Ob Arzneimittel aus dem 3D-Drucker oder moderne, biotechnologisch hergestellte Präparate – damit neue Medikamente in die Versorgung und damit zu den Patientinnen und Patienten gelangen, braucht es die entsprechenden Produktionstechnologien, um diese Medikamente überhaupt zu produzieren. In der Herstellung gibt es inzwischen viele Trends, die sich langfristig auch auf die medizinische Behandlung auswirken werden. Darüber hinaus wird an Universitätskliniken und Universitäten intensiv an neuen Wegen für eine maßgeschneiderte Personalisierte Medizin gearbeitet, die Therapie und Diagnostik gezielt zusammenführen.
Welche Fortschritte es in diesen Bereichen gibt und wie Akteurinnen und Akteure aus Baden-Württemberg mit ihren Innovationen beteiligt sind, darüber wird am 21. November unter dem Titel „Gesundheitsstandort Baden-Württemberg – was leisten neue Produktionstechnologien für die Versorgung?“ ab 16:45 Uhr in der Universität Ulm diskutiert. Die Begrüßung der Veranstaltung übernimmt Prof. Dr.-Ing. Michael Weber, Präsident der Universität Ulm und Gastgeber der Veranstaltung. Manfred Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration im Land Baden-Württemberg, wird ebenfalls vor Ort sein und die Perspektive der Politik einbringen.
Zentren der Personalisierten Medizin als Schnittstelle zwischen Forschung und Versorgung
„Die Zentren für Personalisierte Medizin an den Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg, Ulm und Tübingen ermöglichen den gezielten Einsatz von molekularer Diagnostik und personalisierten Therapien und schaffen so eine relevante Schnittstelle zwischen Wissenschaft und klinischer Versorgung“, sagt Prof. Dr. Udo X. Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Ulm und einer der gastgebenden Redner bei der Veranstaltung. Aktuell sei das Therapieangebot noch primär auf onkologische Patientinnen und Patienten mit seltenen Tumoren oder ausgeschöpfter Leitlinientherapie ausgerichtet, so Kaisers. In sogenannten Molekularen Tumorboards können hier mit Hilfe molekulargenetischer Untersuchungen bei Vorliegen einer Zielstruktur bereits personalisierte Therapieempfehlungen gegeben werden. Ein echter Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg, der unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg gefördert wird. „Wir danken dem Land dafür, dass es diese innovativen Behandlungen in Baden-Württemberg aktiv unterstützt“, so Kaisers.
Ulm bringt onkologische Expertise ein
Ulm als Standort bringt hier vor allem seine onkologische Expertise mit ein, erläutert Prof. Dr. Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Universität Ulm, mit Blick auf die Veranstaltung des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg: „Voraussetzung für die Umsetzung der Personalisierten Medizin ist die exakte molekulare Diagnostik der zugrundeliegenden Pathologie der jeweiligen Erkrankung. Hier ist der Standort Ulm insbesondere für den Bereich der Onkologie sehr gut aufgestellt. Durch Vernetzung und Vergleich möglichst vieler Patientendaten muss die notwendige klinische Evidenz generiert werden, die erforderlich ist, um präzise Therapien zu entwickeln."
An den vier Standorten der Zentren für Personalisierten Medizin werden dabei gemeinsame Standards etabliert und Prozesse harmonisiert. Dies sei nicht nur für die Versorgung von Patientinnen und Patienten von Bedeutung, sondern auch mit Blick auf die weitere Forschung ein wichtiger Prozess, erläutert Wirth: „Durch die Harmonisierung werden strukturierte Datensätze erzeugt, die nicht nur als ‚Medical Decision Support System‘ für künftige klinische Entscheidungen, sondern auch für Forschungsaspekte dienen können. Damit tragen sie letztendlich auch in Baden-Württemberg zur Schaffung einer Basis der Evidenzgenerierung bei.“
Neue Standards und Prozesse erproben
