Im Rahmen einer dreijährigen Studie entdeckten Forscherinnen und Forscher des internationalen Konsortiums Metagonomics und Metadesign of Subways and Urban Biomes (MetaSUB) 10.928 Viren- und 748 Bakterienstämme, die noch in keiner Referenzdatenbank verzeichnet sind. In 60 Städten 32 verschiedener Länder sammelte das Forschungsteam um Daniela Bezdan (Universitätsklinikum Tübingen) und David Denko (Weill Cornell Graduate School New York) mehr als 5.000 Proben aus dicht besiedelten U-Bahn-Stationen, Bahnhöfen und Krankenhäusern, um diese durch Next-Generation Sequencing, einer Methode zur Sequenzierung von DNA, zu analysieren. Mithilfe der erforschten Mikrobenproben, sogenannten Mikrobiomen, hoffen die Forscherinnen und Forscher, mehr über Bakterien, Viren und andere Mikroorganismen zu erfahren, die unter den Menschen leben. "Obwohl weitere Forschung notwendig ist, zeigen diese Daten den Wert und das Potenzial der Mikrobiomkartierung und -überwachung sowie die Erkenntnisse, die sie Ärzten, Wissenschaftlern und Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens liefern können", sagt Daniela Bezdan.
Die groß angelegte Probenahme ergab eine stadtspezifische Mischung aus seltenen Bakterienarten, die ein einzigartiges Mikrobiom bilden, das es den Forscherinnen und Forschern ermöglichte, mit etwa 90-prozentiger Genauigkeit vorherzusagen, wo eine Person lebt – nur durch Sequenzierung der DNA auf ihren Schuhen. Es wurde festgestellt, dass viele Faktoren das Mikrobiom einer Stadt beeinflussen, darunter die Gesamtbevölkerung und Bevölkerungsdichte, die Höhenlage, die Nähe zum Meer und das Klima. Die Erkenntnisse über diese unterschiedlichen Signaturen könnten zukünftige forensische Studien ermöglichen.
"Ein Mikrobiom enthält ein molekulares Echo des Ortes, an dem es gesammelt wurde. Eine Küstenprobe kann salzliebende Mikroben enthalten, während eine Probe aus einer dicht besiedelten Stadt eine auffallende Artenvielfalt aufweisen kann", so Dr. Danko.
Diese neuen Erkenntnisse können zur Identifikation von antibiotikaresistenten Stämmen beitragen. Die Vorhersage von Antibiotikaresistenzen allein aus genetischen Sequenzen ist eine Herausforderung, doch das Forschungsteam war in der Lage, einige mit Resistenzen in Verbindung stehende Gene zu kartieren, ihre Häufigkeit zu bestimmen und ihre Fähigkeit zur Übertragung der Resistenzen zu bestätigen. Dabei zeigte sich, dass einige Städte mehr Resistenzgene aufweisen als andere und es somit für einige dieser Gene stadtspezifische Signaturen gibt. Da viele der derzeitig verwendeten Antibiotika und Medikamente aus mikrobieller Quelle gewonnen werden, soll die Erforschung der von den Mikroben hergestellten Moleküle und Proteine dabei helfen, weitere Moleküle und neue Antibiotika zu entdecken. Diese haben das Potenzial, zur Entwicklung neuer Medikamente als auch Laborwerkzeuge und -ansätze beizutragen.
Virenarten wie SARS-CoV-2 konnten mit der DNA-Analysemethoden dieser Studie nicht erkannt werden. "In zukünftigen Studien“, so erklärt Daniela Bezdan jedoch, „werden wir neben der DNA auch die RNA untersuchen, um RNA-Viren wie SARS-CoV-2 in städtischen Umgebungen von mehr als 50 Ländern weltweit nachweisen zu können."