Endometriose ist eine tückische gynäkologische Erkrankung. Bei Betroffenen siedelt sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter an. Dieses kann die umliegenden Organe befallen und zu chronischen Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen führen. In Deutschland sind schätzungsweise zwei Millionen Frauen betroffen. Bei etwa der Hälfte verläuft die Krankheit asymptomatisch, die andere Hälfte leidet unter starken chronischen Schmerzen bis hin zur Unfruchtbarkeit. Endometriose kann sich auch auf den Hormonhaushalt und das Immunsystem auswirken. Die Krankheit äußert sich sehr unterschiedlich und wird deshalb häufig als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet.
Der Ursache auf der Spur
Trotz großer Fortschritte in der medizinischen Forschung gibt es noch immer Krankheiten, die nicht geheilt werden können. Lediglich deren Symptome können behandelt werden. Hierzu gehört die Endometriose. „Das Herzstück unseres Verbundes wird eine einzigartige Biobank sein, die mit zahlreichen Gewebeproben und Patientendaten gespeist wird. Mit diesen Informationen wollen wir ermitteln, welche Gewebezusammensetzung das Wachstum der Krankheit beeinflusst“, erläutert Koordinator Prof. Krämer. „Die aus der Analyse dieser Daten gewonnenen Erkenntnisse sollen zu einer verbesserten Prävention, Diagnostik und Therapie beitragen“, ergänzt Krämer, der zugleich Leiter des Endometriosezentrums an der Universitäts-Frauenklinik ist.
Team aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen beteiligt
Das Tübinger Forschungsteam plant, die Endometriose und ihre Ursache in vier Teilprojekten zu erforschen:
Mit dem Aufbau einer Biobank sollen die relevanten anonymisierten Patienteninformationen mittels modernster Bildgebungsverfahren analysiert werden.
Organ-on-a-Chip-Systeme sollen als Testsysteme eingesetzt werden. Diese Technologie basiert darauf, dass (Stamm-)Zellen bestimmter Gewebetypen in einem Zellkultursystem auf einem Chip angesiedelt werden. Ein differenziertes dreidimensionales Gewebe entsteht, das einem Organ in seiner Funktion und Architektur sehr viel näherkommt als eine einzelne Zellschicht. Die entwickelten Modelle werden als präklinische Testsysteme zur Verfügung stehen, um das Ansprechen auf neue Therapien der Endometriose vorherzusagen.
In einem weiteren Teilprojekt wird das Mikrobiom von Patientinnen, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, auf den Einfluss, den es auf die Entstehung von Entzündungen durch die Erkrankung hat, untersucht.
Das vierte Teilprojekt fokussiert auf den Immunstatus der Patientinnen, d.h. auf den Zustand ihres Immunsystems und seiner Fähigkeit, Infektionen abzuwehren. Ein tieferes Verständnis der Entzündungswege und der durch die Endometriose ausgelösten Immunreaktionen soll erforscht werden.
Alle Erkenntnisse werden in eine übergeordnete Struktur einfließen, die die Grundlage einer nationalen sowie internationalen Vernetzung von Endometriose-Standorten sein wird.
Die Patientinnen immer im Blick
Mehrere Institute und Zentren sowie zahlreiche Forschende und Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums Tübingen sind zusammen mit dem NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut in Reutlingen daran beteiligt, die Krankheit zu entschlüsseln. „Dank der Förderung durch das BMBF kann sich ENDO-RELIEF der Erforschung der Endometriose in einer Kombination aus Immuntherapie, Biomarker-Entwicklung und Untersuchung von Medikamenten-Wirkung in Organmodellen, die etabliert werden, als Alternativmodelle zu Tierversuchen, widmen. Dabei behalten wir immer die zahlreichen Patientinnen, die unter der Krankheit tagtäglich zu leiden haben, im Blick“, stellt Prof. Dr. Sara Brucker, Ärztliche Direktorin der Universitäts-Frauenklinik Tübingen und Mitglied des Advisory Boards des Forschungsverbundes fest.