Entwicklung des Immunsystems rund um die Geburt
Mit der Geburt ist das Immunsystem des Neugeborenen plötzlich mit Mikroorganismen, Nahrung und zahlreichen Umwelteinflüssen konfrontiert. Wie bereiten sich die Immunzellen des Babys während Schwangerschaft und Geburt auf diesen Moment vor? Wie prägen äußere Einflüsse direkt nach der Geburt das Immunsystem? Und welchen Einfluss hat ein Ereignis wie eine zu frühe Geburt? Diese und viele weitere Fragen zur Entwicklung des kindlichen Immunsystems rund um die Geburt untersuchen Wissenschaftler*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg gemeinsam mit Forscher*innen der LMU München, der Uniklinik RWTH Aachen und weiterer Einrichtungen im Sonderforschungsbereich/Transregio „Perinatal Development of Immune Cell Topology (PILOT)“. PILOT wurde am 25. November 2022 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt und wird ab 1. Januar 2023 für zunächst vier Jahre mit insgesamt 12 Millionen Euro gefördert.
„Unser großes Ziel ist es, die frühe und hochkomplexe Anpassung des Immunsystems besser zu verstehen und damit Kindern den besten Start ins Leben zu ermöglichen“, sagt PILOT-Sprecher Prof. Dr. Philipp Henneke, Leiter der Abteilung für Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg. Co-Sprecher ist Prof. Dr. Markus Sperandio aus dem Institut für Kardiovaskuläre Physiologie und Pathophysiologie am Biomedizinischen Zentrum der LMU München.
Im geschützten Mutterleib können sich die Immunzellen meist weitgehend ungestört entwickeln. Mit dem Moment der Geburt müssen sie sich schlagartig an äußere Einflüsse anpassen. „Ereignisse wie eine zu frühe Geburt oder eine Infektion während der Schwangerschaft können diese Entwicklung stören. Was dabei genau geschieht und wie wir Fehlentwicklungen verhindern können, möchten wir in diesem Konsortium mit Wissenschaftler*innen aus ganz Deutschland herausfinden“, so Henneke.
Immunentwicklung in Lunge, Haut und Darm
Dazu untersuchen die Wissenschaftler*innen insbesondere „Grenzgewebe“ zwischen Körperinnerem und Umwelt, wie Darm, Lunge, Haut, Gehirn und Plazenta. „Wir haben heute einzigartige Analysemethoden zur Verfügung, mit denen wir die räumliche Verteilung und die Eigenschaften von Immunzellen im Gewebe sehr präzise bestimmen können. Dank dieser zellulären Kartierung erhalten wir selbst bei kleinsten Zellzahlen wichtige Informationen über die genauen Aufgaben einzelner Zelltypen“, so Henneke, der auch dem Exzellenzcluster Centre for Integrative Biological Signalling Studies (CIBSS) der Universität Freiburg angehört.
Mit Hilfe automatisierter Bildanalysen und maschinellem Lernen werden in PILOT neuartige Algorithmen entwickelt, um die komplexen Abläufe während der Reifung der Immunzellen zu entschlüsseln. Für ihre Untersuchungen verwenden die Forscher*innen unter anderem neue computerbasierte Analysetechniken, neuartige experimentelle Modelle zur natürlichen Immunität und Gewebeproben Neugeborener. „Auf diese Weise stellen wir sicher, dass wir von Anfang an ein grundlegendes mechanistisches Verständnis mit klinischen Konzepten verbinden“, sagt Henneke. Mit dem integrierten Graduiertenkolleg Co-PILOT werden Nachwuchswissenschaftler*innen früh und intensiv in das interdisziplinäre Forschungskonsortium unter anderem aus Medizin, Biologie, Pharmazie und Mathematik integriert.