Fertilitätsprotektion am Universitätsklinikum Ulm
Fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Deshalb fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bundesweit den Aufbau von fünf neuen interdisziplinären Zentren für reproduktive Gesundheit. Neben Standorten in Münster, Hamburg, Leipzig und Jena ist darunter auch das Zentrum des Universitätsklinikums Ulm (UKU), das seinen Schwerpunkt auf die Fertilitätsprotektion legt. Die Zentren wurden in einem kompetitiven Verfahren unter Beteiligung eines internationalen Gutachtergremiums ausgewählt und werden in einer ersten Phase für bis zu drei Jahren mit rund elf Millionen Euro gefördert.
Die reproduktive Gesundheit hat eine hohe Bedeutung für jeden einzelnen Menschen, die Gesellschaft und die Gesundheit nachfolgender Generationen. Sie beinhaltet sowohl körperliche und medizinische Dimensionen als auch psychosoziale und medizinethische. In ihrer gesamten Spannbreite erstreckt sich die reproduktive Gesundheit von der Keimzellbildung über die embryonale Entwicklung und die sexuelle Differenzierung bis hin zur generellen Gesundheit des Erwachsenen sowie nachfolgender Generationen. Das Interdisziplinäre wissenschaftliche Zentrum für Fertilitätsprotektion (kurz: FePro-Ulm) am UKU fokussiert sich in der Forschung auf den Erhalt der Fruchtbarkeit (= Fertilität), also die Fähigkeit, Kinder zu zeugen und auszutragen. Prof. Dr. Katharina Hancke, Stv. Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am UKU, leitet bereits seit über 10 Jahren das Kinderwunschzentrum UniFee und weiß um die verschiedenen Probleme der Paare, insbesondere auch, wenn der Kinderwunsch in spätere Lebensjahre verlegt werden soll oder besondere Erkrankungen/Life-Events die Erfüllung des Kinderwunsches erschweren. Dies gilt unter anderem für Frauen mit Endometriose und Transgender-Personen. Die Koordination des Nachwuchszentrums übernimmt Prof. Hancke gemeinsam mit PD Dr. Dr. Karin Bundschu, Fachärztin und Leiterin des Forschungslabors für Fertilitätsmedizin am UKU. Sie erklärt, warum die Fertilitätsprotektion im Besonderen auch für onkologische Patientinnen wichtig ist: „Bei einer Krebserkrankung werden notwendigerweise oftmals zytotoxische, also zellschädigende Therapien wie Chemotherapien oder Bestrahlungen eingesetzt. Diese werden zwar einerseits immer erfolgreicher, können andererseits jedoch auch sehr häufig die Fertilität reduzieren oder zum kompletten Fertilitätsverlust führen.“ Ein Ziel des Forschungsteams ist es deshalb, verbesserte und neue Therapiemöglichkeiten für diese Patient*innen zu entwickeln, um nach der überstandenen Tumorerkrankung noch einen Kinderwunsch verwirklichen zu können.
Das FePro-Ulm wird interdisziplinär organisiert und durch die am UKU bestehende onkologische Expertise und Vernetzung innerhalb des Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU), des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE) und des Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendgesundheit (DZKJ) unterstützt. Mitglieder des klinik- bzw. bereichsübergreifenden Zentrums, in dem die Projekleiter*innen interdisziplinär zusammenarbeiten, sind die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, das Institut für Humangenetik, die Sektion für Gynäkologische Onkologie, die Klinik für Innere Medizin III, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik in der Medizin. Durch den interdisziplinären Aufbau des wissenschaftlichen Zentrums FePro-Ulm wird der reproduktionsmedizinische Forschungsschwerpunkt am Universitätsklinikum Ulm gestärkt und die Bedeutung der Thematik deutschlandweit hervorgehoben. Die Zusammenarbeit und Vernetzung mit den verschiedenen beteiligten Gruppen wird vor allem den Patient*innen in der Region und darüber hinaus zugutekommen, die dadurch ein spezialisiertes und interdisziplinär vernetztes Forschungs- und Ärzte-/ Ärztinnen-Team vorfinden.
Übersicht über die Schwerpunkte der weiteren neu vom BMBF geförderten Standorte für reproduktive Gesundheit:
Münster: ReproTrack.MS aus Münster beschäftigt sich mit den Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit; der Schwerpunkt liegt darauf, die Rolle von männlichen Faktoren bei der Infertilität aufzuklären.
Hamburg: Das Zentrum in Hamburg beschäftigt sich mit sexueller und reproduktiver Gesundheit bei Übergewicht und Adipositas.
Leipzig: Das Forschungsnetzwerk LE-REP (Koordination: Prof. Aktas) bündelt die Expertise verschiedener Leipziger Kompetenzzentren zur Erforschung der wichtigsten gesundheitlichen Herausforderungen der modernen Kinderwunschbehandlung.
Jena: Das Nachwuchszentrum CEPRE in Jena (Koordination: Prof. Markert) befasst sich wissenschaftlich, klinisch und ethisch mit der Frühschwangerschaft und der Reproduktiven Gesundheit.