Interferone sind Zell-Botenstoffe, die bei einer Virusinfektion das Immunsystem ankurbeln und modulieren. Seit einigen Jahren ist darüber hinaus bekannt, dass Interferonsignale auch eine Ursache dafür sind, dass die Funktionsfähigkeit neuronaler Stammzellen mit dem Alter zurückgeht. Die Stammzellen, die im Gehirn für die Bildung neuer Nervenzellen zuständig sind, verlieren dann die Fähigkeit, ausreichende Mengen an Vorläuferzellen hervorzubringen.
Den molekularen Hintergründen der Stammzellkontrolle durch Interferon ging ein Team um Ana Martin-Villalba, DKFZ, und Anna Marciniak-Czochra, Universität Heidelberg, nun gemeinsam auf den Grund – mit einer Kombination aus Einzelzellanalysen in Mäusen und mathematischen Modellierungen.
Im Gegensatz zur vorherrschenden Expertenmeinung fanden die Heidelberger Forscherinnen heraus, dass Interferon-Signale nicht nur im Alter, sondern über die gesamte Lebensspanne hinweg die Aktivität der Hirnstammzellen beeinflussen, selbst schon bei jungen Tieren. Die Hirnstammzellen reagieren auf Interferon, Vorläuferzellen ab einem gewissen Entwicklungsschritt jedoch nicht mehr. Erst die ausdifferenzierten Neuronen sprechen wieder auf den Botenstoff an.
Die Interferone wirken dabei auf ein zentrales Steuermolekül der Proteinsynthese. Das hat zur Folge, dass Sox2 unterdrückt wird, ein essentieller Transkriptionsfaktor, der die Selbsterneuerungsfähigkeit von Stammzellen aufrechterhält.
„Die zweiphasige Interferon-Kontrolle der Aktivierung von Hirnstammzellen trägt offenbar dazu bei, die Produktion von Vorläuferzellen an den jeweiligen Bedarf anzupassen", erklärt Martin-Villalba. Im jungen Gehirn steigert Interferon die Anzahl der Vorläuferzellen, im wenig aktiven alternden Gehirn dagegen drosselt es sie.
Die Wissenschaftlerinnen sehen in Interferon eine mögliche Zielstruktur für Therapien, die die Selbsterneuerungsfähigkeit der Hirnstammzellen fördern und damit dem altersbedingten Abbau der Gehirnfunktion entgegenwirken könnten. „Von einem höheren Lebensalter an könnte eine medikamentöse Interferon-Blockade dem Gehirn nützen", vermuten die Forscherinnen. Ob dies auch für alternde Menschen eine Option sein könnte, muss allerdings zunächst in klinischen Studien überprüft werden.
Der Virusabwehr im Gehirn würde dadurch nicht beeinträchtigt, da Hirnstammzellen diese Funktion ganz unabhängig von der Anwesenheit von Interferon ausüben können. Sie lösen die zell-internen Interferonsignale aus, ohne dass dafür die Bindung von Interferon an seinen Rezeptor erforderlich ist. Dieser Trick ist bislang nur bei Hirnstammzellen bekannt, die sich damit vor Infekten schützen. Ob auch andere adulte Stammzellen im Körper diese molekulare Abkürzung beherrschen, ist derzeit noch nicht erforscht.