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Resistenzmechanismus bei chronischer lymphatischer Leukämie identifiziert

Forschenden im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist es gelungen, einen Resistenzmechanismus zu entschlüsseln, der häufig bei einer bestimmten zielgerichteten Therapie gegen die chronische lymphatische Leukämie (CLL) auftritt. Das Medikament Ibrutinib ist in vielen Fällen zunächst wirksam, im Verlauf der Behandlung kommt es allerdings meist zu einer Therapieresistenz.

In Laborversuchen und bei Mäusen gelang es, den Resistenzmechanismus mit einem zweiten Wirkstoff auszuhebeln.

Das Medikament Ibrutinib zählt zu den Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren, kurz BTK-Inhibitoren. Diese Wirkstoffe, die erst seit rund zehn Jahren zur Verfügung stehen, haben die Behandlungsmöglichkeiten bei chronischer lymphatischer Leukämie entscheidend verbessert: BTK-Inhibitoren wirken zielgerichtet auf die bei CLL entarteten B-Zellen – einen speziellen Typ weißer Blutkörperchen. Sie bremsen deren unkontrollierte Vermehrung, indem sie die Bruton-Tyrosinkinase blockieren. Dieses Enzym spielt bei der Reifung und Wucherung von B-Zellen eine wichtige Rolle.

Ibrutinib zeigt bei vielen Patientinnen und Patienten zunächst eine gute Wirkung. Die enorme Anpassungsfähigkeit von Krebszellen ermöglicht es ihnen jedoch, gegenüber Krebsmedikamenten resistent zu werden. So verliert das Medikament im Laufe der Zeit bei fast allen CLL-Patienten seine Wirksamkeit, und die Krankheit kommt mit großer Wucht zurück. Die Krebszellen werden resistent und wachsen dann noch aggressiver als zuvor. Alternative Therapieoptionen für diese Situation werden dringend benötigt.

Sind Proteasom-Inhibitoren die Lösung?

Eine Forschungsgruppe um Martina Seiffert vom Deutschen Krebsforschungszentrum hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Mechanismen dazu führen, dass B-Zellen so häufig Resistenzen gegenüber Ibrutinib entwickeln. Dazu züchtete das Team Mäuse mit einer CLL, bei denen die Wirkung von Ibrutinib den auch bei Menschen typischen Verlauf zeigt: Zunächst ist die Wirksamkeit sehr gut, bei fortlaufender Therapie flammt die Erkrankung jedoch wieder auf und die entarteten B-Zellen vermehren sich rasant. In verschiedenen Phasen dieses Verlaufs entnahmen die Forscherinnen und Forscher den Mäusen Leukämiezellen und untersuchten, wie sich genetische Aktivitätsmuster und Proteinprofile in den Krebszellen veränderten. Dabei wurden sie auf Veränderungen in der Aktivität des Proteasoms aufmerksam.

Das Proteasom ist eine zelluläre Recyclinganlage, in der defekte Proteine abgebaut werden, sodass die Bausteine wiederverwertet werden können. Die veränderte Aktivität des Proteasoms im Verlauf der Ibrutinib-Behandlung lässt darauf schließen, dass der Abbau von Proteinen bei der Resistenzentwicklung von Bedeutung ist. Dass dies zutrifft, konnte durch den Einsatz von Proteasom-Inhibitoren bestätigt werden, mit denen man die Aktivität des Proteasoms herunterfahren kann.

Tatsächlich führte die Gabe des Proteasom-Inhibitors Carfilzomib bei CLL-Mäusen mit Ibrutinib-Resistenz zu einem längeren Überleben. Die Forschenden haben also offenbar eine Therapieoption entdeckt, die bei Ibrutinib-resistenter CLL Wirkung zeigt. Auch bei kultivierten menschlichen B-Zellen, die CLL-Patienten mit Ibrutinib-Resistenz entnommen worden waren, wirkten die Proteasom-Inhibitoren. Sie könnten demzufolge zukünftig eine Option sein, um CLL-Patienten, bei denen eine Resistenz gegenüber dem BTK-Inhibitor auftritt, erfolgreich behandeln zu können. Die Wirksamkeit dieser Behandlungsmöglichkeit bei CLL-Patienten muss nun in klinischen Studien erprobt werden.

Über das DKFZ:

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Publikation:
Arseni, L et al: Longitudinal omics data and preclinical treatment suggest the proteasome inhibitor carfilzomib as therapy for ibrutinib-resistant CLL. Nat Commun 2025: 16, 1041. https://doi.org/10.1038/s41467-025-56318-7

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/resistenzmechanismus-bei-chronischer-lymphatischer-leukaemie-identifiziert