Gefäßverkalkung sichtbar machen
Forschende der Universität Tübingen haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich Atherosklerose im Mausmodell besser erforschen lässt. Die nicht-invasive Bildgebungsmethode soll neue Wege eröffnen, Gefäßverengungen als Ursache von Herzinfarkten und Schlaganfällen besser zu verstehen und zu behandeln. Zudem kann sie die Anzahl der Versuchstiere im Vergleich zu bisherigen Methoden deutlich reduzieren. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Circulation Research veröffentlicht.
Atherosklerose, auch Arterienverkalkung genannt, kann zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen und ist die häufigste Todesursache weltweit. Es sind mehrere Faktoren bekannt, die zu Ablagerungen und Verdickungen in den Blutgefäß-Wänden führen, wie zum Beispiel ein hoher Cholesterinspiegel. Diese sog. Plaques engen Gefäße häufig stark ein oder führen gar zur Bildung von Blutgerinnseln, so dass Herz oder Gehirn nicht mehr ausreichend versorgt und in Folge von Sauerstoffmangel geschädigt werden.
Das neue Verfahren zur Untersuchung von Atherosklerose beruht auf einem künstlichen Positronen-Emissions-Tomografie (PET)-Reporter-Enzym. Dieses wird durch einen genetischen Trick speziell in den Gefäßmuskelzellen der Maus gebildet. Es bewirkt, dass es in diesen Zellen zur Ansammlung einer radioaktiven Substanz kommt, dem PET-Tracer. Die für das Tier ungefährliche radioaktive Strahlung wird mittels PET erkannt und auf einem Bildschirm sichtbar gemacht. PET ist eine klinisch etablierte Methode, die beispielsweise zur Untersuchung von Tumorpatienten eingesetzt wird. Als nicht-invasives Verfahren belastet die PET-Bildgebung den Organismus weniger als viele andere Untersuchungen.
Durch die Kombination von PET mit der Magnetresonanztomographie (MRT) ist das Forschungsteam jetzt in der Lage, die Position und Anzahl der Gefäßmuskelzellen im Körper zu verfolgen. „Mit dieser Methode können wir am lebenden Tier beobachten, wie die markierten Zellen an der Entstehung von Atherosklerose beteiligt sind“, erläutert Erstautorin und Studienleiterin Dr. Susanne Feil vom Interfakultären Institut für Biochemie (IFIB) der Universität Tübingen. So ist beispielweise zu sehen, wo in Blutgefäßen sich vermehrt Gefäßmuskelzellen ansammeln und zu „Verkalkungen“ beitragen. Durch das Sichtbarmachen solcher Zellansammlungen lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob Veränderungen harmlos sind oder sich lebensbedrohlich auswirken könnten, etwa weil sie zu Gefäßverschlüssen und Infarkten führen könnten (siehe Abbildung).
Zusätzlich seien im Vergleich zu früheren Methoden wesentlich weniger Versuchstiere nötig, so das Forschungsteam. Die markierten Zellen könnten nicht-invasiv über viele Wochen im selben Tier verfolgt werden und somit auch die Entwicklung einer Atherosklerose. Zudem ließen sich mit Hilfe von Langzeitstudien deutlich mehr Daten pro Tier gewinnen, und diese auch in besserer Qualität, da es nicht zu interindividuellen Schwankungen bei den Messwerten kommt.
„Ganz im Sinne des 3R-Prinzips“, sagt Feil. „Es geht darum, Tierversuche möglichst vollständig zu vermeiden (Replacement) beziehungsweise die Zahl der Tiere (Reduction) und deren Belastung (Refinement) in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken. Zur Analyse des Verhaltens von Zellen (z.B. Gefäßmuskelzellen) in Mäusen wurden bisher Verfahren verwendet, die mit einer relativ hohen Belastung bzw. der Tötung einer größeren Anzahl von Versuchstieren verbunden waren.“
Das neue PET-Verfahren wurde in Zusammenarbeit des Interfakultären Instituts für Biochemie und des Werner Siemens Imaging Center des Universitätsklinikums Tübingen entwickelt. Das Projekt wurde von der EU, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Dr. K. H. Eberle Stiftung gefördert.