Eine kürzlich im Fachjournal Microbiome veröffentlichte Studie wirft neues Licht auf das komplexe Zusammenspiel zwischen dem menschlichen Immunsystem und den Mikroorganismen, die unsere Nase besiedeln. Die lokalen Immunreaktionen in der Nase sind sehr wahrscheinlich ein entscheidender Faktor für Infektionen durch respiratorische Erreger. Trotzdem ist dieser Teil des Immunsystems bislang weitgehend unerforscht geblieben. Im Fokus der Studie stand nun der körpereigene Antikörper sekretorisches Immunglobulin A, kurz sIgA. Dieser Antikörper ist für die Immunantwort des Körpers von entscheidender Bedeutung, da er aktiv an der Neutralisierung von Krankheitserregern beteiligt ist. sIgA ist in unserem Nasensekret, Speichel, Schweiß, unserer Darmflüssigkeit, unseren Tränen und in Muttermilch reichlich vorhanden.
Starke individuelle Unterschiede in der Immunantwort
Die Studie konnte zeigen, dass sich die IgA-Mengen verschiedener Menschen um mehr als das Hundertfache unterscheiden können. Bei vielen Bakterien war auch der IgA-Score, der die Reaktivität des Antikörpers gegenüber einer bestimmten Bakterienart misst, stark variabel. Einzelne Personen zeigten eine klare IgA-Antwort gegenüber bestimmten Mikroorganismen, während andere dies nicht taten. Dies deutet darauf hin, dass die Nasenschleimhaut jedes Individuums unterschiedlich auf die Mikroben in ihrer Umgebung reagiert, was möglicherweise unterschiedliche Infektionsanfälligkeiten erklären könnte.
Forschende des Exzellenzclusters „Controlling Microbes to Fight Infections“ (CMFI) an der Universität Tübingen haben eine hochgradig individualisierte Reaktion des sIgA auf die Mikroben beobachtet, die in der menschlichen Nase leben. Die Stärke der Immunreaktion könnte von der jeweiligen Genetik des Wirts, seinem Immunsystem und den lokalen Bedingungen abhängen. Diese Entdeckung unterstreicht die einzigartige Natur der menschlichen Immunantwort.
Das Nasenmikrobiom regulieren, um Infektionen zu bekämpfen
Ein Schwerpunkt der Studie lag auf der Beobachtung, wie sIgA und das Bakterium Staphylococcus aureus wechselwirken. S. aureus ist ein Bakterium, das bei vielen Menschen natürlicherweise in der Nase vorkommt und zunächst harmlos ist. S. aureus kann sich jedoch zu einer krankheitserregenden Variante entwickeln und Infektionen verursachen. Untersucht wurde insbesondere die Reaktion der antibiotikaresistenten Variante MRSA, die als Krankenhauskeim bekannt und für gefährliche und schwer zu behandelnden Infektionen gefürchtet ist. Interessanterweise scheint sIgA eine spezifische Wechselwirkung mit einem Protein namens SpA zu haben, das auf der Oberfläche von S. aureus sitzt. Dies deutet auf potenzielle neue therapeutische Ansätze hin, bei denen diese Wechselwirkung möglicherweise manipuliert werden könnte, um die Immunantwort zu verstärken oder das pathogene Bakterium effektiver zu neutralisieren.
„Wir beginnen die Prozesse in unseren Mikrobiomen immer besser zu verstehen. Die Wechselwirkungen des Antikörpers sIgA mit dem Nasenmikrobiom zeigen uns eindrücklich, wie sich diese mikrobiellen Systeme regulieren – und reguliert werden könnten. Wir haben hier ein riesiges Potential für zukünftige Behandlungsmethoden“, sagt Rob van Dalen, Postdoktorand im Exzellenzcluster CMFI und Erstautor der Studie.
Analysiert wurden Nasenabstriche von etwa 50 gesunden Personen. Dabei zeigte sich, dass die Menge des sIgA in der Nasenschleimhaut direkten Einfluss auf die Anzahl der dort lebenden Bakterien hat. Personen mit höheren sIgA-Werten scheinen von weniger Bakterien besiedelt zu sein, was darauf hindeutet, dass dieser Antikörper bei der Regulierung der mikrobiellen Population eine Rolle spielt und so auch das Wachstum von schädlichen Bakterien verhindert. sIgA könnte sich für neue Behandlungsmethoden eignen.
Doch auch wenn die Ergebnisse vielversprechend sind, könnte es noch lange dauern, bis neue Therapiemethoden entwickelt sind. „Wir sprechen häufig von ‚Bench to Bedside‘, also von der Überführung der Forschungsergebnisse, die an der Laborbank gewonnen werden, in die Klinik. Doch bis diese Translation gelingt, ist es häufig ein weiter Weg. Hier braucht es die richtigen Investoren und Partner, die bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen“, sagt Studienleiter Andreas Peschel, Professor für Mikrobiologie an der Universität Tübingen und Sprecher des Exzellenzclusters CMFI.
Die nun vorgestellten Forschungsergebnisse erweitern das Verständnis davon, wie das Immunsystem und das Mikrobiom zusammenarbeiten, um die menschliche Gesundheit zu erhalten.