Krebsforscherinnen und -forscher der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg haben herausgefunden, dass bestimmte „Nonstop-Mutationen“ wichtige Schutz-Proteine gegen Krebs im Körper länger machen, wodurch diese „wasserscheu“ werden. Die Proteine werden dann in der wässrigen Umgebung der Zelle instabiler, schneller abgebaut und können schließlich nicht mehr effektiv gegen unkontrolliertes Zellwachstum wirken. Dadurch kann sich das Risiko für Tumore erhöhen. Die Ergebnisse der Studie, die am 25. Oktober 2024 im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurden, könnten die Präzision bei der Auswahl der passenden Krebstherapie erhöhen.
„Wir konnten zeigen, dass sogenannte Nonstop-Mutationen eine große Rolle in der Krebsentstehung spielen können. Bislang sind diese Veränderungen übersehen worden, weil sie nicht die Grundstruktur wichtiger Proteine betreffen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Sven Diederichs, der die Abteilung Onkologische Forschung in der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg leitet sowie Wissenschaftler im Partnerstandort Freiburg des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist. „Diese Erkenntnisse bieten jetzt die Möglichkeit, diese Mutationen in die Therapieentscheidungen bei Krebs zu integrieren“, so Diederichs.
Geschwächte Proteine begünstigen Tumorwachstum
Proteine sind wichtige Bausteine in unseren Zellen und werden entsprechend dem Bauplan in unserem Erbgut als Molekülkette hergestellt. Den Abschluss eines solchen Bauplans bildet normalerweise ein Stoppsignal, das die Aneinanderreihung von Proteinbausteinen beendet. Bei einer Nonstop-Mutation geht dieses Stoppsignal verloren, sodass das Protein länger als nötig wird.
Das Forschungsteam um Diederichs analysierte nun in einem Hochdurchsatz-Screening 2.335 Fälle, bei denen diese Nonstop-Mutationen in verschiedenen Krebsarten auftraten. Mithilfe einer Technik namens „Durchflusszytometrie“ maßen sie, wie hoch die Konzentration der überlangen Proteine in den Zellen war. Es stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte dieser Proteine abgebaut wurde, bevor sie ihre Aufgabe erfüllen konnten.
„Wir konnten zeigen, dass die Proteine, bei denen die Verlängerung sie wasserabweisender macht, man könnte auch sagen wasserscheu, in der wässrigen Umgebung der Zelle instabiler sind. In der Folge werden sie schnell vom Reinigungssystem der Zelle entsorgt. So können sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen“, erklärt Diederichs.
Besonders betroffen waren sogenannte Tumorsuppressor-Gene und die daraus entstehenden Proteine. Diese verhindern normalerweise das Wachstum von Tumoren. „Diese Proteine sind wie die Sicherheitsbremsen in unseren Zellen. Sie sorgen dafür, dass Zellen sich nur dann teilen, wenn es nötig ist, und stoppen das Wachstum, wenn etwas schiefgeht. Wenn diese Proteine nicht richtig funktionieren, kann es passieren, dass Zellen unkontrolliert wachsen und sich zu Tumoren entwickeln“, sagt Diederichs.
Im nächsten Schritt wollen die Freiburger Forscherinnen und Forscher die Mechanismen hinter den bislang weitgehend übersehenen Mutationen weiter untersuchen. „Wir wollen einerseits noch detaillierter verstehen, wie sich die einzelnen Mutationen auswirken. Andererseits möchten wir testen, ob das gezielte Stabilisieren der betroffenen Proteine eine Basis für neue Therapieansätze sein könnten“, hofft Diederichs.