Chan Zuckerberg Initiative fördert Suche nach Therapie für die seltene neurologische Erbkrankheit PCH2
Die pontozerebelläre Hypoplasie Typ 2, kurz PCH2, ist eine seltene neurologische Erkrankung. Sie geht mit schwersten Entwicklungsstörungen und eingeschränkter Lebenserwartung einher. Um eine geeignete Therapie für die Erkrankung zu finden, haben sich nun Forschende aus Tübingen und Freiburg mit der Elterninitiative „PCH-Familie e.V.“ zusammengeschlossen. Im Projekt „PCH2cure“ werden sie die Krankheit in den kommenden vier Jahren intensiv erforschen. Dabei werden sie sich auf Themen konzentrieren, die für die Lebensqualität der Betroffenen von hoher Bedeutung sind, so Studienleiterin Dr. Simone Mayer vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung, dem Universitätsklinikum (Tübingen) und der Universität Tübingen. Das Projekt wird mit zwei Millionen US-Dollar (entspricht aktuell 1,93 Millionen Euro) von der Chan Zuckerberg Initiative gefördert, wie die gemeinnützige Stiftung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg und seiner Ehefrau Dr. Priscilla Chan nun bekannt gegeben hat. In der aktuellen Ausschreibungsrunde ist es das einzige Projekt außerhalb der USA, das unterstützt wird.
„PCH2 ist eine der pflegeintensivsten neurologischen Erkrankungen. Die Patientinnen und Patienten leben mit schweren Beeinträchtigungen, und die Krankheit hat enorme Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien“, berichtet Privatdozent Dr. Samuel Gröschel, Oberarzt in der Abteilung Neuropädiatrie des Tübinger Universitätsklinikums und einer der klinischen Forschenden im Projekt.
Grund für die Erkrankung sei ein Genfehler, der dazu führe, dass sich bestimmte Teile des Gehirns nicht richtig entwickeln. „Die zugrundeliegenden Mechanismen sind noch nicht genau bekannt. Daher können wir nur die Symptome medikamentös behandeln, wie etwa die außergewöhnliche Reizbarkeit und Unruhe der Kinder und ihre Anfälle“, ergänzt Professorin Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, emeritierte Direktorin der Tübinger Neuropädiatrie. Eine Heilung oder Therapie, die an der Ursache der Erkrankung ansetzt, gebe es bislang nicht.
Das will das interdisziplinäre Forschungsteam nun ändern. In Vorarbeiten haben Studienleiterin und Biologin Dr. Simone Mayer und ihr Team bereits Hirnorganoide aus den Hautzellen mehrerer Patientinnen und Patienten entwickelt. Das sind dreidimensionale Zellkulturen, die natürlichem Gewebe stark ähneln. An ihnen lassen sich Funktionsstörungen gut rekonstruieren.
„Die medizinische Grundlagenforschung hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte mithilfe von Organoiden erzielt“, sagt Studienleiterin und Biologin Dr. Simone Mayer vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung. „Sie bieten die Chance, Krankheitsmechanismen in der Petrischale zu modellieren, in sie einzugreifen und sie dadurch besser zu verstehen.“ Im nun anlaufenden Projekt nutzen die Forschenden Hirnorganoide, um diie zellulären und molekularen Mechanismen der PCH2-Erkrankung besser zu verstehen. Darüber hinaus wird auch moderne Bildgebung eingesetzt, um Gehirne von Betroffenen zu untersuchen und somit die Krankheit auf Systemebene zu analysieren.
„Wir sind optimistisch, dass unsere Studie langfristig hilft, die Lebensqualität der betroffenen Kinder und ihrer Angehörigen zu verbessern und ihre Lebenserwartung zu verlängern“, so Kinderärztin Dr. Wibke Janzarik von der Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen des Universitätsklinikums Freiburg. Das Projekt „PCH2cure“ wurde vom Elternverein „PCH-Familie e.V.“ initiiert. Die enge und standortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Medizinerinnen und Medizinern und den Familien spielt dabei eine Schlüsselrolle. „Das ist in dieser Form neu und könnte als Modell für andere Forschungsprojekte dienen“, sagt Mayer.
Die Chan Zuckerberg Initiative unterstützt daher nicht nur die reine Forschungsarbeit: Rund 400.000 US-Dollar (derzeit rund 387.000 Euro) der gesamten Fördersumme fließen direkt an den Verein. „Die Zahl der Erkrankten beträgt deutschlandweit weniger als hundert Personen. Wir möchten PCH2 bekannter machen und das Wissen darüber erweitern“, erklärt Dr. Julia Matilainen, Projektleiterin im Verein und Mutter eines kleinen Patienten. „Die Finanzierung ermöglicht uns, die Patientengemeinschaft weltweit zu erreichen und in das Forschungsprojekt einzubeziehen.“