Nun könnte die neue Methode ein Standardwerkzeug für die chemische und pharmazeutische Industrie werden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Advanced Materials veröffentlicht. (DOI: 10.1002/adma.202408547).
Die Chiralität eines Moleküls bezieht sich auf seine Grundstruktur: Manche Moleküle, sogenannte Enantiomere, treten paarweise und spiegelbildlich zueinander auf. Sie unterscheiden sich voneinander wie ein linker und rechter Handschuh. Je nachdem, ob die „verdrehte“ Struktur eines Moleküls links- oder rechtshändig ist, hat dies Einfluss auf seine biochemischen und chemischen Reaktionen. Trotz spiegelbildlicher Anordnung unterscheiden sich die Eigenschaften oder funktionieren sogar entgegengesetzt.
Bei Medikamenten kann das fatale Folgen haben: Als 1960 in Deutschland und England Kinder mit körperlichen Missbildungen zur Welt kamen, war die Ursache der Wirkstoff „Contergan“ oder „Thalidomid“. Das Medikament war werdenden Müttern gegen Schwangerschaftsbeschwerden verabreicht worden und wurde daraufhin verboten. Pharmaunternehmen müssen seitdem verpflichtend prüfen, ob sich die oft chiral aufgebauten Wirkstoffe im menschlichen Körper nicht in ihr entgegengesetztes Enantiomer umwandeln.
Methode erleichtert Suche nach Wirkstoffen
Nun ist es einem Team unter Leitung von Professor Jan Korvink, Direktor des Instituts für Mikrostrukturtechnik des KIT, gemeinsam mit der Voxalytic GmbH, einer Ausgründung des KIT und der Universität Freiburg, gelungen, die chirale Molekülstruktur direkt durch Kernspinresonanzspektroskopie, auch NMR-Spektroskopie genannt (NMR steht für engl. nuclear magnetic resonance), zu messen.
Obwohl NMR-Spektroskopie als einzige Methode chemische Strukturen bei Raumtemperatur bis zur atomaren Auflösung aufklären kann, war sie bisher „blind“ für die Chiralität von Molekülen. Um die „Verdrehungen“ eines Moleküls zu messen, wird bisher meist ein optisches Verfahren verwendet, das zwar grundsätzlich den Drehsinn erkennen kann, jedoch nicht bei atomarer Auflösung.
„Wir freuen uns sehr über die Möglichkeit, diese Methode zu einem praktischen Werkzeug für die Industrie zu machen und haben das Konzept patentiert“, sagt Jan Korvink. Damit könne die Chiralitätsaufklärung künftig zum Standardrepertoire der NMR-Analyse gehören, erklärt Dr. Sagar Wadhwa von Voxalytic, der zu diesem Thema promoviert hat. „Dies wird besonders Chemikerinnen und Chemikern die Arbeit erleichtern, die an der Herstellung spezifischer Enantiomere forschen.“ Dr. Dominique Buyens, Biochemikerin und Postdoktorandin am KIT, fügt hinzu: „Wir werden die neue Methode für den Einsatz in der Arzneimittelentwicklung untersuchen, dies könnte die Suche nach Wirkstoffen erheblich beschleunigen.“
Das KIT-Team wird durch einen ERC Synergy Grant „HiSCORE“, den CRC HyPERiON und die Helmholtz-Gemeinschaft VIRTMAT gefördert.