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Schädliche Wechselwirkungen

Menschen mit einer HIV-​Infektion entwickeln selbst unter antiviraler Therapie (ART) häufig HIV-​assoziierte neurokognitive Störungen, wie beispielsweise Gedächtnis-​ oder Konzentrationsstörungen. Forschende unter Führung des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm (UKU) haben nun Faktoren identifiziert, welche die Vermehrung von HIV in Gehirnzellen verstärken. Diese Erkenntnisse liefern neue Einblicke in die Ursachen der häufigen neurologischen Komplikationen bei HIV-​Infektionen. Die wissenschaftliche Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications publiziert und ist in Zusammenarbeit zweier Sonderforschungsbereiche (SFB1279 und SFB1506) und unter Beteiligung von Forschenden des Instituts für Molekularen Virologie und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Ulm entstanden.

Trotz der Entwicklung effektiver antiretroviraler Therapien, welche die Vermehrung von HIV effektiv hemmen, stellen HIV-​assoziierte neurokognitive Störungen (HAND, „HIV-​associated neurocognitive disorders“) weiterhin eine große Herausforderung für Forschung und Medizin dar. Gedächtnis-​ und Konzentrationsstörungen, motorische Beeinträchtigungen, Stimmungsschwankungen, kognitive Defizite und Schlafstörungen sind Belastungen, die HIV-1 infizierte trotz Therapie häufig erleiden. In schwerwiegenden Fällen kann sogar eine HIV-​assoziierte Demenz die Folge sein.

Die neuen Forschungsergebnisse der Ulmer Forschenden zeigen, dass bestimmte Eiweißaggregate, insbesondere von α-​Synuclein, welches bei älteren Personen mit der Parkinson-​Erkrankung in Verbindung steht, die Vermehrung von HIV-1 in Immunzellen, wie T-​Zellen, Makrophagen und Mikroglia verstärken. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass ein Fragment des HIV-1 Hüllproteins, welches ähnliche Strukturen, sogenannte amyloide Fibrillen, ausbildet, die Bildung der α-​Synuclein Aggregate beschleunigt.

Mechanistische Untersuchungen zeigen, dass α-​Synuclein Fibrillen direkt mit HIV-1-​Partikeln interagieren und deren Anheftung und Verschmelzen mit Zielzellen verstärken. „Die Eiweißfibrillen, die auch bei neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer auftreten, helfen dem HI-​Virus dabei, in Immunzellen einzudringen und sich zu vermehren“, erläutert Prof. Dr. Frank Kirchhoff, Direktor des Instituts für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm. „Schädliche Interaktionen zwischen dem Virus und sogenannten amyloiden Aggregaten tragen somit wahrscheinlich zur Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen bei Menschen mit HIV bei.“

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine schädliche Wechselwirkung zwischen HIV-1 und Amyloid-​Fibrillen existiert. HIV-1 kann möglicherweise die Bildung dieser Fibrillen begünstigen, während diese dem Virus wiederum helfen, Zellen im Gehirn zu infizieren. Prof. Dr. Konstantin Sparrer, Gruppenleiter am Institut für Molekulare Virologie des UKU erklärt: „HIV und diese Eiweißaggregate beeinflussen sich gegenseitig: Fragmente des HIV Hüllproteins können die Bildung der amyloiden Fibrillen fördern, und diese helfen HIV-1 menschliche Zellen zu infizieren. Dieses Wechselspiel kann die häufigen kognitiven Probleme von HIV Infizierten erklären.“ Gemeinsam mit Prof. Dr. Karin Danzer forscht Prof. Sparrer dazu am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Ulm.

Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustrie-bw.de/fachbeitrag/pm/schaedliche-wechselwirkungen