Mikroskopisch kleine Kraken aus dem 3D-Drucker
Auf den ersten Blick nur possierliche Tierchen: Die mikroskopisch kleinen Geckos und Kraken, die in den Laboren des Molecular Engineering der Universität Heidelberg mittels 3D-Laserdruck hergestellt wurden, könnten jedoch in Forschungsgebieten wie der Mikrorobotik oder Biomedizin neue Möglichkeiten erschließen. Die gedruckten Mikrostrukturen bestehen aus neuartigen Materialien – sogenannten intelligenten Polymeren –, die in ihrer Größe und ihren mechanischen Eigenschaften je nach Anforderung mit hoher Präzision angepasst werden können. Entwickelt wurden diese „lebensechten“ 3D-Mikrostrukturen im Rahmen des Exzellenzclusters „3D Matter Made to Order“ (3DMM2O), der von der Ruperto Carola und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) getragen wird.
„Die Herstellung programmierbarer Materialien, deren mechanische Eigenschaften je nach Bedarf angepasst werden können, ist für zahlreiche Anwendungen äußerst gefragt“, sagt Juniorprofessorin Dr. Eva Blasco, Leiterin einer Arbeitsgruppe am Organisch-Chemischen Institut und am Institute for Molecular Systems Engineering and Advanced Materials der Universität Heidelberg. Dieses Konzept wird als 4D-Druck bezeichnet. Dabei bezieht sich die zusätzliche vierte Dimension auf die Fähigkeit von dreidimensional gedruckten Objekten, ihre Eigenschaften im Verlauf der Zeit zu verändern. Ein typisches Material für den 4D Druck sind Formgedächtnispolymere – intelligente Materialien, die als Reaktion auf einen externen Stimulus wie die Temperatur aus einem verformten Zustand zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehren können.
Das Team von Prof. Blasco hat kürzlich eines der ersten Beispiele für dreidimensional gedruckte Formgedächtnispolymere auf der Mikroskala vorgestellt. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe des Biophysikers Prof. Dr. Joachim Spatz, Wissenschaftler an der Ruperto Carola und Direktor am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, entwickelten die Forscher ein neues Formgedächtnismaterial, das im Makrobereich ebenso wie im Mikrobereich mit hoher Auflösung 3D-gedruckt werden kann. So entstanden unter anderem boxartige Mikroarchitekturen, deren Deckel sich unter Hitzeeinwirkung schließen und anschließend wieder öffnen lassen. „Diese sehr kleinen Strukturen zeigen bei geringen Auslösetemperaturen außergewöhnliche Formgedächtniseigenschaften, was insbesondere für Bioanwendungen von großem Interesse ist“, sagt Christoph Spiegel, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Eva Blasco.
In einer Folgearbeit ist es den Forschern mithilfe von adaptiven Materialien gelungen, wesentlich komplexere 3D-Mikrostrukturen wie Geckos und Kraken oder auch Sonnenblumen mit „lebensechten“ Eigenschaften herzustellen. Diese Materialien beruhen auf dynamischen chemischen Bindungen. Besonders gut eignen sich nach Angaben der Heidelberger Wissenschaftler dafür sogenannte Alkoxyamine. Nach dem Druckvorgang sorgen diese dynamischen Bindungen dafür, dass die komplexen, mikrometrischen Gebilde in nur wenigen Stunden um das Achtfache ihres Volumens wachsen und sich verhärten, wobei die Form erhalten bleibt. „Herkömmliche Tinten verfügen nicht über solche Eigenschaften“, betont Prof. Blasco. „Adaptive Materialien mit dynamischen Bindungen haben eine vielversprechende Zukunft im Bereich des 3D-Drucks“, so die Chemikerin.
An der Forschung zu adaptiven Materialien mit „lebensechten“ Eigenschaften waren auch Materialwissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Carl-Zeiss-Stiftung haben die im Rahmen des Exzellenzclusters 3DMM2O durchgeführten Arbeiten gefördert. Die Forschungsergebnisse wurden in zwei Papers in der Fachzeitschrift „Advanced Functional Materials“ veröffentlicht.