Patienten mit chronischen Muskel- und Gelenkschmerzen sollen sich zukünftig stärker an der klinischen Schmerzforschung beteiligen können und einen einfacheren Zugang zu Therapiestudien erhalten. Das ist das Ziel der nun eröffneten „Studienambulanz für Klinische Schmerzforschung“ der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg. In der Studienambulanz wird – nach einem telefonischen Vorgespräch – bei einem Termin vor Ort von Studienärzten geprüft, ob der Interessent oder die Interessentin für die Teilnahme an einer von aktuell vier laufenden Studien der Klinik in Frage kommt und aufgenommen werden kann. Ein zusätzliches Angebot der Studienambulanz ist ein gemeinsames gruppentherapeutisches Coaching für alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. Unter dem Motto „Gemeinsam gegen den Schmerz“ helfen Ärzte und Psychologen den Betroffenen dabei, selbst Experten für ihren Schmerz zu werden. „Schmerzpatienten ist nicht dadurch geholfen, ihnen zu sagen, was sie richtig oder falsch machen. Viel wichtiger ist es, ihnen Wissen und Techniken zu vermitteln, besser mit ihren individuellen Schmerzen umgehen und selbst entscheiden zu können, was gut für sie ist“, erläutert Prof. Dr. Jonas Tesarz, Leiter der Studienambulanz. Wichtige Impulse sollen dazu auch die neuen Erkenntnisse aus den Studien liefern, über die bei diesen Gelegenheiten informiert wird. Sämtliche Angebote sind für die Teilnehmenden kostenlos.
Neu angelaufen ist an der Heidelberger Studienambulanz eine Studie des nationalen Forschungsverbunds „PerPAIN“ zur personalisierten Schmerztherapie. Es werden noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit chronischen muskuloskelettalen Schmerzerkrankungen wie unspezifischen Rückenschmerzen, Arthritis oder Fibromyalgie gesucht. Bei vielen Patienten liegen dem chronischen Schmerz unabhängig von der Grunderkrankung körperliche, seelische und soziale Wechselwirkungen zugrunde. „Diesem Zusammenspiel wollen wir mit individuell zugeschnittenen Therapiekonzepten begegnen. Im Rahmen der Studie sollen daher personalisierte Therapieansätze entwickelt und geprüft werden“, so Tesarz. Neben Schmerzpatienten werden auch gesunde Probanden gesucht, die als Vergleichsgruppe herangezogen werden.
Brückenschlag zwischen Grundlagenwissenschaften und Patientenversorgung
Die Heidelberger Studienambulanz für Klinische Schmerzforschung (HeiSiS) gehört zur Sektion für Integrierte Psychosomatik unter Leitung von Prof. Dr. Wolfgang Eich an der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Universitätsklinikum Heidelberg. Unter ihrem Dach werden im Rahmen verschiedener Studien innovative Ansätze zur nicht-invasiven und nicht-medikamentösen Diagnostik und Therapie sogenannter muskuloskelettaler Schmerzen, z.B. unspezifischer Rückenschmerzen, Muskelschmerzen, Fibromyalgie, psychisch bedingter Schmerzstörungen oder chronischer Schmerzen bei Leistungssportlern, erforscht und bewertet. Dabei kommen neben bildgebenden Verfahren (MRT), genetischen Analysen, Fragebögen und neurophysiologischen Tests vor allem auch innovative Technologien wie App-basierte Interventions- und Virtual-Reality-Tools, oder das sogenannte Eye-Movement-Desensitization-Reprocessing zum Einsatz.
Eine Besonderheit der Studienambulanz ist die enge Verzahnung von Grundlagenwissenschaft und Patientenversorgung: Es besteht eine Anbindung an den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten und von Heidelberg aus koordinierten Sonderforschungsbereich „Von der Nozizeption zum chronischen Schmerz“, an das Zentrum für innovative Psychiatrie- und Psychotherapieforschung (ZIPP) am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim sowie dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungskonsortium PerPAIN. Ziel von PerPAIN ist es, mithilfe personalisierter Therapien die Behandlung chronisch muskuloskelettaler Schmerzerkrankungen zu verbessern.
Neben der Stärkung der klinischen Forschung sollen zukünftig auch die Interessen der Patienten mehr in den Vordergrund rücken. Daher stehen die Mitarbeiter der Studienambulanz im engen Austausch mit Patientenvertretern sowie der „Unabhängigen Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland (UVSD) SchmerzLOS e.V.“. Die Zusammenarbeit soll sicherstellen, dass Patienten mehr Nutzen von ihrer Teilnahme an Studien haben und zukünftig besser in den Erkenntnisgewinn aus Studien miteinbezogen werden, beispielsweise in Form eines Coachings wie an der Heidelberger Klinik. „Am Ende soll eine Win-Win-Situation mit Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten entstehen“, so Tesarz.