Einfach und erschwinglich: Neuer Test kann Tuberkulose-Diagnostik in ressourcenschwachen Ländern verbessern
Weltweit rund vier Millionen Tuberkulosekranke jedes Jahr erhalten keine passende Therapie, weil es meist schon an der Diagnostik hapert – verfügbare Tests sind zu teuer, komplex oder technisch aufwendig. Für die Entwicklung und Überprüfung eines neuen Urintests, der ähnlich einfach wie ein Schwangerschaftstest funktioniert, ist Privatdozentin Dr. Claudia Denkinger, Leiterin der Sektion Klinische Tropenmedizin, Zentrum für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), jetzt mit dem „Memento Forschungspreis“ ausgezeichnet worden.
Der Memento Preis würdigt besonderes Engagement in den Bereichen Politik, Forschung und Journalismus zu vernachlässigten Gesundheitsbedürfnissen von Menschen in ärmeren Ländern. Ins Leben gerufen wurde er von „Ärzte ohne Grenzen“, „Brot für die Welt“, der BUKO Pharma-Kampagne und der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Die ausgezeichneten Projekte und Arbeiten tragen ihren Teil dazu bei, dass Menschen weltweit die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie benötigen, zu Preisen, die sie bezahlen können.
Das Problem in der Behandlung von Tuberkulose (Tb) ist in vielen der am stärksten betroffenen Länder nicht die Therapie selbst, sondern die Diagnostik der bakteriellen Infektionskrankheit. Medizinerinnen und Mediziner sprechen von einer „diagnostischen Lücke“: Die nötigen Tests können in den Gesundheitseinrichtungen vor Ort nicht durchgeführt werden, weil das Personal nicht geschult, das Material zu teuer oder die benötigte Infrastruktur, z.B. Stromversorgung, nicht vorhanden ist. „Bei der Tuberkulose, an der weltweit jährlich rund 10 Millionen Menschen jeden Alters erkranken, ist die diagnostische Lücke riesig: Rund ein Drittel der Infizierten bleibt unentdeckt, geschätzt 1,5 Millionen sterben jedes Jahr“, erläutert die Preisträgerin. „Dabei stehen die Antibiotika für die Therapie in der Regel kostenfrei zur Verfügung.“ Gefährdet sind insbesondere HIV-Infizierte, deren Immunsystem den Erregern nichts entgegenzusetzen hat.
Das Team um Denkinger entwickelte und prüfte – zunächst bei der Nichtregierungsorganisation FIND (Global Alliance for Diagnostics), Genf, jetzt am UKHD – einen Urintest, der möglichst einfach anzuwenden ist, keine weitere Ausrüstung oder Elektronik erfordert, ein eindeutiges Ergebnis liefert, das keinen Interpretationsspielraum zulässt und dabei möglichst zuverlässig und empfindlich ist: „FujiLAM“ funktioniert ähnlich einem Schwangerschaftstest: Eine Urinprobe wird in eine Öffnung des Testkits geträufelt, der eingebettete Teststreifen bindet bestimmte Marker der Tuberkulose-Bakterien. Damit das Ergebnis auch bei geringen Mengen des Markers ablesbar ist, kommt eine Technik der Signalverstärkung aus der Fotografie zum Einsatz. Ein farbiger Balken markiert ein positives Ergebnis.
„Selbst, wenn die Infektion sich nur in einzelnen Organen wie Lunge oder Gehirn manifestiert, zirkulieren bakterielle Substanzen im Blut und werden in den Urin abgesondert. Das haben wir in mehreren Studien gezeigt“, so die Wissenschaftlerin. Seit drei Jahren wertet ihr Team die Aussagekraft des Tests in groß angelegten Studien mit Probanden aus mehreren afrikanischen Staaten, Peru und Vietnam aus. In den bereits veröffentlichten Studien identifizierte der Test 53 Prozent der HIV-negativen und 70 Prozent der HIV-positiven Infizierten – und damit rund 30 Prozent mehr Betroffene als die bisher verfügbaren Tests. „Das ist noch nicht perfekt, aber eine entscheidende Verbesserung mit Potential: Die Funktionsweise des Tests eignet sich ideal für ressourcenschwache Länder und wird hoffentlich bald dazu beitragen, viele Todesopfer durch Tuberkulose zu verhindern“, sagt Denkinger.
Die Daten aus den Studien zu „FujiLAM“ sollen im nächsten Jahr von der Weltgesundheitsorganisation WHO begutachtet werden, zunächst speziell für die Anwendung bei HIV-Positiven, bei denen die TB-Diagnose oft schnell über Leben und Tod entscheiden kann. Die WHO-Empfehlung ist die Voraussetzung dafür, den Test in die Gesundheitsversorgung einzubringen. Zudem arbeiten die Bill & Melinda Gates Stiftung und FIND bereits an der Optimierung der einzelnen Komponenten, um die Zuverlässigkeit des Tests noch weiter anzuheben.