlingen zusammen, um gemeinsam Lösungsansätze für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Klinik und Gesundheitsindustrie zu erörtern.
Anhand eines spannenden Fallbeispiels, vorgestellt von Dr. Natalie Garzorz-Stark, Dermatologin und Geschäftsführerin der Dermagnostix GmbH aus Freiburg, wurden zentrale Aspekte beleuchtet, die für eine fruchtbare Kooperation zwischen Klinikvertretern und Industriepartnern von Bedeutung sind. „Als junges Innovationsunternehmen ist der fehlende Zugang zu geeigneten Patientenproben, die für die Gewährleistung der Sicherheit und Leistung unserer medizinischen Produkte unerlässlich sind, für uns eine große Hürde. Der Workshop hat gezeigt, dass das Förderprojekt ProbenMaterialCenterBW das Potenzial hat, Unternehmen zu helfen geeignete Klinikpartner zu finden, so dass bestehende Produkte verfügbar bleiben und neue Produkte auf den Markt kommen können“, erklärt Dr. Garzorz-Stark.
Wertvolle Expertise aus Klinik, Industrie und von Patientenseite vorgestellt
Damit die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Industrie gelingen kann, wurde bei dem Workshop in einem Vortrag von Dr. Dietmar Schaffarczyk, Regulatory Experte an der ETH Zürich und Geschäftsführer des Medizintechnikunternehmens stimOS GmbH dargelegt, welche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Ethikantrag geschaffen werden müssen.
Im Anschluss präsentierte Prof. Andreas Nüssler in einem persönlichen Erfahrungsbericht, wie Kliniken und Industrievertreter auf Augenhöhe kooperieren können, so dass eine faire Zusammenarbeit gelingen kann. „Ein wichtiger Punkt in der biologischen Materialbereitstellung für Forschung und Industrie ist der, dass z.B. die Gewebeasservierung in Kliniken eine zusätzliche Aufgabe ist und Kliniken nicht nur als ‚Gewebelieferanten‘ sondern als gleichwertige Partner angesehen werden. Denn die zentrale Aufgabe einer Klinik ist die Versorgung ihrer Patienten. Als Leiter des Siegfried Weller Instituts für unfallmedizinische Forschung an der BG Klinik Tübingen hat für mich das Patientenwohl oberste Priorität. Wenn Kliniken und Gesundheitsunternehmen als Partner zusammenfinden und dabei Innovationen im Bereich Diagnostik und Medizintechnik entwickelt werden, kann daraus ein Mehrwert für Ärzte und Patienten entstehen“, so Prof. Nüssler.
Darüber hinaus machte der Workshop deutlich, dass die Einwilligungserklärung des Patienten zur weiteren Verwendung von Proben, der sogenannte Broad Consent, eine unabdingbare Voraussetzung für die Abgabe von Probenmaterial und Explantaten zum Zwecke der medizinischen Forschung und Entwicklung darstellt. Ergänzend referierte Mina Luetkens, Gründerin der Patientenvertretung „Patients4Digital“, darüber, wie es durch frühzeitige Aufklärung gelingen kann, Patienten davon zu überzeugen, persönliches biologisches Material zur Nutzung für die Erforschung und Entwicklung besserer Gesundheitsprodukte freizugeben. Den Abschluss bildete ein Vortrag von Friederike Zängle von der BIOPRO Baden-Württemberg GmbH, die den „Klinische Studien-Lotsen BW“ vorstellte, eine Plattform auf der Basis der MDR & IVDR Soforthilfe des Landes Baden-Württemberg, die als zentrale Informationsdrehscheibe den Zugang zu klinischen Studienzentren erleichtern soll.
Zukunftsweisende Patientenversorgung und Innovationsförderung gleichermaßen im Visier
„Mit dem ProbenMaterialCenterBW bauen wir gemeinsam mit unseren Partnern vom NMI dringend benötigte Brücken zwischen medizinischen Versorgungseinrichtungen und der produzierenden Gesundheitsindustrie. Dabei ist es uns wichtig, sowohl die rechtlichen Rahmenbedingen als auch das faire Miteinander aller Akteure im Blick zu behalten. Der Deep-Dive-Workshop hat uns neue wichtige Impulse und Einblicke gegeben, die wir bei der weiteren Umsetzung unseres Vorhabens umsetzen werden“, erklärt Prof. Martin Elmlinger, Vorstandsvorsitzender des BioLAGO e.V. und Moderator der Veranstaltung, der das Projekt fachlich und inhaltlich begleitet.
„Ziel unseres Förderprojekts ist es, einen nachhaltigen Beitrag zur Stärkung der Innovationskraft der Gesundheitsunternehmen in Baden-Württemberg zu leisten. Die vielseitigen Diskussionen des Deep-Dive-Workshops haben uns gezeigt, dass wir die differenzierten Bedürfnisse der Unternehmen ebenso in den Aufbau des ProbenMaterialCenterBW einbeziehen müssen wie die Möglichkeiten und Grenzen, die der Klinikalltag vorgibt. Wir sind davon überzeugt, dass der Austausch von Probenmaterial aus der Klinik an die Industrie den Patienten zugutekommt, denn nur so können langfristig neue Medizintechnik- und Diagnostikprodukte für eine noch bessere Gesundheitsversorgung entstehen und die bestmöglich Produktsicherheit gewährleistet werden“, erklärt Dr. Hanna Hartmann, Bereichsleiterin Biomedizin & Materialwissenschaften sowie Gruppenleiterin für regenerative Biomaterialien am NMI, abschließend.
Herausforderungen der Digitalisierung anpacken
Unterstützung durch Digitalisierung mit dem European Digital Innovation Hub (EDIH Südwest) ist hier ein Schlüssel, um die vielfältigen Ansprüche der verschiedenen Partner befriedigen zu können. Der Zugang zum Probenmaterial soll möglichst einfach sein und möglichst wenig zusätzliche Ressourcen in den Kliniken binden, deren oberste Aufgabe die Patientenversorgung ist. Wichtig ist es auch Doppelstrukturen zu vermeiden und bestehende Strukturen zu nutzen. Nur so kann eine Akzeptanz für das ProbenMaterialCenterBW geschaffen werden.
Der EDIH Südwest ist die zentrale Anlaufstelle im Südwesten Baden-Württembergs, um Unternehmen, Gründer und den öffentlichen Sektor dabei zu unterstützen, dynamisch auf die digitalen Herausforderungen zu reagieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Der EDIH Südwest wird durch das Programm „Digitales Europa“ der Europäischen Union (Projektnummer 101083741), dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus zusammen mit dem Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen des Landes Baden-Württemberg sowie weiteren nationalen Fördermitteln kofinanziert.