Impfung für Patienten mit Immunschwäche
Patientinnen und Patienten mit Immunschwäche haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung – so das Ergebnis zahlreicher Untersuchungen in den letzten Monaten. Aktuelle Ergebnisse zeigen zudem, dass diese Betroffenen mit den aktuell zugelassenen Impfstoffen oft keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen. Dies wird insbesondere bei Menschen mit Immunglobulinmangel, zu denen sowohl Patienten und Patientinnen mit angeborenem Immundefekt, aber auch an Krebs Erkrankte zählen, beobachtet.
Um das Phänomen der fehlenden Antikörperbildung nach der Impfung zu überwinden, hat das Forschungsteam um Prof. Dr. Juliane Walz der Klinischen Kooperationseinheit KKE Translationale Immunologie (Ärztlicher Direktor Prof. Helmut Salih) einen Impfstoff entwickelt, welcher hochspezifisch auf die Stimulierung einer zellulären Immunantwort gegen das Coronavirus durch die sogenannten T-Zellen gegen SARS-CoV-2 abzielt. Im Gegensatz zu anderen Impfstoffen aktiviert CoVac-1 dabei die T-Zellen nicht nur gegen das Spike Protein, sondern auch gegen zahlreiche andere Virusbestandteile, was der Entwicklung von Resistenzen durch Mutanten entgegenwirkt.
„Vorbild“ Krebsimmuntherapie und Impfstoffentwicklung
Die Idee für den neu entwickelten Impfstoff kommt aus der Krebsimmuntherapie, einem der Hauptforschungsschwerpunkte der Tübinger Immunologen und Immunologinnen. Seit vielen Jahren arbeitet das Team um Prof. Dr. Hans-Georg Rammensee an der Entwicklung sogenannter Peptidimpfungen. „Als Peptide werden kurze Eiweiße bezeichnet, die auf der Oberfläche von Tumorzellen, aber auch auf virusbefallenen Zellen dem Immunsystem, und hier speziell den T-Zellen, präsentiert werden. Dies ermöglicht dem Immunsystem, „fremde“ und infizierte Zellen zu erkennen und diese zu eliminieren“, erklärt Prof. Rammensee. Dass die T-Zellen eine bedeutende Rolle bei der Covid-19-Erkrankung spielen, wurde von der Arbeitsgruppe von Prof. Walz in mehreren wissenschaftlichen Publikationen belegt. Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurden im Blut von Probandinnen und Probanden nach überstandener Covid-19-Erkrankung diejenigen Peptide identifiziert, die speziell beim SARS-CoV-2-Virus für eine Erkennung und einen Langzeitschutz durch T-Zellen speziell von Bedeutung sind. „Genau die Peptide, die eine bedeutende Rolle bei der Langzeitimmunität nach natürlicher SARS-CoV-2-Infektion spielen, werden nun in unserem CoVac-1-Impfstoff eingesetzt“, erklärt Prof. Walz. Der Impfstoff wird im Wirkstoffpeptidlabor und der sogenannten GMP-Einheit des Universitätsklinikums Tübingen hergestellt. Auch hier wird auf die langjährige Erfahrung und Expertise bei der Produktion von Impfstoffen für Krebspatienten und -patientinnen zurückgegriffen.
Schwerpunkt der KKE Translationale Immunologie am Uniklinikum Tübingen, in der die Studie durchgeführt wird, ist die Entwicklung und Erprobung von innovativen Immuntherapien zur Behandlung von Krebserkrankten. „Wir freuen uns sehr, mit diesem Impfstoff einen Beitrag zum Schutz unserer Krebspatientinnen und -patienten leisten zu können“, erklärt Helmut Salih.
Bisheriger Erfahrungen mit CoVac-1
CoVac-1 wurde bereits in einer klinischen Pilotstudie in gesunden Probanden und Probandinnen zwischen 18 und 80 Jahre eingesetzt. Hier konnte bei guter Verträglichkeit eine äußerst potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2 belegt werden. Mit erfolgreichem Abschluss der ersten Phase der Impfstoffstudie konnte das Forschungsteam zeigen, dass CoVac-1 auch bei Patientinnen und Patienten mit Antikörpermangel zur effizienten Aktivierung der T-Zellen führt.
Angesichts dieser Ergebnisse hat das Paul Ehrlich Institut grünes Licht für die Fortführung der Studie gegeben. Deswegen startet nun die nächste Phase der Studie, die den Impfstoff CoVac-1 gezielt in Patientinnen und Patienten mit angeborenem und erworbenem Antikörpermangel untersucht. Betroffene können nun sowohl in Tübingen als auch zukünftig in Frankfurt und Berlin an der Studie teilnehmen.
Studienablauf
Teilnehmen können Patienten und Patientinnen mit angeborenem oder erworbenem B-Zell-Defekt bzw. Antikörpermangel. Hierzu gehören insbesondere Betroffene mit Leukämie- oder Lymphomerkrankungen, die aufgrund ihrer Erkrankung oder einer Therapie einen sogenannten Immunglobulinmangel entwickelt haben. Die Studie beinhaltet einen Screening Termin, einen Impftermin und sechs Kontrolltermine innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten.