Seit einigen Jahren bereichern bispezifische Antikörper (BiMAb: bispecific monoclonal antibodies) die Krebsimmuntherapie. Das sind Antikörper, die zwei verschiedene Antigenbindestellen besitzen. Mit der einen docken sie an ein tumorspezifisches Molekül auf Krebszellen an. Mit der anderen heften sie sich an ein Antigen, das auf der Oberfläche von Immunabwehrzellen lokalisiert ist. Durch die Brückenfunktion der bispezifischen Antikörper werden Krebs- und Abwehrzelle miteinander in physischen Kontakt gebracht, so dass das Immunsystem den Tumor gezielt angreifen kann und ihn im Idealfall schließlich zerstört.
Im Kampf gegen Blutkrebs haben sich BiMAb bereits in bestimmten Erkrankungssituationen als hochgradig wirksam erwiesen. Experimente zur Bekämpfung solider Tumoren wie Brustkrebs, schwarzer Hautkrebs oder Knochenkrebs waren dagegen bisher weniger erfolgreich.
Forschern des Deutschen Krebsforschungszentrums unter der Leitung von Frank Momburg ist es zusammen mit einer Arbeitsgruppe von Dirk Jäger, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, gelungen, BiMAb zu entwickeln, die in der Zellkulturschale gezielt die Immunabwehr aktivieren. Selbst an millimetergroßen kugeligen Zellverbänden aus Brustkrebszellen, so genannten Organoiden, konnten die Wissenschaftler diesen Effekt erzielen.
Sie konstruierten dazu eine Reihe von Antikörpervarianten, die sich jeweils gegen ein für Brustkrebs charakteristisches Antigen richteten und außerdem gegen das T-Zell-Molekül CD3. Die Bindung der Antikörper regte die T-Zellen dazu an, Botenstoffe auszuschütten, und aktivierte zellabtötende Mechanismen. „Die Kunst dabei ist es, bispezifische Antikörper gegen Tumorantigene und CD3 herzustellen, die so selektiv sind, dass sie ausschließlich am Tumorgewebe wirken, nicht aber das umliegende gesunde Gewebe angreifen", erklärt Momburg. „Das ist nicht trivial, da viele Tumorantigene in geringem Maße auch in gesundem Gewebe vorkommen."
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass Zellen solider Tumoren anders als Blutkrebszellen für Antikörper physisch schwer zugänglich sind. Außerdem wirkt das Milieu, das die Tumoren umgibt, meist immunsuppressiv, was die Abwehrmechanismen zusätzlich ausbremst. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die T-Zellantwort am Tumor zu verstärken, verwendeten Karsten Warwas und Kollegen zusätzliche bispezifische Antikörper, die den Kontakt zwischen weiteren Molekülpaaren auf der Tumor- und der T-Zelle herstellen. Diese Verstärker-Antikörper aktivieren die T-Zellen nicht direkt, verstärken das Signal der aktivierenden BiMAbs jedoch durch "Ko-Stimulation". Damit konnte die Dosis des T-Zell-aktivierenden BiMAb auf ein Minimum reduziert werden. Das kann in einer therapeutischen Situation helfen, toxische Nebenwirkungen von Antikörpern durch eine überschießende Ausschüttung von Botenstoffen zu vermeiden.
Die Laborexperimente mit Brustkrebs-Organoiden zeigten, dass die Kombination aus Brücken- und Verstärkerantikörper in der Lage war, T-Zellen gezielt zu mobilisieren, und zwar nur in Proben, in denen sich auch Krebszellen befanden, die das Tumorantigen trugen. „Die T-Zellaktivierung fand also nur dann statt, wenn beide Zelltypen – Tumorzellen und T-Zellen – in engem zeitlichen und räumlichen Abstand aufeinandertrafen. Das ist mit Blick auf eine spätere Anwendung am Menschen ein ganz entscheidender Sicherheitsaspekt", so Momburg.
Die neue Methode kann möglicherweise einmal Anwendung in der Krebsimmuntherapie finden, muss jetzt aber zunächst noch weiter erprobt werden, bevor sie in klinische Studien Eingang findet. Frank Momburg erklärt: „In unserem Ansatz ergänzen sich stimulierende und kostimulierende BiMAb. Dieses Prinzip könnte für die Behandlung solider Tumoren mit spärlich ausgeprägten Tumorantigenen von Vorteil sein."