Mastzellen haben einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung chronischer myeloischer Leukämie
Chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine Art von Blutkrebs, die durch bösartige Veränderungen von blutbildenden Zellen des Knochenmarks entsteht. Sie tritt meist bei älteren Menschen auf: etwa 20 Prozent der Leukämie-Erkrankten im Erwachsenenalter leiden an dieser Art. Ein Forschungsteam um Dr. Sebastian Halbach, Melanie Langhammer und Dr. Julia Schöpf vom Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg konnte nun erstmals zeigen, dass Mastzellen eine entscheidende Rolle in der Entstehung von CML spielen und daher auch als zusätzliches therapeutisches Ziel in der Klinik dienen könnten.
„Es war wirklich beeindruckend zu sehen, dass Mäuse, denen Mastzellen fehlten, nicht mehr schwer an CML erkrankten“, sagt Studienleiter Halbach. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Leukemia erschienen.
Deutlich erhöhte Zytokine
Mastzellen sind Zellen des Immunsystems, die eigentlich bei der Abwehr von Krankheitserregern, aber auch bei Allergien eine entscheidende Rolle spielen. Mastzellen geben hierbei entzündungsfördernde Botenstoffe ab, sogenannte proinflammatorische Zytokine, die für die Immunreaktion entscheidend sind. Proinflammatorische Zytokine werden aber auch häufig in der Mikroumgebung von Tumoren gefunden und stehen im Verdacht, die Krebsentwicklung entscheidend zu fördern. Mit einem Mausmodell für die CML konnten die Wissenschaftler*innen nun erstmals zeigen, dass Zytokine in der CML tatsächlich von Mastzellen stammen könnten.
Zunächst fanden die Forschenden bei Mäusen, die an Leukämie erkrankt sind, eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Mastzellen im Knochenmark. In anschließenden Experimenten konnten sie nachweisen, dass das Onkogen Bcr-Abl als krebsauslösendes Protein der CML die Kontrolle über diese Mastzellen übernommen hatte. Dadurch kam es zu einer deutlich erhöhten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen. Folgerichtig zeigten Mäuse, die aufgrund ihrer genetischen Veranlagung keine Mastzellen besitzen, keine Erhöhung von proinflammatorischen Zytokinen. Zudem entwickelten diese Tiere keine Splenomegalie, eine krankhafte Vergrößerung der Milz, welche ansonsten häufig bei Leukämien zu beobachten ist.
Klinische Daten untermauern Ergebnisse
Für die Studie kooperierte das Team mit Prof. Dr. Tilman Brummer, Professor für Medizinische Zellforschung und Signaltransduktion an der Universität Freiburg, Dr. Khalid Shoumariyeh und Prof. Dr. Heiko Becker vom Universitätsklinikum Freiburg sowie Dr. Mirle Schemionek-Reinders und Prof. Dr. Michael Huber vom Universitätsklinikum Aachen. Mithilfe der Partner konnten die Erkenntnisse aus dem Tiermodel abschließend durch klinische Daten von CML-Patient*innen untermauert werden: Zum einen ließ sich zeigen, dass Erkrankte mit einer stark ausgeprägten Splenomegalie häufig auch eine erhöhte Anzahl von Mastzellen in ihrem Knochenmark aufweisen. Zum anderen hatten Patient*innen mit erhöhten Konzentrationen an Tryptase, einem Leitenzym von Mastzellen, auch einen erhöhten Spiegel an proinflammatorischen Zytokinen im Blut.
„Diese Ergebnisse könnten die Grundlage für neue Therapieansätze sein“, erklärt Halbach. Durch die Entdeckung des Bcr-Abl-Onkogens als Auslöser der CML konnte zwar die sogenannte Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) zur Behandlung entwickelt werden. Allerdings ist es damit meist nicht möglich, alle kranken Zellen – besonders die Leukämie-Stammzellen im Knochenmark – abzutöten, weshalb eine lebenslange Behandlung erforderlich ist. Dabei entwickeln sich häufig Resistenzen gegenüber den eingesetzten TKIs, die zu einem Rückfall führen können. Außerdem ist die lebenslange Einnahme von TKIs mit einer hohen Belastung für die Patienten durch Nebenwirkungen verbunden.
Mastzellen als Ansatzpunkt
„Es ist daher von großer Bedeutung, neue und effektivere Therapiemethoden zu entwickeln“, sagt Halbach. Und auch zur weiteren Erforschung vieler Krebsarten über die CML hinaus biete die Studie Anregungen: „Ich bin davon überzeugt, dass Mastzellen auch bei anderen Krebserkrankungen eine wichtige Rolle spielen, da auch hier proinflammatorische Zytokine häufig hoch reguliert gefunden werden.“