Neue Erkenntnisse zu Immuntherapien gegen Krebs
Immuntherapien sind ein fester Bestandteil in der Behandlung verschiedener Krebsarten. Mit bestimmten Methoden stärken Ärztinnen und Ärzte hierbei das Immunsystem, um Tumorzellen wirkungsvoll zu bekämpfen. Bei besonders aggressiven Tumoren ist die Wirksamkeit der Krebstherapie aufgrund spezieller Eigenschaften der Krebszellen jedoch eingeschränkt. Eine Studie von Wissenschaftlern der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen und des Universitätsklinikums Tübingen sowie den Universitäten Baltimore, Houston, Tel-Aviv, Leiden und Berlin könnte nun neue Hoffnung für die erfolgreiche Behandlung von Krebspatienten bringen. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im renommierten Wissenschaftsjournal Molecular Cancer veröffentlicht.
In ihrer Studie haben sich die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Privatdozent Dr. Manfred Kneilling, Dermatologe an der Universitäts-Hautklinik Tübingen und Leiter des Labors für Inflammation und Immunologie am Werner Siemens Imaging Center, auf die Regulationsmechanismen eines bestimmten Proteins (PD-L1 Protein, engl. programmed death-ligand 1) konzentriert. Dieses spielt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Ausbreitung von Tumoren und kann die körpereigene Immunabwehr gegen Krebszellen beeinträchtigen.
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Übersäuerung (Azidose) der Zellumgebung von Tumoren ‒ eine häufige Eigenschaft von aggressiven Krebszellen ‒ die Expression des Proteins PD-L1 auf aggressive Krebszellen steigert. Dieser Mechanismus schützt die Krebszellen vor Angriffen durch T-Zellen, die für die körpereigenen erworbene Immunabwehr zuständig sind. Die Konsequenz: Der Tumor entzieht sich der Überwachung des Immunsystems und kann sich ausbreiten.
„Ein wichtiger Schritt zu personalisierter Medizin“
Die Studie eröffnet vielversprechende Perspektiven für die Entwicklung zukünftiger Therapieoptionen, denn man könnte der Übersäuerung von Tumoren therapeutisch entgegenwirken und so die Wirksamkeit von Immuntherapien, insbesondere von sogenannten Immun-Checkpointblockade-Therapien gegen Krebserkrankungen in der Krebsbehandlung verbessern. Zudem scheint es, dass Tumore, welche in der übersäuerten Zellumgebung eine vermehrte Expression des Proteins PD-L1 aufweisen, sehr gut auf die Immuntherapie ansprechen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die übersäuerte Tumorzellumgebung potenzielle Angriffspunkte für neue Therapien zur Hemmung des Tumorwachstums darstellen könnte", erklärt Studienleiter Kneilling.
Ob die Tumorzellumgebung übersäuert ist, kann das Team von Professor André Martins von der Radiologischen Klinik nicht-invasiv mit einer speziellen MRT Methode messen.
Die Erkenntnisse könnten den Weg für zielgerichtete Behandlungen ebnen, die individuell auf die Art des Krebses eines Patienten abgestimmt sind. „Unsere Forschung ist ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierter Medizin. Wir hoffen, die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Immuntherapien zu verbessern", fügt Kneilling hinzu. Krebsbehandlungen mit Immuntherapien verlaufen bisher zwar in vielen Fällen erfolgreich, doch sie können Nebenwirkungen haben: Starke Erschöpfung, Hautausschläge und Juckreiz, Magen-Darm-Beschwerden oder Entzündungen von Organen können auftreten, wenn das Immunsystem während der Behandlung überreagiert.
Hintergrund: Immuntherapie bei Krebs
Die Reaktionen und Abläufe des Immunsystems unterliegen einer sorgfältigen Steuerung. Eine wichtige Rolle spielen hierbei sogenannte Immun-Checkpoints. Dabei handelt es sich um Proteine auf der Oberfläche von Tumorzellen und Immunzellen, wie den T-Zellen. Diese spezialisierten Zellen greifen normalerweise schädliche Zellen, etwa Tumorzellen, an. Über die Immun-Checkpoints, wie etwa dem PD-L1 Protein, können Abwehrreaktionen der T-Zellen angeregt und wieder gebremst werden. Manche Krebszellen schaffen es, die Immun-Checkpoints der Abwehrzellen so zu beeinflussen, dass sie die Funktion der T-Zellen mithilfe dieser Immun-Checkpoints schwächen und so der körpereigenen Immunabwehr entgehen: Die Immunzellen können die Krebszellen dann nicht mehr angreifen und beseitigen. Studien wie die der Forschungsgruppe aus Tübingen setzten hier an und versuchen, die Wirksamkeit von Immuntherapien bei Krebspatienten zu verbessern.