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Magnetische Mikroalgen werden zu Robotern

Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme haben eine einzellige grüne Mikroalge mit magnetischem Material beschichtet. Dieser Miniaturroboter wurde auf die Probe gestellt: Würde die Mikroalge mit ihrer magnetischen Beschichtung in der Lage sein, durch enge Räume zu schwimmen – und als wäre das nicht schon Herausforderung genug – durch eine zähe Flüssigkeit, wie sie etwa im menschlichen Körper vorkommt? Würde sich der winzige Roboter unter diesen schwierigen Bedingungen seinen Weg bahnen können? Die Forschungsergebnisse des Teams wurden nun in der Zeitschrift „Matter“ veröffentlicht.

Forschende des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) haben einen mit magnetischen Partikeln überzogenen Mikroschwimmer entwickelt, dessen Schwimmfähigkeit durch die Beschichtung weitgehend unbeeinträchtigt bleibt. Das Team der Abteilung für Physische Intelligenz am MPI-IS veröffentlichte seine Arbeit im Fachjournal „Matter“, das ein breites Spektrum materialwissenschaftlicher Forschung abdeckt.

In der Natur sind einzellige Mikroalgen fantastische Schwimmer. Zwei antennenartige Fühler an der Vorderseite vollziehen eine Schwimmbewegung, welche die Zelle vorwärts katapultiert. Das Team des MPI-IS wollte herausfinden, was passiert, wenn sie die Algen mit dem natürlichen Polymer Chitosan (für eine gute Haftung) sowie mit magnetischen Nanopartikeln beschichten. Würde der Schwimmer von gerade mal zehn Mikrometern Größe weiterhin in der Lage sein, sich seinen Weg durch enge Zwischenräume zu bahnen? Und würde es ihm gelingen – als wäre die erste Herausforderung nicht schon groß genug – sich durch eine zähe Flüssigkeit mit einer Dichte ähnlich wie Schleim hindurch zu kämpfen?

Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass ihre biohybriden Mikroschwimmer von der Beschichtung kaum beeinträchtigt wurden. Dank der Brustschwimmbewegung der kleinen Fühler an der Vorderseite flitzten die beschichteten Algen mit einer fast unveränderten Schwimmgeschwindigkeit vorwärts: Sie erreichten 115 Mikrometer pro Sekunde – etwa 12 Körperlängen pro Sekunde. Zum Vergleich: Olympiasieger Michael Phelps erreichte zu Bestzeiten eine Geschwindigkeit von 1,4 Körperlängen pro Sekunde. Die Alge aber ist nur eine Zelle ohne Beine und Füße.

Birgül Akolpoglu und Saadet Fatma Baltaci, die die Forschungsarbeit gemeinsam leiteten, untersuchten vor einigen Jahren, wie bakterienbasierte Mikroschwimmer in Flüssigkeiten magnetisch gesteuert werden können, um sie eines Tages als Transportmittel für Medikamente einzusetzen. Nun haben sie sich Mikroalgen zugewandt. Das Ziel der beiden Forscherinnen war es, die Oberfläche der einzelligen Organismen mit einem magnetischen Material so zu funktionalisieren, dass die Zellen in jede gewünschte Richtung gelenkt werden können – und so die Mikroalge in einen Mikroroboter zu verwandeln.

Die Beschichtung der Zellen dauerte nur wenige Minuten und funktionierte bei fast immer: neun von zehn Algen konnten die Frauen erfolgreich mit magnetischen Nanopartikeln beschichten. Sie testeten ihren Biohybrid-Roboter zunächst in einer Flüssigkeit, die so dünnflüssig wie Wasser war. Mithilfe externer Magnetfelder konnten sie die Roboter in jede beliebige Richtung steuern. Anschließend lenkten die Forscherinnen ihre Roboter entlang winziger 3D-gedruckter Röhrchen – eine stark eingegrenzte Umgebung höchsten dreimal so breit wie die Mikroalgen. Um zu sehen, ob auch hier die Steuerung klappt, richtete das Team zwei verschiedene Systeme ein: eines mit Magnetspulen und eines mit Permanentmagneten um das Mikroskop herum. Sie erzeugten ein gleichmäßiges Magnetfeld und änderten wiederholt dessen Richtung.

„Wir haben festgestellt, dass die Algen in den 3D-gedruckten Mikrokanälen auf drei Arten navigieren: Rückwärtsbewegung, Kreuzung und magnetische Kreuzung. Ohne magnetische Steuerung blieben die Algen oft stecken und bewegten sich zurück zum Start. Mit magnetischer Steuerung bewegten sie sich jedoch reibungsloser und umgingen Hindernisse“, sagt die Co-Erstautorin der Publikation, Birgül Akolpoglu. „Die magnetische Steuerung half den Mikroschwimmern, sich an der Richtung des Feldes auszurichten. Sie zeigten echtes Potenzial für die Navigation in engen Räumen – als würde man sie mit einer Art winzigem GPS ausstatten!“

In einem nächsten Schritt erhöhte das Team die Viskosität der Flüssigkeit und schickte seine Mikroroboter erneut durch die engen Kanäle.

„Wir wollten testen, wie sich unsere Schwimmer in einer Umgebung verhalten, die Schleim ähnelt. Wir stellten fest, dass die Viskosität die Schwimmfähigkeit der Mikroalgen beeinflusst. Eine höhere Viskosität verlangsamt sie und verändert die Art und Weise, wie sie sich fortbewegen. Als wir das Magnetfeld anlegten, schwangen die Schwimmer hin und her – sie bewegten sich in einem Zickzackmuster vorwärts. Dies zeigt, wie die Feinabstimmung von Viskosität und magnetischer Ausrichtung die Navigation von Mikrorobotern in komplexen Umgebungen optimieren kann“, fügt Baltaci hinzu.

„Unsere Vision ist es, die Mikroroboter in komplexen und kleinen Umgebungen einzusetzen, die stark eingegrenzt sind, wie sie z.B. in unserem Gewebe vorkommen. Unsere Ergebnisse öffnen Türen für Anwendungen wie die gezielte Medikamentenabgabe und bieten eine biokompatible Lösung für medizinische Behandlungen mit einem aufregenden Potenzial für zukünftige Innovationen in der Biomedizin und darüber hinaus“, so das Team abschließend.

Publikation:
Akolpoglu et al., Navigating microalgal biohybrids through confinements with magnetic guidance, Matter (2025), https://doi.org/10.1016/j.matt.2025.102052

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/magnetische-mikroalgen-werden-zu-robotern