Forschungsleiterin Prof. Evelina Tacconelli aus Tübingen führte die Studie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) unter Federführung der Universitätsklinika Tübingen und Freiburg durch. Die Universitätskliniken Berlin, Gießen, Köln und Lübeck sind ebenfalls beteiligt – die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Lancet Infectious Diseases veröffentlicht.
Im vergangenen Jahrzehnt ist die Anzahl der Blutstrominfektionen durch multiresistente Erreger (MRE) massiv gestiegen: Europäische Daten zeigen, dass sich schätzungsweise sechs Prozent der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus mit einer BSI infizieren – das sind jährlich rund 3,2 Mio. Fälle. Etwa 150.000 Menschen versterben daran. Generell hängen die Schwere und der Verlauf der bakteriellen Infektion von den auslösenden Bakterien, dem zugrundeliegenden Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten sowie von der Behandlung gegen die Infektion ab. Die Auswirkungen dauern oftmals mehrere Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus an.
Obwohl Vorhersagemodelle für die Prognose bereits existieren, sind diese bislang auf bestimmte Krankheitserreger oder Intensivpatienten und -patientinnen beschränkt und betreffen vor allem die kurzfristige Prognose innerhalb des Krankenhausaufenthalts. Die langfristigen Auswirkungen der Blutstrominfektion nach der Entlassung sind erst in den letzten Jahren in den Fokus der Forschenden gerückt.
Multizentrische Kohortenstudie BLOOMY* zur 14-Tages und 6-Monats-Sterblichkeit
Mit dem Ziel die Kurz- und Langzeitsterblichkeit bei Patientinnen und Patienten mit BSI sowohl auf der Normal- als auch auf der Intensivstation und mit verschiedenen Keimen besser prognostizieren zu können, wurden Daten für die multizentrische Kohortenstudie unter der Leitung von Prof. Evelina Tacconelli mit rund 2.500 Patienten und Patientinnen an allen Standorten prospektiv erhoben. Mikrobiologische, klinische, laborchemische sowie Behandlungs- und Überlebensdaten spielten eine Rolle für die Untersuchung der 14-Tages und 6-Monats-Sterblichkeit, insgesamt wurden über 1.000 Variablen pro Patient bzw. pro Patientin analysiert. Auf deren Grundlage ließen sich mathematische Modelle für die frühzeitige Vorhersage der Sterblichkeit nach 14 Tagen bzw. nach 6 Monaten erstellen.
Dabei fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass für beide Zeiträume Faktoren wie das Alter, maligne Vorerkrankungen und bestimmte Keime sowie der BMI, Thrombozyten- sowie Leukozytenzahlen und der Entzündungsmarker CRP ebenso maßgeblich sind, wie die Frage, ob die Betroffenen im Krankenhaus erkrankt sind. Zusätzliche Variablen für die Vorhersage der 14-Tage-Sterblichkeit waren der mentale Status, ein zu niedriger Blutdruck und die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung. Für die Vorhersage der 6-Monats-Mortalität hingegen waren zusätzlich der Infektionsherd, Komplikationen während des Krankenhausaufenthaltes sowie die Nierenfunktion bei Behandlungsende relevant.
Das Ergebnis der Studie
Die Auswertungsergebnisse wurden zu zwei klinischen Scores zusammengeführt, mit denen bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung jeweils die Vorhersagen für die 14-Tages- sowie 6-Monats-Sterblichkeit erheblich präziser erfolgen können. Beide Scores wurden im Anschluss bei weiteren rund 1.000 Patientinnen und Patienten aus den verschiedenen Zentren erfolgreich auf ihre Vorhersagekraft validiert.
„Unsere Studie zeigt, dass die BLOOMY*-Scores eine gute Trennschärfe und damit Vorhersagekraft in Bezug auf die kurz- und langfristige Sterblichkeit nach Blutstrominfektion aufweisen und mithilfe derer wir differenzierte BSI-Managementprotokolle entwickeln können“, erklärt DZIF-Studienleiterin Prof. Evelina Tacconelli. Oberärztin Dr. Siri Göpel, Mitglied der Forschungsgruppe aus Tübingen erläutert: „Wir können somit frühzeitig jene Patientinnen und Patienten im Behandlungsverlauf identifizieren, die ein sehr hohes Risiko haben und diese beispielsweise engmaschiger überwachen. Auch nach der Entlassung ließen sich Erkrankte mit einem hohen Langzeitrisiko gezielt überwachen. Weitere Studien könnten evaluieren, ob spezielle Maßnahmen die Prognose bei diesen Patientinnen und Patienten verbessern können.“