Wenn Muskeln, Bänder, Sehnen, innere Organe oder auch das Gehirn genaustens untersucht werden sollen, kommt oftmals eine Magnetresonanztomographie (MRT) mit Kontrastmittel zum Einsatz. Besteht Verdacht auf bösartige Erkrankungen wie Tumore, ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) das Mittel der Wahl. Diese kann krankhaft veränderte Zellen besonders gut sichtbar machen. Die Medizin sucht seit der Entwicklung kombinierter MRT/PET-Systeme nach neuen Wegen, deren Vorteile weiter auszuschöpfen. Durch die Kombination würde die Anzahl der Untersuchungen sowie die Belastung für Patientinnen und Patienten reduziert werden. Die Kombination ist allerdings eine Herausforderung, denn für die Untersuchungen wird jeweils ein anderes Kontrastmittel mit verschiedenen Wirkmechanismus benötigt. Ein wissenschaftliches Team des Tübinger Werner Siemens Imaging Centers, des Exzellenzclusters iFIT der Tübinger Universität und der Akademie der Wissenschaft in Prag haben eine Lösung gefunden. Sie haben ein neues Molekül entwickelt, das sowohl in der MRT als auch in der PET verwendet werden kann. Die Entdeckung könnte die Diagnose und Behandlung, insbesondere von Nieren- und Tumorerkrankungen, erheblich verbessern.
Geräte für eine MRT und eine PET sehen von außen zwar ähnlich aus, funktionieren allerdings sehr unterschiedlich. Während eine MRT die Struktur von Organen und Gewebe darstellt, macht die PET die Verteilung einer sehr geringen Menge radioaktiver Substanz im Körper sichtbar. Geräte, die sowohl eine MRT als auch eine PET durchführen können, wurden bereits am Werner Siemens Imaging Center der Universität Tübingen entwickelt und stehen mittlerweile auch in der Versorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Die verbleibende Herausforderung war es, ein Kontrastmittel zu entwickeln, das gleichzeitig in einer PET und einer MRT funktioniert. Während eine MRT Kontrastmittel mit Gadolinium nutzt, um Organstrukturen und Körpergewebe besser sichtbar zu machen, wird für ein PET-Signal radioaktives Fluor-18 verwendet. Dank der Arbeit des internationalen Forschungsteams ist eine Kombination nun möglich. „Unsere Lösung ist ein clever gestaltetes Molekül, das sowohl Gadolinium als auch das radioaktive Fluor-18 enthält“, sagt Dr. Jan Kretschmer vom Werner Siemens Imaging Center der Universität Tübingen. Er ist einer von zwei Erstautoren der Studie, die vor kurzem in der wissenschaftlichen Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht wurde.
„Normalerweise ist es schwierig, zwei verschiedene Kontrastmittel für einen gleichzeitigen PET/MRT-Scan zu kombinieren, da für eine MRT deutlich mehr Kontrast-Moleküle benötigt werden als für eine PET. Wir haben dieses Problem gelöst, indem einige nicht radioaktive Fluoratome in einem Gadolinium-basierten MRT-Kontrastmittel durch radioaktive Fluor-18-Atome ersetzt werden“, erklärt Kretschmer. Beeindruckend ist, dass die Forschenden genug von diesem Mittel herstellen können, um fünf Patienten in weniger als 30 Minuten zu untersuchen. Das Molekül bleibt zudem im Körper stabil, was für den zukünftigen klinischen Einsatz sehr vielversprechend ist.
Genauere Diagnosen durch präzise und personalisierte Bildgebung
„Das Molekül ist einfach zu verwenden und hat eine breite Anwendbarkeit. Es hat alle Eigenschaften der aktuellen MRT-Kontrastmittel, liefert aber auch ein PET-Signal. Dies fügt eine weitere Informationsebene hinzu, verbessert die Genauigkeit und eröffnet neue diagnostische Anwendungen“, sagt Dr. Miloslav Polášek, Leiter der Gruppe für Koordinationschemie am Institut für Organische Chemie und Biochemie an der Akademie der Wissenschaft in Prag, wo die Idee der Arbeit entstanden ist. Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten dies bereits versucht, allerdings waren die von ihnen entwickelten Moleküle zu kompliziert in der Herstellung – der Einsatzbereich war deshalb stark begrenzt. Das neue Molekül habe deshalb die besten Chancen, sich in der Praxis gegenüber konkurrierenden Ansätzen durchzusetzen.
Versuche an Mausmodellen zeigten erste diagnostische Erfolge des kombinierten Kontrastmittels. Die Forschenden fanden in einer kombinierten MRT/PET-Untersuchung unerwartet heraus, dass eine scheinbar gesunde Maus Nierenprobleme hatte. Denn die rechte Niere speicherte das Kontrastmittel deutlich länger als die linke. Mithilfe des PET-Signals konnten die Forschenden die Menge an gespeichertem Kontrastmittel bestimmen – und in der rechten Niere kleine Entzündungen erkennen, die mit einer MRT leicht hätten übersehen werden können. „Nicht nur die Krankheit eines Patienten könnte künftig bestimmt werden, sondern auch das Stadium, der Typ oder die Aggressivität der Erkrankung – und zwar in einer Untersuchung“, betont Prof. André F. Martins vom Werner Siemens Imaging Center der Universität Tübingen. Bisher mussten hierfür zwei Untersuchungen gemacht werden. Eine PET oder eine MRT mit Kontrastmittel sind zwar für den Menschen zumeist unbedenklich, allerdings sind beide Bildgebungsverfahren verhältnismäßig zeitaufwendig. „Eine kombinierte Untersuchung könnte die Dauer der Untersuchungen und die Anzahl an Terminen verringern“, betont Remy Chiaffarelli, Doktorand am Werner Siemens Imaging Center und zweiter Erstautor der Studie.
Das neue Hybrid-Kontrastmittelmolekül ist bereits patentiert und die Forschenden suchen nach potenziellen Investoren. Wie das Verfahren im klinischen Kontext angewendet werden kann, wird nun in Tübingen weiter untersucht.