Durch die Arbeiten der drei Stuttgarter Forscher konnten 3D-gedruckte Linsen mit komplexen Flächen hergestellt werden, die viel geringere Abbildungsfehler aufweisen als herkömmliche Optiken und dadurch wesentlich leistungsfähiger sind. Auch mehrlinsige Systeme konnten durch den 3D-Druck realisiert werden. Dadurch wurden extrem gute Abbildungsoptiken wie Ultraweitwinkelsysteme möglich, die vor allem für Endoskope mit höchster Abbildungsqualität wichtig sind. Der 3D-Druck ermöglicht dabei, die Mikrooptiken wie auch die Stützstrukturen in einem Prozessschritt herzustellen.
Die Wissenschaftler entwickelten zusätzlich Systeme aus mehreren Druck-Materialien, die Farbfehler der Mikro-Objektive korrigieren konnten. Hierzu wurde eine große Klasse von neuen 3D-druckbaren Materialien durch die Kombination von Polymeren und Nanopartikeln verwirklicht. Auch weitere Techniken wie zum Beispiel das Einbringen von geschwärzten absorbierenden Stoffen zur Realisierung von Blenden konnten erarbeitet werden. Für den Designprozess dieser sehr kleinen Optiken haben die Forscher spezielle Simulationsprogramme entwickelt.
Radikale Miniaturisierung
Erstmals konnte gezeigt werden, dass qualitativ hochwertige Mikrolinsen mit Durchmessern von wenigen Mikrometern direkt auf Glasfasern aufgedruckt werden können. Dies ermöglichte die Realisierung eines völlig neuartigen optischen Endoskops, das weit über den früheren Stand der Technik herausragt. Ein 3D-Druck auf CMOS Miniatur-Kamerachips, die als optischer Bildsensor funktionieren, ist durch die Forschungsergebnisse genauso möglich geworden wie der parallele Druck einer Kombination aus Weitwinkel-, Normal-, und Tele-Objektiv auf einen Chip, um elektronisch zu zoomen und den Blickwinkel zu verändern. Zudem konnte durch diese Technik ein Miniatur-Spektrometer mit einem Durchmesser von 0.1 mm demonstriert werden. Die massive Miniaturisierung bietet zusätzlich ein großes Anwendungspotenzial in Bereichen wie Messtechnik, Produktions- und Prozessüberwachung, Robotik oder auch beim autonomen Fahren. Aktuell arbeitet das Team unter anderem an beweglichen oder variablen Mikrooptiken sowie an Beschichtungstechniken für die Entspiegelung.
Erste Schritte in die medizinische und industrielle Anwendung
Zusammen mit der Firma KARL STORZ in Tuttlingen erprobten die Forscher im Rahmen des BMBF-Projektes PRINTOPTICS ihre neue Technik mit medizinischen Endoskop-Systemen und konnten Möglichkeiten realisieren, die vorher undenkbar waren: Zum Beispiel wurden Endoskope gebaut, die durch ihren großen Blickwinkel gleichzeitig Aufnahmen nach vorne und zur Seite erlauben und dabei farbtreue und verzerrungsfreie Bilder liefern. Zudem passen sie mit ihrem geringen Durchmesser in engste Adern, in kleinste Drüsenkanäle und sogar in Zahnwurzeln.
Kommerzialisierung der Technologie durch Startup
Dr. Simon Thiele, der Doktorand am Institut für Technische Optik war, hat zusammen mit einem seiner Masterstudenten die Spin-Off-Firma Printoptics TGU gegründet, die sich der Kommerzialisierung dieser innovativen Drucktechnik verschrieben hat. Sie bietet vom optischen Design und der Entwicklung des Druckprozesses bis hin zur Produktion von Kleinserien der Optiken die gesamte Wertschöpfungskette an. Ebenso werden dort neue Endoskopmodelle entwickelt. Zudem entwickelt die Firma Anwendungen in der integrierten Quantentechnologie, z.B. bei der Kombination von Einzelphotonenquellen und Glasfasern. Optische Pinzetten für einzelne Atome werden von der Firma in Zusammenarbeit mit den Physikern an der Universität Stuttgart entwickelt.
Neben den bereits über 30 veröffentlichten wissenschaftliche Publikationen kümmern sich die Forscher um die Patentierung der Technologie zusammen mit dem Technologie-Lizenz-Büro der Baden-Württembergischen Hochschulen. Unterstützung für das Projekt kam vom Ministerium für Bildung und Forschung, von der DFG im Rahmen eines Graduiertenkollegs, vom Quantenzentrum IQST, von der Baden-Württemberg-Stiftung, von der EU über einen ERC Grant (Proof of Concept) sowie vom MWK Baden-Württemberg und der Vector-Stiftung. Ganz besonders heben die Forscher die großartige Zusammenarbeit mit der Karlsruher Firma Nanoscribe GmbH hervor, die viele der Techniken durch ihre High-Tech Produkte erst ermöglicht hat.
Über die Preise der Gips-Schüle-Stiftung
Die Preisverleihung erfolgte gemeinsam mit der Vergabe des Joachim-Reutter-Preis für soziale Innovation an Dr. Oliver Parodi vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Beide Preise der Gips-Schüle-Stiftung stehen unter dem Motto „Technik für den Menschen“. Die Bewertungskriterien lauten Interdisziplinarität, Innovationspotential und Anwendungsbezug in Verbindung mit gesellschaftlichem Nutzen. Beim Forschungspreis liegt der Fokus auf technischer Innovation, während beim Joachim-Reutter-Preis der soziale Anwendungsbezug im Vordergrund steht. In diesem Jahr wurden 17 Vorschläge von Forschungseinrichtungen und Hochschulen in ganz Baden-Württemberg eingereicht. Überreicht wurden die beiden Preise von Wissenschaftsminister a. D. Prof. Dr. Peter Frankenberg.