Der Sommerempfang, der gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik e. V. und der Technologieparks Tübingen-Reutlingen (TTR) GmbH veranstaltet wurde, bot am vergangenen Donnerstagabend endlich wieder einmal eine Gelegenheit, das große Netzwerk der BioRegio STERN Management GmbH zu erleben, die jüngst ihre Gründung vor 20 Jahren feiern konnte. Ein eindrückliches Bild von der lebendigen Life-Sciences-Szene lieferte auch die neue Landkarte der BioRegion STERN, die beim Empfang in Reutlingen präsentiert wurde: Mehr als 400 Profile verteilen sich unter anderem auf die Kategorien Biotechnologie, Medizintechnik, Engineering und Digital Health/IT.
Im Rahmen dieses regionalen Branchentreffens von Unternehmern, Wissenschaftlern, Investoren und Politikern fand die Preisverleihung des Science2Start Wettbewerbs statt. Zum 13. Mal wurden wirtschaftlich aussichtsreiche Life-Sciences-Ideen von Wissenschaftlern und Gründern aus der Region ausgezeichnet. Für Prof. Dr. Thomas Gottwald, Mitglied des Aufsichtsrats und Anteilseigner der Ovesco Endoscopy AG, der die Keynote hätte halten sollen, jedoch kurzfristig absagen musste, sprang Dr. Christian Lindemann von Voelker & Partner Rechtsanwälte Steuerberater Wirtschaftsprüfer ein, die die Preisgelder in Höhe von insgesamt 5.500 Euro ausgelobt hatten. „Neugier verbindet uns alle, die jungen Unternehmer stehen hier, weil sie neugierig waren an einem bestimmten Punkt und nach wie vor neugierig sind“, sagte Dr. Lindemann an die Preisträger gerichtet. „Ich selber habe das Privileg, an dieser Neugier teilhaben zu dürfen und heute schon zu erfahren, was morgen oder übermorgen Thema sein wird. Die Neugier treibt Sie täglich an, das Thema Gesundheit für Menschen voranzubringen. Was kann es Schöneres geben?“
Anschließend wurden diese vier Teams aus der BioRegion STERN ausgezeichnet:
1. Platz „TWYCE – 2 Zielmoleküle auf Krebszellen + 2 Signale für T Zellen: Game Changer in der Krebsimmuntherapie für solide Tumore“
Dr. Martin Pflügler, Prof. Dr. Gundram Jung und Prof. Dr. Helmut Salih aus der am Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) angesiedelten klinischen Kooperationseinheit Translationale Immunologie entwickeln eine neue Therapie zur Behandlung insbesondere von soliden Tumoren, wo Immuntherapien bislang meist scheitern. Die Forscher arbeiten daran, sogenannte T Zellen, die potentesten Zellen der Immunabwehr, gezielt gegen Krebszellen zu aktivieren. Im Rahmen der zu gründenden Firma TWYCE wird ein einzigartiger kombinatorischer Ansatz verfolgt, bei dem zwei funktionell miteinander interagierende bispezifische Antikörper eingesetzt werden, um die gegenwärtigen Herausforderungen hinsichtlich Wirkung und Reduktion der Nebenwirkungen einer T Zell-basierten Immuntherapie zu lösen. Die erste klinische Evaluation der neuen Antikörper soll bei Patienten mit Prostatakarzinom und Lungenkrebs erfolgen.
2. Platz „Molekulare Bildgebung als begleitende Diagnostik – Nanobody-basierte Präzisionsradiotracer für ImmunoPET“
Das Team um Teresa Wagner, Dr. Philipp Kaiser und Dr. Björn Tränkle vom NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut in Reutlingen entwickelt spezielle Nanobodies, auch Nanoantikörper genannt, die gegen Immunzellmarker gerichtet sind. Diese innovativen Nachweismoleküle können als Tracer für die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) eingesetzt werden – eine bildgebende Untersuchung, bei der dem Patienten eine schwach radioaktive Substanz (Tracer) gespritzt wird. Die Nanobody-basierten Tracer sind in der Lage Immunzellen im Tumorgewebe zu erkennen. Dieses neue Verfahren in der Tumor-Diagnostik ermöglicht es Krebs-Immuntherapien individuell auf den Patienten abzustimmen um die Effizienz der Therapie zu steigern und gleichzeitig Kosten sowie Nebenwirkungen zu senken.
3. Platz „Apelvo“
Die Fysor GmbH mit Sitz in Tübingen entwickelt Apelvo. Das ist ein gamifiziertes, also spielerisches Trainingssystem zur Prävention und Behandlung von Harn- und Stuhlinkontinenz, Senkungsbeschwerden und anderen Symptomen einer vernachlässigten oder verletzten Beckenbodenmuskulatur von Frauen, Männern und Kindern. Dabei misst Apelvo die Muskelaktivität des Beckenbodens über Hautelektroden und wandelt diese in Steuersignale für Exergames (=Trainingsspiele) um, die auf handelsüblichen Smartphones und Tablet PCs gespielt werden können. Damit wird erreicht, dass die Betroffenen ihre Beckenbodenmuskulatur häufiger und kontinuierlich trainieren und sich damit ihre Wahrnehmung, Koordination, Ausdauer und Kraft nachhaltig verbessern.
3. Platz „TuCAN – Tübingen Cognitive Assessment for Neuropsychiatric Disorders“
Das Team um Dipl.-Psych. Christian Mychajliw, von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen (BSc. Louisa Sting, MSc. Kristina Dawidowsky, Dr. Heiko Holz und Dr. Franz Wortha) entwickelt TuCAN. Die App ermöglicht ein nutzerorientiertes und bedarfsgerechtes Diagnostikverfahren für neuropsychiatrische Erkrankungen wie z.B. Demenz, Parkinson oder Depression mit Hilfe des Tablets. Die Anwendung beinhaltet etablierte Aufgaben für die Patienten und Patientinnen und ergänzt die Antworten mit zusätzlichen aufgezeichneten digitalen Informationen, die anschließend mittels Machine Learning automatisch und objektiv ausgewertet werden sollen. TuCAN kann dadurch das (fach-) ärztliche Personal bei frühzeitigen und differentiellen Diagnosen unterstützen und die Durchführung und Auswertung der diagnostischen neuropsychologischen Tests effizienter und effektiver gestalten.