Die Wirtschaftsressorts der Länder haben sich gestern, am 25. November, einstimmig darauf verständigt, sich weiter für die Belange der Medizintechnik-Unternehmen stark zu machen. Auf Initiative Baden-Württembergs wurde gemeinsam mit dem Saarland ein Beschlussvorschlag im Rahmen der Amtschefkonferenz der Wirtschaftsministerkonferenz eingebracht. Ziel ist es, die Branche bei ihren großen Herausforderungen bei der Umsetzung der europäischen Medizinprodukte-Regelung (MDR) und der europäischen Regulierung für In-Vitro-Diagnostika-Produkte (IVDR) zu unterstützen.
„Ich bin froh, dass auch die anderen Länder den dringenden Handlungsbedarf im Medizintechnikbereich weiterhin sehen und unsere Initiative erfolgreich war. Damit haben wir einen weiteren wichtigen Schritt unternommen, um unsere vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Medizintechnik-Branche bei den Herausforderungen, die durch die MDR und IVDR entstehen, mit aller Kraft zu unterstützen“, sagte die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut. Die Stärke der Gesundheitsindustrie im Land liege vor allem in ihrem enormen Innovationspotential. Das dürfe durch unverhältnismäßige Regulierungen auf keinen Fall gefährdet werden.
Land setzt sich auf europäischer und nationaler Ebene für Branche ein
„Es gilt, zu verhindern, dass unser Wirtschaftsstandort geschwächt wird. Denn Unternehmen geraten unverschuldet in Not, weil sie die Hürden der Verordnung alleine nicht überwinden können. Zum anderen drohen damit auch gravierende Versorgungsengpässe für Patientinnen und Patienten, die wir nicht riskieren dürfen“, sagte Hoffmeister-Kraut.
Das Wirtschaftsministerium setzt sich daher seit Bekanntwerden der Notlage für die Medizintechnik-Branche auf europäischer und nationaler Ebene ein. Neben dem politischen Engagement hat das Wirtschaftsministerium außerdem das MDR & IVDR-Soforthilfeprogramm bei der Landesagentur BIOPRO aufgesetzt. Um gezielt zu unterstützen, wurde zudem das MDR- & IVDR-Kompetenzzentrum als wichtige Anlaufstelle für Unternehmen geschaffen.
Geringe Anzahl der Zulassungsstellen ist zentrales Problem
Anliegen der Initiative bei der Wirtschaftsministerkonferenz war es zum einen, den weiteren dringenden Handlungsbedarf auch auf Bundesebene erneut deutlich zu machen. Zentrales Problem ist insbesondere die zu geringe Anzahl der Zulassungsstellen, der sogenannten „Benannten Stellen“.
Zudem wird die Bundesregierung mit dem gemeinsamen Beschluss darum gebeten, sich im Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union (EU) dafür einzusetzen, dass die bereits von der EU-Kommission angekündigte Verlängerung der Fristen bei der IVDR schnellstmöglich umgesetzt wird. Denn die Unternehmen benötigen rechtliche Sicherheit für die Planung ihrer Produktion, Verpackung und Kennzeichnung für die Produkte, die im kommenden Jahr im Markt sein sollen und in der Versorgung dringend benötigt werden.
Auch bezüglich der bereits in Kraft getretenen MDR gibt es noch dringenden Handlungsbedarf, um weitere Produktportfoliobereinigungen, Geschäftsaufgaben und Versorgungsengpässe für Medizinprodukte abzuwenden. Das Land Baden-Württemberg hat der Europäischen Kommission hierfür Handlungsempfehlungen vorgelegt, die beschreiben, wie unter Berücksichtigung der bestehenden rechtlichen Formulierungen der MDR insbesondere für Nischen- und Bestandsprodukte bereits jetzt in den Kliniken eingetretene und in zunehmendem Maße drohende Versorgungsengpässe bei Medizinprodukten vermieden werden könnten. Auch könnte so eine weitere Abwanderung von Innovationen und eine weitere Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland im Bereich der Medizintechnik vermieden werden.
MDR und IVDR
Mit Inkrafttreten der MDR und IVDR sollen Medizinprodukte für die Anwenderinnen und Anwender sicherer werden. Für viele Unternehmen bedeuten die neuen Regularien jedoch eine große Herausforderung und einen hohen Aufwand, der vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen kaum zu leisten ist – sie befürchten Geschäftsaufgaben, Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Innovationshemmnisse.
Mit dem verpflichtenden Inkrafttreten der EU-Regulierungen muss künftig auch für bereits zugelassene Medizintechnik- und Diagnostika-Produkte eine neue Zertifizierung beantragt werden. Doch eine ausreichende Anzahl der dafür notwendigen Zulassungsstellen, sogenannte „Benannte Stellen“, fehlt. Vielen wichtigen Produkten – sowohl Bestandsprodukten als auch neuen Produkten, darunter beispielsweise Corona-Tests – drohen damit große Hürden bei der Zertifizierung.