Der Humboldt-Forschungspreis gibt mir Gelegenheit, diese Zusammenarbeit zu vertiefen.“ Der US-amerikanische Wissenschaftler wird in den kommenden zwölf Monaten regelmäßig in Stuttgart zu Gast sein. In dieser Zeit wird er vor allem der Frage nachgehen, wie sich mit Hilfe speziell designter DNA-Moleküle wichtige Zellfunktionen nachahmen lassen.
Mit DNA-Origami winzige Maschinen herstellen
DNA ist ein langes Molekül, in dem unterschiedliche Bausteine aneinandergereiht sind, ähnlich wie Buchstaben in einem Satz. Wie ein Buch in einer Bibliothek dienen DNA Organismen daher vor allem als Informations-Speicher. Biodesigner nutzen allerdings eine andere Eigenschaft des Molekülfadens aus: Da man ihn fast beliebig falten kann, lassen sich aus ihm komplizierte dreidimensionale Strukturen formen. Mit diesem „DNA-Origami“ lassen sich sogar winzige Nanomaschinen herstellen – Behälter mit beweglichem Deckel, Motoren oder sogar ganze Roboter, nur wenige Millionstel Millimeter klein.
Molekulare Maschinen, die sich selbst zusammenbauen
Besonders interessant ist dabei ein weiterer Aspekt: Wenn man die Bausteine in den DNA-Fäden geeignet anordnet, dann bauen sich diese molekularen Maschinen wie von Geisterhand selbst zusammen. Denn DNA-Moleküle haben etwas von einem Puzzleteilchen: Sie können sich mit anderen Fäden zusammenfinden, aber nur solchen, die genau zu ihnen passen. Hao Yan nutzt diese Selbstorganisation, um komplizierte Nanostrukturen für physikalische, chemische und biologische Anwendungen herzustellen. Seine Forschungsarbeiten und Erfindungen konzentrieren sich dabei auf Techniken, mit denen sich winzige DNA-Fäden nach Wunsch manipulieren lassen. Damit ist es ihm gelungen, die Entwicklung von Nanorobotern für die Diagnose und Behandlung von Krebserkrankungen voranzutreiben. „Diese könnten beispielsweise in Zukunft Medikamente direkt dorthin bringen, wo sie gebraucht werden“, erklärt er.
Synthetische Moleküle ahmen die Photosynthese nach
Ein weiterer Fokus seiner Arbeit liegt auf der Konstruktion von DNA-Molekülen, die die Funktionen bestimmter Zellkomponenten nachahmen. Dazu zählen etwa Strukturen, in denen sich lichtempfindliche Moleküle wie in einer Art Käfig in streng geordneter Form zusammenbringen lassen. „Auf diese Weise ist es beispielsweise möglich, Lichtenergie aufzufangen und weiterzugeben, um sie dann für chemische Reaktionen zu nutzen“, sagt er. Auch in den Chloroplasten der Pflanzen gibt es derartige „Licht-Antennen“, die Energie für die Photosynthese – also den Aufbau von Zucker aus Wasser und CO2 – bereitstellen.
„Diese Nachahmung von Zellfunktionen mit synthetisch hergestellten Molekülen gilt als vielversprechendes Forschungsgebiet“, erläutert Prof. Laura Na Liu, Direktorin des 2. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart. „Wir arbeiten zudem daran, mit Hilfe von DNA auch bestimmte Strukturelemente von Zellen nachzubilden. Ein Beispiel ist das Cytoskelett, das Zellen mechanisch stabilisiert und es ihnen erlaubt, sich fortzubewegen. Normalerweise besteht es aus Proteinfasern; wir bauen es aber gewissermaßen aus DNA nach.“ Derartige Strukturelemente könnten dann irgendwann in sehr einfachen künstlichen Zellen zum Einsatz kommen, mit denen sich bestimmte Zellprozesse erforschen lassen.
Arbeitsgruppen ergänzen sich
Von der Kooperation mit ihrem renommierten Gast verspricht Na Liu sich bei diesem Thema weitere Fortschritte: „Wir verfügen in Stuttgart über eine langjährige Erfahrung beim Bau von Nanomaschinen und bei der Analyse sich selbst zusammensetzender Strukturen“, betont sie. „Wir entwickeln beispielsweise spezielle Mikroskopie- und Spektroskopie-Verfahren, mit denen sich unter anderem die Bewegung von DNA-Motoren sichtbar machen lässt. Zusammen mit den hochentwickelten molekulartechnischen Werkzeugen von Professor Yan sind das gute Voraussetzungen, um bei der Entwicklung von DNA-Molekülen, die Zellfunktionen nachahmen, ein großes Stück voranzukommen.“