Dieser Faktor spielt auch für Krankenkassen eine wichtige Rolle, wie Dr. Sabine Schwenk, Geschäftsführerin der AOK Ulm-Biberach, betont: „Die Personalisierte Medizin ist ein zukunftsträchtiges Thema, zu dem wir in Baden-Württemberg mit den Zentren für Personalisierte Medizin im onkologischen Bereich deutschlandweit bisher einzigartige Strukturen geschaffen haben.“ Schwenk sieht darin einen wichtigen Meilenstein, um neue Standards und Prozesse in einem überschaubaren Rahmen zu erproben. „Ziel ist es, Therapiemöglichkeiten, die schon eine gewisse Evidenz haben, aber noch nicht Goldstandard sind, standardisiert auszuprobieren und strukturiert Evidenz über deren Wirkungen zu erlangen. Dazu wurden in der krankenhausplanerischen Fachkonzeption zur Errichtung von Zentren für Personalisierte Medizin Struktur-, Prozess- und Qualitätsanforderungen definiert und die Vergütung der Leistungen in einer Finanzierungsvereinbarung geregelt.“ Wie das tatsächlich funktioniert und welche Erkenntnisse aus der Arbeit gezogen werden können, wird dabei von großem Interesse sein. Schwenk: „Einen ersten Bericht dazu erwarten wir im nächsten Jahr.“
Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft im BioPharma Cluster
Bei der Veranstaltung am 21. November in Ulm wird es auch darum gehen, wie Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten können – sowohl unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg auf Landesebene als auch regional mithilfe von Netzwerken wie dem BioPharma Cluster South Germany in Ulm. „Unser Cluster erstreckt sich von Ulm bis an den Bodensee und ist einer der bedeutendsten Standorte in Europa für biopharmazeutische Entwicklung und Produktion. Regionale Akteure aus Industrie und Wissenschaft – darunter Forschende der Universität Ulm und der Hochschule Biberach – arbeiten seit geraumer Zeit gemeinsam daran, die nächste Generation biologischer Wirkstoffe verfügbar zu machen“, erläutert Walter Pytlik, Leiter der Geschäftsstelle des BioPharma Clusters in Ulm.
Regionale Wertschöpfung wird gefördert
Regional verankerte Unternehmen wie der familiengeführte Pharmakonzern Boehringer Ingelheim in Biberach schätzen diese Art der sektorenübergreifenden Kooperation. „Baden-Württemberg setzt hier die richtigen Akzente und fördert damit die regionale Wertschöpfung und Innovation“, betont Dr. Fridtjof Traulsen, Standortleiter Biberach bei Boehringer Ingelheim und Mitglied der Geschäftsführung. Als einer der Sprecher des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg weiß er um die Bedeutung verschiedener Vernetzungsangebote für die Wirtschaft. „Kooperation und Vernetzung leisten hierzu einen erheblichen Beitrag. Insbesondere aus dem Biopharma Cluster heraus treiben wir mit Industrie und Akademie gemeinsam den Fortschritt, zum Beispiel bei den neuen innovativen viralen Therapeutika, voran.“ Denn aus solchen neuen Ansätzen von Arzneimittel-Typen ergeben sich aus seiner Sicht neue, vielversprechende Behandlungsansätze für Patientinnen und Patienten. „Zu den wichtigen Trends in der Herstellung gehören aber auch die zunehmend digitalisierten Produktionsverfahren und der Einsatz von maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz für beste Qualität und Effektivität“, ergänzt Traulsen.
Vernetzung als Motor für Innovation
Diese Themen spielen auch am Standort Ulm des internationalen Teva-Konzerns eine Rolle, wie Stefan Fügenschuh von der Teva Biotech GmbH in Ulm berichtet. „Der Teva-Standort Ulm ist Teil des süddeutschen Biotech-Clusters und zieht viele Talente, Spezialistinnen und Spezialisten an. Das ist ein starker Motor für neue Ideen und Innovationen. Wir sind zu einem Pionier für Automatisierung und Digitalisierung in dieser globalen Branche geworden.”
Ausblick: Digitaldruck von Medikamenten
Einen Ausblick auf die Arzneimittelproduktion der Zukunft wird es auf der Veranstaltung schließlich in einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Gerald Huber, Mitgründer und Executive Advisor des in Schwäbisch Gmünd angesiedelten Unternehmens DiHeSys, geben. Maßgeschneiderte Medikamente aus dem Digitaldrucker – so sieht Huber die Zukunft der Personalisierten Medizin. Dafür hat er zusammen mit seinem Team und mit Förderung der Landesregierung unter dem Dach des Forums Gesundheitsstandort Baden-Württemberg ein Arzneimittel-Druckverfahren entwickelt, das für die Patientinnen und Patienten entscheidende Vorteile bringt: eine gezieltere Wirksamkeit bei weniger Nebenwirkungen.
„Die Vision von DiHeSys ist, ein komplettes System für den individuellen, personalisierten 2D- und 3D-Druck von Medikamenten zu liefern“, so Huber. „Das umfasst nicht nur die Drucker selbst, sondern das gesamte System aus wirkstoffhaltigen Tinten sowie die Software. Zudem bietet der 2D-Druck zukünftig auch die Möglichkeit, mehrere Wirkstoffe in eine Arzneiform zu verdrucken, um die Patientensicherheit zu erhöhen.“