KI und Videosprechstunde zur effizienteren Beratung bei genetisch bedingten Krankheiten
Mit einem KI-basierten Tool zur Online Genetischen Beratung (‚KI-OGB‘) will ein grenzüberschreitendes Konsortium eine effizientere Beratung sowie Diagnosestellung bei seltenen genetischen Erkrankungen ermöglichen. Das gemeinsame Projekt des Zentrums für Labormedizin St.Gallen, der medicalvalues GmbH und der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) wird mit rund 500.000 Euro für drei Jahre im Programm Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein gefördert. Entstanden ist es aus der Initiative ‘Smart Health Region 2025‘ des Gesundheitsnetzwerks BioLAGO zur optimierten regionalen Gesundheitsversorgung durch Digitalisierung und KI.
Durch die Fortschritte in der medizinischen Forschung werden immer mehr genetische Ursachen für bestimmte Erkrankungen bekannt. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Seltene Erkrankungen, von denen nur etwa einer von 2.000 Menschen betroffen ist. Allerdings gibt es mehr als 6.000 unterschiedliche Krankheitsbilder, jährlich kommen neue hinzu, so dass sie insgesamt betrachtet alles andere als selten sind. In Europa leben Schätzungen zufolge etwa 30 Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung, bei über 70 % davon sind genetische Veränderungen die Ursache.
Mit den wachsenden Möglichkeiten zur Diagnostik solcher Veränderungen steigt auch die Zahl der genetischen Analysen und der Überweisungen durch verschiedene Fachärzte an Fachpraxen für Medizinische Genetik. Die Genetische Beratung hat einen großen Stellenwert bei der Betreuung der Betroffenen sowie der Ergebnisvermittlung und ggf. Besprechung mit den Kolleginnen und Kollegen. Sie klären über Risiken, medizinische Optionen und mögliche Folgen der genetischen Veränderungen auf und bereiten die Patientinnen und Patienten auf potenzielle Herausforderungen, diagnostische Maßnahmen und Weiterbehandlungen vor. Dabei muss es Ihnen gelingen, die komplexen Ergebnisse auch für Laien verständlich zu machen.
„Der Zeitaufwand ist sehr hoch, sowohl für die Beratung selbst als auch für die Vor- und Nachbereitung und Dokumentation“, schildert Dr. med. Poupak Javaher, Fachärztin für Humangenetik und Medizinische Genetik am Zentrum für Labormedizin St. Gallen (ZLM). Durch die begrenzte Zahl an Fachpraxen für Medizinische Genetik und den großen Aufwand kommt es zu langen Wartezeiten für die Betroffenen, oft kann ein Jahr vergehen bis zum ersten Termin.
Künstliche Intelligenz unterstützt Ärzte bei der Diagnose
Genau hier will das ZLM ansetzen. Gemeinsam mit dem Unternehmen medicalvalues aus Karlsruhe und der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) entwickeln sie im Projekt ‘KI-OBG‘ ein KI-basiertes Tool zur Online Genetischen Beratung. Damit sollen die knappen Ressourcen in den Arztpraxen besser genutzt werden, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. „Das KI-Tool soll die Patientendaten erfassen, strukturieren und aufbereiten, dabei medizinische Zusammenhänge auf Basis von aktuellem Forschungswissen analysieren und patientenindividuelle Diagnosevorschläge machen“, erklärt Jan Kirchhoff vom Unternehmen medicalvalues. Zusätzlich werden die MedizinerInnen in der Dokumentation und Ergebnisaufbereitung sowie Befunderstellung unterstützt. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt durch Prof. Dr. phil. Silvia Queri, Studiendekanin für Angewandte Psychologie an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU), die eine Kommunikationspsychologische Evaluierung der Beratung erstellt. Durch den zusätzlichen Einsatz von Telemedizin für eine ortsunabhängige Beratung soll so ein schnellerer Zugang zur Genetischen Beratung erreicht werden. Damit kann die Diagnose und Behandlung von genetisch bedingten Erkrankungen verbessert und damit den Betroffenen schneller geholfen werden. Das Projekt ‘KI-OGB‘ wird im Programm Interreg Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein mit 500.000 € über rund drei Jahre gefördert.
BioLAGO schaffte die Basis für das Deutsch-Schweizer Kooperationsprojekt
Die Partner zusammengeführt und beraten hat das bodenseeweite Gesundheitsnetzwerk BioLAGO im Rahmen seiner Initiative ‚Smart Health Region 2025'. Ziel dieser ist die Optimierung der regionalen Gesundheitsversorgung und Pflege durch Digitalisierung und KI. „Wir freuen uns über diesen Erfolg, der Patientinnen und Patienten zugutekommt. Es ist ein weiteres Beispiel für länderübergreifende Projekte, die ohne BioLAGO nicht entstanden wären“, erklärt Andreas Baur, Geschäftsführer von BioLAGO. Inzwischen sind 36 Partner aus drei Ländern aus Industrie, Forschung sowie Medizin und Pflege an der Smart Health Region-Initiative beteiligt. Diese arbeiten an Pilot-Lösungen, wie z.B. Schnelltests und telemedizinische Anwendungen. Seit dem Start in 2023 wurden aus der SHR-Initiative bereits 7 Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit einem Volumen von über 7 Mio. € entwickelt und hierfür Fördermittel eingereicht. Neben ‚KI-OGB‘ ist mit ‘Chemo.Pro‘ ein weiteres Digitalisierungsprojekt im Bereich der Krebstherapie bereits entstanden. ‘Smart Health Region 2025‘ wird gefördert im Programm Interreg VI Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein.